Schwache Abo-Zahlen erst der Anfang „Netflix droht auszubluten“

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Disneys riskante Wette

Dass Disney dann Teil eines solchen Marktes mit weniger Wettbewerbern sein wird, ist auch mit großen Inhalten und fairen Preisen allein nicht garantiert. „Disney+ ist bei weitem kein Selbstläufer und birgt ein gewaltiges Risiko: Sollte Disney tatsächlich alle Inhalte wie offenbar geplant von Netflix abziehen, gingen dem Unternehmen beachtliche Lizenzerlöse verloren“, sagt Kerkau. Tatsächlich soll das Teil des Plans von Firmenchef Iger sein. Disney könnte einen Deal mit Netflix auslaufen lassen und somit Inhalte von Netflix auf die eigene Plattform verlagern. Über ein solches Vorhaben hat die New York Times berichtet.

Bei neuen Kinofilmen ist das laut des Berichts bereits der Fall. Captain Marvel soll demnach der erste Film aus dem Hause Disney sein, der nach der Vorführung im Kino nicht mehr auf Netflix, sondern auf Disney+ erscheint. Noch ist ungeklärt, ob das künftig für alle Disney-Filme gelten wird oder gar für alle Filme, die durch Zukäufe von Produktionsfirmen bereits zum Konzern gehören – etwa sämtliche Filme, Serien oder weitere Spin-Offs von Star Wars oder den Marvel Avengers.

Einen so drastischen Schritt kann sich Florian Kerkau noch nicht vorstellen. „Die großen Reichweiten im Streaming werden von ABC- und Fox-Serien generiert“, sagt Kerkau. Etwa von Grey’s Anatomy oder den Simpsons. Diese würden wohl auch weiter durch Disney lizensiert werden, glaubt er. „Alles andere ergibt nach meiner Einschätzung wirtschaftlich nur wenig Sinn – dafür sind die Lizenzerlöse viel zu lukrativ.“ Außerdem könnte es Jahre dauern, so Kerkau, bis Disney+ technisch ausgereift ist und Nutzer in großen Mengen für sich gewinnen kann.

Das dürfte auch Disney-Investoren interessieren: „Sie würden ihr Geld in ein Unternehmen stecken, dass erst einmal deutlich weniger Geld verdienen würde, aber gleichzeitig deutlich mehr Geld investieren müsste“, sagt Kerkau.


Netflix macht Schulden

Disney und seine Nachahmer werden zur Gefahr für Netflix

Angenommen allerdings, dass Disney mit dem Einsperren der eigenen Inhalte tatsächlich Erfolg hätte, dann ist das Geschäftsmodell von Plattformen wie Netflix oder Prime Video grundsätzlich in Gefahr. Denn Disneys Streaming-Erfolg könnte andere große Filmproduktionsfirmen dazu verleiten, denselben Weg mit eigenen Plattformen zu beschreiten.

Um die Lizenzverluste zu verdeutlichen, die Alleingänge von Disney und Co. zur Folge hätten, ist der momentane Einfluss der Produktionsfirmen bei Netflix ein guter Indikator. Das Problem: Netflix und Co. veröffentlichen keine Aufrufzahlen. Deshalb hat Kerkaus Marktforschungsunternehmen Goldmedia ein Analysetool entwickelt, mit dem Zuschauerzahlen kostenpflichtiger Videostreaming-Angebote erfasst werden können.

Demnach stammten 2018 vier der zehn erfolgreichsten Produktionsfirmen auf dem deutschen Netflix-Dienst aus dem Hause der Walt Dinsey Company. Nämlich 20th Century Fox (Platz 2), ABC Studios (6), die Marvel Studios (8) und Disney selbst auf Platz 10. Goldmedia schätzt, dass sämtliche auf Netflix verfügbaren Inhalte, die von Disney stammen, im vergangenen Jahr etwa 932,5 Millionen absolute Views in Deutschland anhäuften. Und wenn Disney nun Ernst macht? „Netflix droht auszubluten“, sagt Goldmedia-Chef Kerkau.

Denn ganz nebenbei: Die erfolgreichste Produktionsfirma auf Netflix-Deutschland ist laut Goldmedia Warner Bros. mit etwa 700 Millionen Views 2018. Und auch für Warner Media ist eine eigene Streaming-Plattform geplant. Das gab der Telekommunikationskonzern AT&T bekannt, der Warner 2018 übernommen hatte. Das Unternehmen hält die Rechte an Streifen wie Harry Potter, Phantastische Tierwesen oder The Dark Knight. Netflix dürfte angst und bange werden.

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