Eigentlich ist Babette Vogler, 31 Jahre, anthrazitfarbener Hosenanzug und freundliches Lächeln, nur Betriebswirtin. Doch was sie in den Heinrich Heine Gärten in Düsseldorf vollbringt, geht weit über ihr Wissen aus dem Studium hinaus.
Als "Concierge", heißt es in dem Prospekt der Nobelwohnanlage im Westen der Stadt, wacht die Anfangdreißigerin "mithilfe modernster Technik über die Sicherheit und schützt die Privatsphäre der Bewohner". Sie "organisiert und überwacht" zusammen mit Kollegen vielfältige Dienstleistungen - "vom Shuttle-Service zum Flughafen über Handwerker oder Reinigungspersonal bis hin zum Wäscheservice und zur Versorgung von Haustieren oder Pflanzen". Und von der Lobby aus hat die Dame für alles per Videoüberwachung stets jeden wichtigen Winkel inklusive Aus- und Einfahrt zur Tiefgarage im Blick.
Die 180 Millionen Euro teure Anlage, in der bis Ende 2014 rund 378 Wohnungen entstehen sollen, zählt zu den noch seltenen Quartieren in Deutschland, in denen es sich nicht nur luxuriös, sondern auch sicher logieren lässt. Im Carloft in Berlin-Kreuzberg etwa können die Bewohner ihr Auto mit dem Aufzug zum Parken auf die eigene Terrasse befördern – immerhin stecken Raudis gern schon mal Oberklasselimousinen in Brand. Um die Heinrich Heine Gärten in Düsseldorf steht rund um das Gelände - künftig verborgen in einer 1,50 Meter hohen Hecke - ein Stahlgitterzaun. Video-Gegensprechanlagen an allen Zugängen sorgen für Kontrolle, ein ständiger Wachdienst ist eine Option für die Zukunft. "Für uns ist das ein kleines Segment im Immobiliengeschäft, aber ein feines", sagt Benno Maubach, Niederlassungsleiter der Immobiliengesellschaft Frankonia Eurobau, die Bauherr, Makler und Manager der Anlage in einem ist.
Bunker in der Wohnung
Seit Jahren nehmen die Wohnungseinbrüche in Deutschland stark zu. Nach Angaben der Versicherungswirtschaft belaufen sich die Schäden auf rund 600 Millionen Euro jährlich, die Aufklärungsquote liegt bei bescheidenen 16 Prozent. Zudem ziehen ältere Menschen, die mit den Jahren ängstlicher werden, vermehrt wieder in die Stadt. Das nährt die Nachfrage nach mehr Sicherheit in jedweder Form. "Wir beobachten zunehmend eine Verschiebung von Firmenkunden hin zu privaten Kunden", sagt Andreas Falke, Geschäftsleitung Vertrieb und Marketing beim Sicherheitsspezialisten Haverkamp. Der Mittelständler in Münster hat alles im Programm, was Einbrecher abschreckt, vom alarmgesicherten Zaun über die sprengwirkungshemmende Fensterfolie bis zum "Panik-Raum", eine Art Bunker in der eigenen Wohnung.
Mehr Verbrechen - mehr Umsatz?
"Die Sicherheitsbranche kann aus Anleger- und Investorensicht ganz eindeutig als Zukunftsbranche identifiziert werden", meint Wolfgang Pflüger, Chefvolkswirt der Hamburger Berenberg Bank und Mitautor einer entsprechenden Studie. Bereits heute sei Deutschland bei einer Reihe von Basistechnologien gut positioniert. Technologiekonzerne wie Bosch beispielsweise bieten heute über Computer und Smartphone-Apps steuerbare Schlösser, Rollläden und Kameras für das Eigenheim inklusive automatischer Verbindung zu Wachdiensten oder Feuerwehr an.
Zu den großen Trends zählt der effiziente Blick auf die Gefahrenstellen. "Videotechnik ist in der Sicherheitsindustrie immer mehr auf dem Vormarsch", sagt Peter Krapp, Geschäftsführer des Fachverbands Sicherheit im Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Dabei geht es vor allem um Techniken der Videoanalyse, die Bedrohungen erkennen und das ständige Starren etwa des Portiers auf den Monitor überflüssig machen. Inzwischen reagieren solche Systeme erst, wenn jemand bestimmte Gegenstände entfernt oder verbotene Bereiche betritt.
Experten schätzen den Markt für sicherheitstechnische Produkte und Dienstleistungen in Deutschland auf über elf Milliarden Euro pro Jahr. Der Löwenanteil entfällt laut ZVEI auf die rund 4.000 Sicherheitsdienstleiter mit circa 4,8 Milliarden Euro und 175.000 Beschäftigten. 2007 lag der Umsatz noch bei 4,3 Milliarden Euro.
Deutlich aufwärts geht es im Geschäft mit elektronischer Sicherheitstechnik. Im Jahr 2012 lag der Umsatz nach Schätzungen des Bundesverbands der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen (BHE) bei rund 2,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von knapp drei Prozent. Getragen werde der Zuwachs von der Nachfrage nach Brandmeldetechnik und Videoüberwachung, sagt BHE-Geschäftsführer Urban Brauer. Für Alarmanlagen gegen Feuer blätterten die Deutschen 2012 schätzungsweise 3,5 Prozent mehr hin als im Vorjahr, insgesamt 1,24 Milliarden Euro, für Videotechnik gaben sie drei Prozent mehr aus, insgesamt knapp 407 Millionen Euro. Das Plus bei Brandmeldern liegt vor allem an der jüngst eingeführten Pflicht von Rauchmeldern in den Bauordnungen fast aller Bundesländern.
Grenzenlos in den Himmel wachsen die Umsätze der Sicherheitsbranche allerdings nicht. So steigt seit 2011 zwar der Umsatz mit Einbruchmeldetechnik. "Wir erwarten weiteres Wachstum bei den Alarmanlagen, da die Wohnungseinbrüche zunehmen", sagt BHE-Chef Brauer. Doch die simple Gleichung "mehr Verbrechen - mehr Umsatz" geht nicht auf. Laut BHE-Schätzung liegt das Umsatzplus im Jahr 2012 bei knapp zwei Prozent. Die Zahl der Wohnungseinbrüche dagegen ist um knapp neun Prozent auf 144 000 Fälle im Jahr 2012 gestiegen und war im Vorjahr sogar um 9,3 Prozent in die Höhe geschnellt.
Sonderkonjunktur für die Branche
Sicherheitstechnik sei zwar ein wachsender Markt, sagt Haverkamp-Manager Falke, aber bei den Kunden gelte Sicherheit als unproduktiver Kostenblock – jedenfalls so lange, bis das "Kind in den Brunnen gefallen ist", sprich: der Schaden eingetreten sei. "Nur wenn Versicherungen oder Behörden Druck machen und auf den Einbau von Sicherheitsanlagen bestehen, wird investiert", glaubt Verbandsmann Brauer.
Wenig Aufwand, viel Schutz
In diese Richtung zielen - pünktlich zur Bundestagswahl - Vorstöße von CDU und SPD. Während die CDU "für verbesserte steuerliche Anreize zugunsten von Eigenheimbesitzern bei Investitionen in die Sicherheit ihrer Häuser" plädiert, will Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), dass die Bundesländer künftig Mindeststandards für den Einbruchschutz bei Neubauten vorschreiben. Pistorius ist Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) und denkt über einen besseren Aufhebelschutz für Fenster und Türen, abschließbare Griffe und Dreifachverriegelungen für Haustüren nach.
Das könnte der Branche eine Sonderkonjunktur verschaffen. Denn im rund eine Milliarde Euro schweren Markt für Schlösser und Beschläge resultieren die Umsatzzuwächse schon jetzt laut Branchenverband hauptsächlich aus staatlichen Eingriffen: zum Beispiel den Förderprogrammen zur energetischen Sanierung von Gebäuden. Dabei erhöhen viele Hausbesitzer die Sicherheit mit vergleichsweise wenig Aufwand offenbar gern gleich mit.
Die einfachen Maßnahmen zahlen sich aus. Fast 40 Prozent der versuchten Einbrüche werden abgebrochen, weil Türen und Fenster gut gesichert sind. Oft sind Täter nur mit einem Schraubenzieher unterwegs. Wenn sich damit die Tür nicht innerhalb von fünf Minuten öffnen lässt, zieht der Strolch nach Erfahrungen der Polizei unverrichteter Dinge weiter.