Spekulieren mit Kliniken Das Finanzdesaster deutscher Krankenhäuser

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Drohungen, Anfechtungsklagen und Strafanzeigen

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Mehr als ein Jahr lang befehdete sich der verkaufswillige Rhön-Gründer Eugen Münch mit zwei Aktionären, die eine Übernahme von Rhön durch Helios verhindern wollten: Bernard gr. Broermann, Gründer der Asklepios-Kliniken aus Hamburg, und Ludwig Georg Braun, Patriarch des Medizintechnik-Herstellers B. Braun aus dem nordhessischen Melsungen.

Münch auf der einen, Broermann und Braun auf der anderen Seite überzogen sich mit Drohungen, Anfechtungsklagen und Strafanzeigen. Am Ende griff Münch zu einer List und verkaufte weniger als 75 Prozent des Rhön-Umsatzes – so müssen die Aktionäre nicht gefragt werden. Der Deal wird die Branche noch stärker in Bewegung bringen als bisher.

Riesiger Investitionsstau

Wie funktioniert der Markt überhaupt, auf dem so viele Akteure finanziell kränkeln? Vor allem ist er staatlich gelenkt. Die Landespolitiker entscheiden über die Bedarfsplanung – also wo Kliniken stehen dürfen. Die Bundespolitiker setzen die Preise fest: Über Fallpauschalen werden alle Behandlungen in allen Kliniken gleich entgolten. Die Träger dürfen Preise für medizinische Leistungen weder erhöhen, um mehr Geld einzunehmen, noch senken, um mehr Kunden zu gewinnen. Das erschwert es den Betreibern, den stetig steigenden Kosten für medizinischen Fortschritt, Personal und Investitionen zu trotzen. Vor allem, wenn erst einmal alle Kapazitätsreserven gehoben sind. Ein Problem, vor dem sich viele Verwaltungschefs derzeit noch gut laufender Kliniken fürchten.

Betten in deutschen Krankenhäusern

Dabei überweisen allein die gesetzlichen Krankenkassen jährlich mehr als 64 Milliarden Euro an die Kliniken.

Die Finanzierung teilen sich Kliniken und Länder. Letztere zahlen die Investitionen – wenn sie es denn können. Es gibt einen Investitionsstau von mehr als 25 Milliarden Euro. Und die Mediziner müssen ihre Betriebskosten erwirtschaften.

"Entscheidend für die Kliniken wird dabei die Profitabilität pro Bett", sagt Volker Penter, Chef des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei der Wirtschaftsprüfung und -beratung KPMG in Berlin, "denn das System vergütet nicht Qualität, sondern die reine Leistungsmenge."

Massive Arbeitsverdichtung

Dabei hätten die Hospitäler durchaus ihre Hausaufgaben gemacht, so Penter: "Zwischen 1992 und 2012 hat sich die Behandlungskapazität der Kliniken pro Bett um 35 Prozent erhöht." Die Zahl der Betten sinkt, aber in jedes kommen jährlich mehr Patienten. Betriebswirtschaftlich optimal, aus Sicht des Pflegepersonals eine massive Arbeitsverdichtung, da zugleich Mitarbeiter abgebaut werden.

Diesem Trend kann sich kein Krankenhausbetreiber entziehen. Den Markt teilen sich drei Gruppen, die etwa jeweils ein Drittel der Kliniken unterhalten. Aus alter Zeit betreiben Kirchen und Stiftungen, sogenannte Freigemeinnützige, viele Spitäler. Später stiegen die Kommunen ein, um die örtliche Versorgung zu sichern. Und mittlerweile mischen auch private Klinikketten mit im Geschäft mit der Krankheit. Nach Zahlen von 2011 galten rund 21 Prozent der öffentlichen Häuser als angeschlagen, aber nur 14 Prozent der Gemeinnützigen und nur zwei Prozent der Privaten. Woran liegt das? Die Stärken und Schwächen der Betreibergruppen:

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