Sozialunternehmen So (be-)schaffen wir eine bessere Welt

Konzerne die Sozialunternehmen unterstützen können die Welt verbessen – eine Win-Win-Situation Quelle: dpa

Was haben Weltkonzerne wie Ikea, Johnson & Johnson und SAP gemeinsam? Sie nutzen ihre Beschaffungsbudgets, um damit Sozialunternehmen zu fördern. Diese Strategie hilft nicht nur der Gesellschaft – sondern auch der Firmenbilanz. Ein Gastbeitrag.

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Afrika ist nicht der erste Kontinent, den die meisten Menschen mit IT-Outsourcing verbinden würden. Amalitech ist ein Sozialunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit diesem Vorurteil aufzuräumen. Das in Ghana und Ruanda ansässige Unternehmen bildet junge afrikanische Digitaltalente aus und bietet seinen Kunden alles von Softwaretests bis hin zur App-Entwicklung. Dabei wurden bis heute über 3000 Menschen ausgebildet und mehr als 1000 digitale Arbeitsplätze geschaffen. Die Mitarbeitenden haben die Chance, regelmäßig befördert zu werden und ein höheres Gehalt zu bekommen. Krankenversicherung und Rente sind in den Verträgen ebenso enthalten. Das ist nicht von geringer Bedeutung auf einem Kontinent, auf dem die Arbeitslosenquote oft über 30 Prozent liegt und die wirtschaftlichen Aussichten gering sind – insbesondere seit der durch Covid verursachten Rezession und der gegenwärtigen Inflation.

Das ist „Social Procurement“: der Ansatz, Produkte oder Dienstleistungen nicht irgendwo, sondern explizit von Sozialunternehmen zu kaufen. Sozialunternehmen fokussieren sich zu 100 Prozent auf die Lösung eines sozialen oder ökologischen Problems und wollen dabei gleichzeitig profitabel arbeiten. Auf diese Weise können Unternehmen ihre globalen Lieferketten für einen guten Zweck nutzen.

Großkonzerne geben jährlich Milliarden durch ihre Einkaufsabteilungen aus. Wie könnte man die gleichen Budgets besser ausgeben, nämlich mit einem Fokus auf die positive soziale Wirkung, die man damit erzielen kann? Selbst wenn nur 0,1 Prozent dieser Budgets an Sozialunternehmen fließen würden, könnte eine gesellschaftliche Wirkung im Wert von mehreren Milliarden Euro erzielt werden. Eine auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellte Studie von Yunus Social Business und der Boston Consulting Group rechnet das Marktpotenzial für Social Procurement auf 500 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren. Andere, noch ambitioniertere Studien schätzen diese Zahl sogar auf 2,5 Billionen Dollar.

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Man stelle sich vor, wie viele Arbeitsplätze so für sozial Schwache geschaffen werden könnten, also etwa Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, alleinerziehende Menschen, Menschen mit Behinderungen – sowohl hier als auch in Entwicklungsländern. Die bisher ungeliebten, kostenfokussierten Procurement-Manager könnten sich nun als Helden für eine bessere Welt profilieren!

Ja, das Konzept von Social Procurement ist noch neu. Es wird jedoch in Unternehmen immer beliebter, um deren Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die derzeitige ESG-Bewegung, bei der Unternehmen von Investoren angehalten werden, die Themen Umwelt, Soziales und Governance ins Auge zu fassen, hat sich bisher hauptsächlich auf die Klimakrise fokussiert. Nullemissionsziele sind für die meisten großen Unternehmen bereits selbstverständlich. Konkrete soziale Ziele, die über eine Frauenquote hinausgehen, also das S in ESG, stecken jedoch noch in den Kinderschuhen. Social Procurement ist gerade in Deutschland mit Hinblick auf das Lieferkettengesetz eine Chance, um in diesem Bereich aufzuholen.

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Führende Unternehmen wie Barclays, EY, Ikea, Johnson & Johnson, Natura, SAP, Suez, Unilever, Wates, Williams Sonoma und viele mehr haben sich bereits für Social Procurement entschieden. SAP hat sich beispielsweise verpflichtet, bis 2025 fünf Prozent seiner Beschaffungsausgaben an Sozialunternehmen zu vergeben. Tarem Services reinigt die SAP-Büros in London und sorgt dafür, dass notorisch unterbezahlte Putzkräfte Anteilseigner des Sozialunternehmens werden und eine Gewinnbeteiligungen bekommen.

„Wir sind überzeugt davon, dass Social Procurement ein massives Potenzial hat, Job- und Einkommensmöglichkeiten für sozial Benachteiligte zu schaffen. Aber gleichzeitig sehen wir, dass es für unsere Kunden auch ein starker Wettbewerbsvorteil sein kann“, erklärt Alexandra van der Ploeg, bei SAP weltweit für das Thema Corporate Social Responsibility zuständig. Die Firma geht das Thema systematisch an und plant, das Label Sozialunternehmen in ihre Beschaffungssoftware Ariba aufzunehmen, die von Großkonzernen weltweit genutzt wird. Ikea alleine will durch die Beschaffung durch Sozialunternehmen 95.000 neue Arbeitsplätze generieren. So beziehen sie beispielsweise bereits Kissen von Rangsutra, einem Unternehmen, das Tausende alleinerziehende Näherinnen in Indien beschäftigt.

Neben der Erfüllung von ESG-Standards bieten sich Unternehmen auch andere Vorteile durch Social Procurement. Laut einer aktuellen Umfrage von Yunus Social Business sehen mehr als 60 Prozent der befragten Führungskräfte darin eine Lösung, die Nachfrage nach ethisch produzierten Produkten zu befriedigen. Als weitere Gründe wurden Mitarbeitermotivation sowie die Durchsetzung von Preisprämien genannt. Die Studie ergab auch, dass Sozialunternehmen sich sowohl in Qualität als auch im Preis mit anderen Geschäftsmodellen messen können.

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Kurzum: Social Procurement erlaubt es Unternehmen, ohne großen Zusatzaufwand einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. In einer durch Covid und Inflation gebeutelten Welt sollte dies künftig ein Instrument im Werkzeugkasten jedes CEOs sein.

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