




Das profitabelste Geschäftsfeld der Deutschen Bahn heißt CRK4 und erwirtschaftet eine Rendite von bis zu rund 2000 Prozent. Die verdankt die Abteilung mit dem kryptischen Kürzel all jenen, die sich unerlaubt gegen die Bahn verbündet haben. Denn CRK4 versucht alle Schäden einzutreiben, die dem Schienenkonzern durch illegale Preisabsprachen von Lieferanten entstehen. Mehr als 300 Millionen Euro hat die Jagd der Bahn in den vergangenen Jahren eingebracht.
Das ist erst der Anfang, denn die fünf Juristen und ein Ökonom der Abteilung CRK4 haben mehr zu tun, als es ihrem Arbeitgeber lieb sein kann. „Die Bahn ist ein natürliches Ziel von Preisabsprachen“, sagt Rechtsvorstand Gerd Becht. „Wir haben ein Einkaufsvolumen von 25 Milliarden Euro im Jahr und bewegen uns in engen Märkten mit wenigen Lieferanten.“
Darum zählt die Bahn bei jedem dritten in Europa aufgedeckten Kartell zu den Geschädigten. Die bekanntesten Felder, auf denen sie Rückerstattung für zu hohe Preise verlangt, sind: Schienen, Aufzüge, Kaffee, Carbonbürsten für die Stromabnehmer der Züge sowie Kreditkarten von Mastercard und Visa. Aktuell verfolgt CRK4 25 Fälle. Ziel ist die außergerichtliche Einigung mit den Übeltätern. Allerdings hat die Bahn in elf Fällen geklagt – teilweise, um die Verjährungsfrist zu verlängern. Die Schadensersatzforderungen summieren sich auf gut zwei Milliarden Euro – inklusive der aktuellen Klage gegen die Lufthansa und andere Fluglinien wegen Absprachen bei Frachtraten.
Kein unkalkulierbares Risiko mehr
CRK4 geht auf Rechtsvorstand Becht zurück, der 2009 zur Bahn kam. Der Jurist ist in den USA und Deutschland als Anwalt zugelassen und hatte in seiner Zeit bei der Opel-Mutter General Motors und dem zeitweiligen Verbund aus Daimler und Chrysler gelernt, wie viel Geld sich aus Kartellverfahren schlagen lässt.
CRK4 steht für die Anfangsbuchstaben der Worte Compliance (Gesetzestreue), Recht und Kartelle. Die Rechtsfachzeitschrift Juve kürte die Bahn-Juristen im Oktober zum „Inhouse-Team des Jahres“. Die US-Zeitschrift „Global Competition Review“ prämierte das Vorgehen der Bahn gegen das Schienenkartell, an dem auch der Essener Konzern ThyssenKrupp beteiligt war, als „Zivilprozess des Jahres“.
In den Zeiten vor CRK4 galten bei der Bahn Klagen auf Schadensersatz gegen Kartellsünder als unkalkulierbares Risiko. Der Konzern schaltete externe Anwälte ein, die oft mehrere Hundert Stunden jeweils bis zu 500 Euro abrechneten, und das fast unabhängig vom Erfolg.
Heute zeigt sich: Richtig organisiert, bringen eigene Juristen der Bahn pro einem Euro Kosten 10 bis 20 Euro Schadensersatz. CRK4 erfasst und scannt weltweit Meldungen über Bußgeldbescheide von Kartellbehörden danach, ob unter den Sündern einer der rund 30 000 Bahn-Zulieferer ist. Sodann prüft das Team das Einkaufsvolumen und schätzt den möglichen Schaden. „Wir betreiben in der Vorbereitung eines Kartellschadensersatzfalles eine intensive Kosten-/Nutzen-Analyse. Hohe Investitionen in die Aufbereitung und den Nachweis unserer Schadensersatzforderungen machen wir nur, wenn wir auch vom wirtschaftlichen Erfolg überzeugt sind“, sagt Becht.
Wegen der hohen Einnahmen und weil die Bahn vor allem eigene Mitarbeiter beschäftigt, macht CRK4 auch bei geringeren Kartellschäden schnell Gewinn – eine Warnung an kleinere Übeltäter, sich nicht in Sicherheit zu wiegen.