
Der Druck ist hoch. Beim Fernverkehr steht die Bahn massiv unter Zugzwang. Die Verspätungen haben Rekordniveau erreicht, der Unmut der Kunden wächst. Das war in den vergangenen Jahren weniger ein Problem. Doch nun machen die Fernbusse dem Konzern massiv Konkurrenz.
Während die Fernbusanbieter immer mehr Kunden gewinnen, laufen sie der Bahn weg. Laut einer Studie des IGES Instituts wären 44 Prozent der Fernbuskunden eigentlich mit dem Zug gefahren, verzichten aber nun darauf.
Grund dafür sind nicht nur die Unzufriedenheit mit der Bahn, sondern vor allem der günstige Preis: Wie aus einer aktuellen Studie des Verkehrsclubs Deutschland hervor geht, sind Fernbuslinien in knapp 95 Prozent aller Fälle preiswerter.
Bislang reagierte die Bahn mit geringeren Preiserhöhungen und einer eigenen Fernbuslinie. Das reicht offenabr nicht. Höchste Zeit für eine neue Strategie und eine Reform: Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn will am kommenden Mittwoch über mögliche Änderungen am Geschäftsmodell für den Fernverkehr beraten - so viel steht fest. Das Kontrollgremium will in der turnusmäßigen Sitzung aber keinen Beschluss zu Änderungen an der Preisstruktur fassen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus zwei zuverlässigen Quellen erfuhr. Es gebe dazu auch keine Beschlussvorlage.
Das Ende der Bahncard?
Dem Aufsichtsrat liegt aber offenbar eine 33-seitige Unterlage des Managements vor. Darin werden verschiedene Szenarien für Änderungen an der Preisstruktur und am Zugangebot dargestellt. Der "Zwischenbericht" solle als Diskussionsgrundlage dienen. Der Bahn-Vorstand habe den Auftrag, bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung im März 2015 einen Abschlussbericht mit konkreten Vorschlägen zu erarbeiten, hieß es.
Zuvor hatte der Radiosender "HR Info" berichtet, die Bahn plane die Abschaffung der Bahncard in ihrer bisherigen Form. Das wolle sich das Unternehmen in der Aufsichtsratssitzung genehmigen lassen. Die Bahn wies diese Darstellung als "dreiste Falschmeldung" zurück. Bahnchef Rüdiger Grube bezeichnete den Bericht als "völligen Quatsch".
So teuer ist der ÖPNV in Deutschland
Die Preise für eine Fahrkarte schwanken in Deutschland stark, wie die folgende Übersicht zeigt. Angegeben sind je die Preise für den gesamten Verkehrsverbund. Weil sich die Verbünde unter anderem in Hinblick auf Größe, Taktfrequenz der Busse und Bahnen sowie Service-Angeboten unterscheiden, sind sie nur bedingt miteinander vergleichbar. Die Liste gibt aber einen Überblick über die Preisstrukturen des Nahverkehrs in Deutschlands Großstädten.
Quelle: Unternehmen / WiWo-Recherche / Stand Dezember 2014
Verbund: Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB
Kurzstrecke: 1,60 Euro
Tageskarte: 7,40 Euro
Wochenticket: 36,50 Euro
Monatsticket. 98,50 Euro
Verbund: Hamburger Verkehrsverbund HVV
Kurzstrecke: 1,50 Euro
Tageskarte: 18,30 Euro
Wochenticket: 52,50 Euro
Monatsticket. 199,60 Euro
Verbund: Münchner Verkehrs- und Tarifverbund MVV
Kurzstrecke: 1,30 Euro
Tageskarte: 11,70 Euro
Wochenticket: 55,90 Euro
Monatsticket. 203,90 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Rhein-Sieg
Kurzstrecke: 1,90 Euro wie bisher
Tageskarte: 24,40 Euro statt 23,80 Euro
Wochenticket: 65,90 Euro statt 64 Euro
Monatsticket. 247,40 Euro statt 240,20 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Stuttgart VVS
Kurzstrecke: 1,20 Euro wie bisher
Tageskarte: 14,80 Euro statt 14,60 Euro
Wochenticket: 71 Euro statt 70,20 Euro
Monatsticket. 210 Euro statt 205,60 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr VRR
Kurzstrecke: 1,60 Euro statt 1,50 Euro
Tageskarte: 26,70 Euro statt 26 Euro
Wochenticket: 89,05 Euro statt 85,70 Euro
Monatsticket. 239,90 Euro statt 231,50 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr VRR
Kurzstrecke: 1,60 Euro statt 1,50 Euro
Tageskarte: 26,70 Euro statt 26 Euro
Wochenticket: 89,05 Euro statt 85,70 Euro
Monatsticket. 239,90 Euro statt 231,50 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr VRR
Kurzstrecke: 1,60 Euro statt 1,50 Euro
Tageskarte: 26,70 Euro statt 26 Euro
Wochenticket: 89,05 Euro statt 85,70 Euro
Monatsticket. 239,90 Euro statt 231,50 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Oberelbe VVO
Kurzstrecke: -
Tageskarte: 13,50 Euro wie bisher
Wochenticket: 61,50 Euro statt 57,50 Euro
Monatsticket. 166,50 Euro statt 156 Euro
Verbund: Mitteldeutscher Verkehrsverbund MDV
Kurzstrecke: 1,80 Euro
Tageskarte: 16,60 Euro
Wochenticket: 86,40 Euro
Monatsticket. 258,60 Euro
Verbund: Großraum-Verkehr Hannover GVH
Kurzstrecke: 1,50 Euro wie bisher
Tageskarte: 8 Euro statt 7,70 Euro
Wochenticket: -
Monatsticket. 187 Euro statt 181 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Großraum Nürnberg
Kurzstrecke: 1,80 Euro statt 1,70 Euro
Tageskarte: 18 Euro statt 17,50 Euro
Wochenticket: 83 Euro statt 80,50 Euro
Monatsticket. 255,50 Euro statt 247,80 Euro
Verbund: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr VRR
Kurzstrecke: 1,60 Euro statt 1,50 Euro
Tageskarte: 26,70 Euro statt 26 Euro
Wochenticket: 89,05 Euro statt 85,70 Euro
Monatsticket. 239,90 Euro statt 231,50 Euro
Nur: Völliger Quatsch ist das wohl nicht, sondern nur noch nicht ganz zu Ende gedacht. Änderungen am Rabattsystem der Bahncard werden nach Angaben eines Aufsichtsratsmitglieds im Unternehmen erwogen, sind aber noch nicht beschlussreif. "Das sind erste Planspiele, noch ist nichts beschlossen", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates der Bahntochter DB Fernverkehr, Reiner Bieck, der Zeitung "Die Welt". Eine Abschaffung der Bahncard sei nicht geplant.
Das bestätigte auch Vorstandsmitglied Ulrich Homburg. Die Bahn wolle vielmehr ihr Bahncard-Angebot erweitern und nicht einschränken. "Die Bahncard wird es weiter in bisheriger Form geben", sagte Homburg in einer Telefonkonferenz. Mit der Bahncard 50 könne man auch künftig Fahrscheine zum halben Preis erwerben. Mit der Bahncard 25 werde es weiterhin 25 Prozent Rabatt auch auf Sonderangebote (Sparpreise) geben. Die Bahn überlege, Kundengruppen, die sich von den bisherigen Bahncards nicht angezogen fühlten, zusätzliche Rabattmöglichkeiten einzuräumen.
"Nur Planspiele"
Bereits heute sind die Folgen für die Bahn gravierend: Sie könnte in diesem Jahr bis zu 120 Millionen Euro Umsatz an die Fernbusse verlieren. Mittelfristig beziffert der Konzern den Umsatzverlust durch die Konkurrenz laut Bericht von "HR Info" sogar auf 240 Millionen Euro pro Jahr. Im ersten Halbjahr 2014 ist der Umsatz der Bahn im Fernverkehr bereits um 1,6 Prozent auf rund 1,98 Milliarden Euro zurückgegangen.
Dass die Bahncard im Zuge eine Reform zur Diskussion steht, überrascht nicht. Sie bereitet dem Konzern Kopfzerbrechen. Die Rabattkarte, die gegen einen Jahresbeitrag Preisnachlässe in Höhe von 25, 50 oder 100 Prozent ermöglicht, eignet sich ideal als Werbemittel und sorgt für eine höhere Auslastung vieler Züge.
Rund fünf Millionen Deutsche nutzen derzeit eine Bahncard. Das Problem: In gut besetzten Zügen nehmen die Sparticket-Fahrer Plätze weg, die sonst für deutlich mehr Geld verkauft werden könnten.