Security-Branche In fünf Tagen zum Sicherheitsmann

Seite 3/3

Ziemlich lukrativ

Immer wieder wird deutlich, dass einige der Teilnehmer nicht in erster Linie wissen wollen, welche Grenzen ihnen das Recht setzt – sondern wie man sie überschreiten kann, ohne dabei erwischt zu werden.

Sechs goldene Verhaltensregeln zum Schutz vor Einbrechern
Abschließen Quelle: dpa
Fenster zu! Quelle: Initiative ‚Nicht bei mir!‘
Fußmatte Quelle: dpa
Schlüssel weg, Schlösser tauschen!Wenn ein Schlüssel verloren geht – auch wenn es nur der Schlüssel ist – dann auf jeden Fall Schlösser tauschen. Denn man kann sich nie sicher sein, wie oder wo der Schlüssel weg gekommen ist und im schlimmsten Fall wurde er geklaut. Also: sicher ist sicher – Schließzylinder wechseln. Quelle: dpa
nachbar Quelle: ZB
Urlaub Quelle: Initiative ‚Nicht bei mir!‘

Das prägt auch den Dialog zum Thema Waffenbesitzkarte, das am dritten Tag auf dem Plan steht. Dozent Boll erläutert die Ausnahmen: „Für eine Schreckschusspistole braucht ihr keine Waffenkarte.“ Es folgt ein kurzer Dialog, an dem sich der halbe Kurs beteiligt: „Aber man kann doch auch mit einer Schreckschusspistole jemanden töten.“ Boll: „Na ja, vielleicht wenn du damit zuschlägst“. „Nein, auch wenn man sie aufs Trommelfell aufsetzt“. „Na, da kannst du auch gleich damit zuschlagen!“ „Oder wenn man sie aufbohrt, das geht auch.“

Ist das noch die theoretische Analyse, ein Lehrbuchfall? Oder werden hier eigene Erfahrungen wiedergegeben? Während des gesamten Kurses werfen die Antworten der Teilnehmer diese Fragen immer wieder auf – und bleiben im Raum stehen.

Tag 4, Unfallverhütung: Heiko, ein zappeliger Typ mit blutunterlaufenen Augen, schildert einen Vorfall. Er sei mal mit der Hand in eine Maschine geraten, weil die nicht richtig gesichert war, kurz danach auch noch sein Kollege, ein verworrener Vortrag. Aber die Quintessenz ist klar: „Ich klage bis heute, dass ich Geld bekomme, die stellen sich da total quer.“ Auch wenn es nicht wirklich zum Thema passt, fragt Boll nach: „Wer war denn da dein Arbeitgeber?“ Heiko: „Das war Vater Staat.“ „Wie meinst du das?“ „Na, die JVA halt.“

Das deutsche Strafrecht setzt auf Resozialisation, deshalb ist es angemessen, dass eine Vorstrafe keinen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausschließt. Aber erstaunlich ist es doch, wie wenig Arbeitgeber und erst recht die Auftraggeber von Sicherheitsmitarbeitern über deren kriminelle Karrieren erfahren. Zwar können Arbeitgeber bei Neueinstellungen ein Führungszeugnis fordern, da steht aber deutlich weniger drin, als landläufig angenommen wird. Erststrafen von bis zu drei Monaten oder Geldstrafen unter 90 Tagessätzen werden gar nicht aufgenommen, Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr nach drei Jahren gelöscht. Mit Ausnahme bestimmter Sexualdelikte verschwinden auch alle höheren Strafen nach fünf Jahren aus dem polizeilichen Führungszeugnis.

Das Geschäft der Handelskammern

Kein Wunder also, dass der seriöse Teil des Gewerbes seit einiger Zeit Reformen fordert. „Jeder zukünftige Unternehmer sollte mindestens eine Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit haben“, formuliert Gregor Lehnert vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Vor allem aber erkennt er einen Strukturfehler in der Beaufsichtigung. „Mit Ausnahme von Österreich sind in allen 25 anderen EU-Länder die Innenministerien für das Sicherheitsgewerbe zuständig“, sagt Lehnert. Angesichts des Aufgabenfeldes der Unternehmen klingt das ziemlich einleuchtend – in Deutschland liegt die Verantwortung aber beim Wirtschaftsministerium. Das ist auch im Sinne der Industrie- und Handelskammern, die bundesweit für die Unterrichtungen zuständig sind. Und das ist derzeit ziemlich lukrativ. Pro Kurs bleibt bei den Kammern ein fünfstelliger Betrag hängen, in den meisten Städten sind die Kurse für den Rest des Jahres bereits ausgebucht.

Kriminalstatistik

Zumindest für die Teilnehmer in Bolls Kurs lohnt sich das Ganze ja auch. Denn Boll macht sein Versprechen wahr, ab Donnerstagmittag konzentriert er sich ganz auf die Prüfungsvorbereitung. Das letzte und laut Prüfungsordung größte Themengebiet „Umgang mit Menschen“, wird in einem Folienfilm abgehandelt. Boll: „Das geht auch ohne Fachwissen.“ Stattdessen nimmt er sich Zeit, die Fragen einzeln mit den Teilnehmern durchzugehen. Alle 20 Testfragen und Antworten, die am nächsten Tag drankommen, liest er tatsächlich Wort für Wort vor. Manche Antworten schreibt er gar an die Tafel an, weil die Teilnehmer sie nicht verstehen. Özkan, einem elegant gekleideten jungen Mann, ist auch das nicht genug. Mit seinem Handy zeichnet er Bolls Ausführungen auf. Als der es merkt, einigen sie sich darauf, die Aufzeichnung sofort zu löschen – nach der Prüfung. Und so kommt es, wie es kommen musste: Alle Teilnehmer bestehen den Test. Und die Bundesrepublik ist wieder um 21 Fachkräfte reicher.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%