
Jonathan Kessler ist ein Spinner, zumindest bezeichnet sich der Gründer des kalifornischen Start-ups Cargomatic schon mal selbst als „weird guy“, als eigenartig, ein bisschen merkwürdig. Dabei ist seine Geschäftsidee alles andere als sonderbar: Ist der Lastwagen eines Unternehmens nicht voll beladen, können andere Firmen den freien Platz gegen Kostenbeteiligung für eigene Ladung buchen. Beide Seiten profitieren. Der Lkw-Besitzer lastet sein Fahrzeug besser aus, der Partner erhält günstige Frachtraten.
Cargomatic will so die dominante Plattform in der Logistik werden, die kommerzielle Versender und Transportfirmen zusammenbringt. Ganz so, wie es das US-Start-up Uber im Taxigewerbe geschafft hat. Acht Millionen Dollar hat die Firma bereits bei Wagniskapitalgebern wie Canaan Partner, dem Ex-Karstadt-Investor Nicolas Berggruen und der Beteiligungsgesellschaft des schwedischen Lkw-Herstellers Volvo eingesammelt.
Prognostiziertes Wachstum in der Shared Mobility
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat in der Studie "Shared Mobility" die vier Märkte mit dem größten Potenzial beziffert. Für das Carsharing sehen die Berater bis 2020 einen Markt mit Umsätzen mit 3,7 bis 5,6 Milliarden Euro. Bei jährlichen Wachstumsraten von 30 Prozent.
Im Grunde geht es um die gute alte Fahrgemeinschaft oder auch private Taxidienste - Fahrer und solche, die gefahren werden wollen, finden sich per Smartphone-App. Unternehmen wie Carpooling und das 2009 gegründete und von Google protegierte Portal Uber, sind bereits über die StartUp-Phase hinaus. Der Dienst ist neben gut zwei Dutzend US-Städten auch in Berlin, München, Zürich und London aktiv und hat einen Wert von 18 Milliarden US-Dollar.
Roland Berger rechnet in diesem Segment bis 2020 mit Zuwachsraten von 35 Prozent p.a. Der Markt soll dann 3,5 bis 5,2 Milliarden Euro schwer sein.
In diesem Bereich gibt es schon eine ganze Reihe von privaten wie auch öffentlichen Anbietern. Städte wie Kopenhagen etwa wollen die Radler in der Stadt massiv fördern. Hier sind Wachstumsraten von 20 Prozent per annum drin, so Roland Berger. Der Markt wird bis 2020 voraussichtlich ein Volumen von 3,6 bis 5,3 Milliarden Euro erreichen.
Bis zu einem Drittel des innerstädtischen Verkehrs kommt zustande, weil Menschen einen Parkplatz suchen. Auch die Autokonzerne begreifen den Parkplatzmangel zunehmend als kritischen Punkt im System und bieten erste Lösungen an. Smart hat eine eigene Parkplatz-App entwickelt, Mercedes investiert in das Start-Up Park2gether. Derzeit der größte und bekannteste Anbieter ist parkatmyhouse.com, in den BMW i Ventures seit Juli 2011 investiert.
Roland Berger geht von einem jährliche Wachstum von 25 Prozent bis 2020 aus. Der Markt soll dann ein Umsatzvolumen von 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro erreichen.
Mitfahrgelegenheit per Uber, Gästezimmer per Airbnb, Buchverleih per Bookeloh – unsers statt meins, teilen statt besitzen, dies neudeutsch Sharing genannte Phänomen ist für viele Menschen im Privatleben zum Lebensgefühl geworden. Und für die Plattformen zur Goldgrube, allein Uber wird mit über 40 Milliarden Dollar bewertet.
Morgens Brötchen, mittags Blumen
Nun gedeihen auch im Geschäftsbereich immer mehr Sharing-Plattformen. strategy&, die Beratungstochter der Prüfungsgesellschaft PwC, spricht in einem Bericht von einer „leisen B2B-Revolution“ und kreiert einen neuen Begriff: Sharing Companies, teilende Unternehmen. Neben Cargomatic gibt es in den USA frisch gegründete Firmen wie Storefront, eine Art Airbnb für Einzelhändler, die sich Ladenfläche teilen wollen. Hier kann etwa eine Modedesignerin ihre Kreationen zum Verkauf anbieten und zugleich ein Cafébesitzer den Raum nutzen. In Großbritannien stellen Unternehmen über die Plattform sharemyoffice.co.uk freie Büroräume anderen Firmen kurzzeitig zur Verfügung. Auch in Deutschland interessieren sich ebenfalls die Ersten für den neuen Trend.
Nikolas Beutin, Partner bei PwC und Experte für Vertrieb und Marketing, hat seine perfekte Vision schon im Kopf: Ein Bäcker bäckt frühmorgens Brötchen und liefert sie bis zehn Uhr aus. Seinen Transporter übergibt er dann an einen Floristen, der damit Blumen verteilt. „Hier würde Sharing doch wirklich Sinn machen“, ist er überzeugt.





Die Idee an sich ist nicht neu, seit Jahrzehnten teilen sich Landwirte in Deutschland über Maschinenringe Traktoren und Mähdrescher. Doch die Web-Plattformen sorgen für neuen Schub: Sie geben einen schnellen Überblick über Angebot und Nachfrage. Die Verwaltung wird erleichtert, oft gibt es ausgeklügelte Abrechnungsverfahren. Bewertungssysteme für Anbieter und Abnehmer schaffen Vertrauen.
Noch fehle es deutschen Unternehmern aber an Mut und Willen, sich auf den Sharing-Gedanken einzulassen, klagt Michael Bucher, der am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart ein Team zum Thema Sharing leitet. „Sie tun sich noch schwer, neue Geschäftsmodelle zuzulassen und aufzubauen“, sagt er. „Es schwelt was, aber wir sind noch in einer sehr frühen Phase.“ Im Gegensatz zu den USA gibt es hierzulande noch keine Online-Plattform oder App, die teilwillige Partner zusammenbringt.