Schutzschirmantrag der Hansa-Gruppe Der nächste Pflegeheimbetreiber kippt

Pflegeheimbetreiber stecken in einem strukturellen Dilemma: die Kosten steigen jetzt, die Pflegesätze werden erst mit erheblicher Verzögerung – und dann auch nicht in voller Höhe - angepasst.  Quelle: imago images

Nach Convivo zieht die Hansa-Gruppe die Reißleine: In einem Schutzschirmverfahren will sich der Pflegeheimbetreiber neu aufstellen. Weitere Insolvenzen dürften folgen, denn der Pflegemarkt steckt in einer Existenzkrise.

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Der Pflegeheimbetreiber Hansa mit Sitz in Oldenburg will seine 23 Seniorenheime in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Schutzschirm-Insolvenz sanieren. Ziel sei die wirtschaftliche Neuaufstellung der Gruppe sowie der Erhalt der Häuser und der rund 1.400 Arbeitsplätze, heißt es in einer Mitteilung der Sanierungskanzlei Schultze & Braun. 

Ein Team um die Restrukturierungsexperten Detlef Specovius, Michael Böhner und Christoph von Wilcken unterstützt nun die Geschäftsführung, um „Ende 2023 zu einer 'schwarzen Null' zurückzukehren“, wie die Kanzlei mitteilt. Hintergrund des Schutzschirmantrags sind demnach erhebliche Kostensteigerungen in den vergangenen Monaten: „Einem sehr dynamischen Anstieg der Kosten für Energie, Material, Mieten und Personal stehen Einnahmen gegenüber, die bestenfalls nur verzögert daran angepasst werden können.“

Ende Januar hatte bereits die Pflegegruppe Convivo mit Sitz in Bremen Insolvenz angemeldet. Den Insolvenzverwaltern Malte Köster und Christoph Morgen ist es seither gelungen, den Betrieb der Einrichtungen zu stabilisieren. Nun suchen sie Investoren, die die Convivo-Standorte übernehmen und langfristig weiterführen.

Einfach wird das nicht. Wie Convivo und Hansa spüren alle großen Pflegeheimbetreiber derzeit Gegenwind. „Die Pflegeheimbetreiber stecken in einem strukturellen Dilemma, das durch Coronafolgen und Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln noch verschärft wird“, sagt Tillmann Peeters, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg. Das Kernproblem sei, dass die Personal- und Sachkosten jetzt steigen, die Pflegesätze aber erst mit erheblicher Verzögerung – und dann auch nicht in voller Höhe – angepasst werden. „Den Pflegeheimen wird das Geld schneller ausgehen, als der Staat darauf reagiert“, erwartet Peeters. 

Dorea und Deutsche Wohnen in der Kostenfalle  

Das bestätigt auch die Dorea-Gruppe, die deutschlandweit unter anderem in 76 stationären Einrichtungen und neun ambulanten Diensten rund 8.900 pflege- und betreuungsbedürftige Menschen versorgt. Die Kosten entwickeln sich „stark nach oben“, teilt ein Unternehmenssprecher mit.

Dies betreffe zum einen „die immens gestiegenen Kosten für Strom, Heizung und Wasser, aber auch für Nahrungsmittel.“ Aber auch sich „fast verdoppelnde Kosten für Inkontinenzprodukte sowie Wund- und Pflegemittel wirken sich ebenfalls spürbar aus“. Zudem würden steigende Pachtzahlzungen für die Pflegimmobilien das Unternehmen belasten, ebenso wie steigende Tariflöhne für Pflegefach- und Hilfskräfte aber auch für Küchen- und Reinigungspersonal. „Hier lassen sich, besonders vor dem Hintergrund der Mitarbeitergewinnung- und Bindung, keine Kosteneinsparungen vornehmen“, teilt das Unternehmen mit. Zu schwierig ist die Personalsituation in der gesamten Branche.

Durch die jahrelangen Auswirkungen der Coronapandemie habe sich der Personalmangel in der Pflege noch verstärkt, heißt es auch von der Hansa-Gruppe. „Die Qualifikation und Zahl des Personals bestimmt jedoch die mögliche Belegung.“ Der Mitarbeitermangel führt so direkt zu geringeren Einnahmen.



„Die zentrale Herausforderung ist tatsächlich das Thema Personal“, bestätigt auch der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen. 72 Pflegeimmobilien mit insgesamt rund 9.540 Pflegeplätzen hat das Unternehmen im Geschäftsfeld Pflege und Betreutes Wohnen gebündelt. „Damit sind wir einer der größten Bestandshalter von Pflegeimmobilien in Deutschland“, teilt das Unternehmen mit.

Ob das so bleibt, ist allerdings offen. Auch die Deutschen Wohnen verzeichnet schließlich erhebliche Kostensteigerungen etwa für die rund 3800 Mitarbeiter. „Weitere Kostensteigerungen sehen wir im Bereich der Sachkosten durch Inflation und gestiegene Energiekosten.“ Durch Verhandlungen mit den Kostenträgern zu Pflegesätzen sowie Vergütungen für Unterkunft und Verpflegung versucht das Unternehmen den Anstieg zu refinanzieren und will Sach- und Energiekosten einsparen. Dennoch bleiben die Aussichten trübe.

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Schon im vergangenen Jahr hatte das „Handelsblatt“ über Verkaufspläne für die Pflegesparte der Deutsche Wohnen berichtet. Bislang kam es nicht dazu. Aber: „Wir befinden uns nach wie vor in dem Prüfprozess zur strategischen Ausrichtung des Segments, bei der ein Verkauf eine mögliche Option sein kann“, teilt ein Unternehmenssprecher mit. An Übernahmekandidaten herrscht momentan also kein Mangel. Und an Pflegefällen im Gesundheitsmarkt schon gar nicht.

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