Spotify „Positive Zahlen interessieren Daniel Ek momentan wenig“

Michael Krause ist der Managing Director EMEA bei Spotify. Quelle: Presse

Spotify hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die weltweite Musikbranche nach Jahren des Siechtums wieder wächst – und dürfte in Zeiten von Corona mehr genutzt werden als je zuvor. Doch der Retter schreibt Verluste und steht unter Druck durch die Riesen Apple, Amazon und Co. Ein Gespräch mit Zentraleuropachef Michael Krause.

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WirtschaftsWoche: Spotify konnte im vergangenen Jahr Umsatz und Nutzerzahlen deutlich steigern, macht aber nach wie vor Verluste. Wann werden die Investoren unruhig?
Michael Krause: Wenn man so aggressiv wächst, verursacht das natürlich erst einmal Kosten. Unterm Strich liegt allerdings der sogenannte Lifetime-Value pro Kunde über den Akquisekosten. Wir sind mitten in einer Investitionsphase, und das erklären wir auch unseren Anlegern so.

Aber über kurz oder lang wird auch Spotify daran gemessen, ob das Geschäftsmodell funktioniert und das Unternehmen schwarze Zahlen schreibt – wann wird das soweit sein? 
Daniel…

..also Gründer und Vorstandschef Daniel Ek…
…betont, ihn interessiert es momentan wenig, ob wir in naher Zukunft positive Zahlen schreiben. Unser Fokus liegt voll auf Wachstum, in allen Märkten und so schnell wie möglich.

von Peter Steinkirchner, Rüdiger Kiani-Kreß

Spotify bietet im Grunde den Kunden dieselben Songs und Hits an wie auch die Konkurrenten – warum sollte ich überhaupt ein Abo bei Ihnen abschließen?
Obwohl die Lizenzgeber der Streaminganbieter natürlich ähnlich und sicher auch austauschbar sind, gilt das nicht für unser Produkt selbst und das, was es kann. Bei anderen Anbietern sind Musik und Podcasts eher ein Beiprodukt, bei uns ruht darauf der volle Fokus.

Was nutzt das den Kunden?  
Wir gestalten unser Angebot immer personalisierter und haben sicher schon durch die große Zahl von mehr als 271 Millionen aktiven Kunden einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb. Auf Spotify gibt es mehr als drei Milliarden Playlisten, die von Kunden erstellt wurden. Und dadurch sind auch unsere „maschinellen Redakteure“, also die Algorithmen, schon relativ schlau geworden.

Dennoch haben Sie es unter anderem mit Amazon, Apple und Google als Konkurrenten zu tun – den einen oder anderen Algorithmus haben die auch am Start.
Mag sein. Aber wir sind auch noch mit mehr als 250 Hardware-Partnerschaften unabhängig von einer einzigen Plattform oder einem einzigen Hersteller. Wir funktionieren auf allen Mobiltelefonen und Tablets, was bei manchen Mitbewerbern sicher anders ist. Weiteres Plus sind die Personalisierung von Musik- und Podcast-Empfehlungen und unsere tiefe Kenntnis über die Inhalte. Wissen und Erfahrung der vergangenen mehr als zehn Jahre spielen da sicher eine Rolle. Wir wachsen gut, wir konvertieren gut. Und wir haben aktuell eine sehr niedrige Kündigungsrate – insgesamt ein Paket, das kein Wettbewerber so schnell kopieren kann.

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In der deutschen Musikbranche gibt es noch immer viel Aufregung um den offenen Brief, in dem einige etablierte Stars wie Peter Maffay, Helene Fischer und die Toten Hosen mehr Fairness bei der Verteilung von Streaming-Einnahmen verlangt haben. Haben die Künstler recht?
Die Branchenvertreter, die sich da zu Wort gemeldet haben, haben vor allem den Plattenfirmen gesagt, dass es aus ihrer Sicht unfaire Verteilungsmodelle und andere Themen gibt, bei denen sie Gesprächsbedarf haben. Wir bei Spotify haben diese Debatte vor allem erst einmal nur zur Kenntnis genommen. Das müssen zunächst Künstler, Managern und die jeweiligen Plattenfirmen untereinander klären.

Sie sehen sich als den Dritten im Bunde in diesem Dreieck aus Künstlern, Konzernen und Streamern – aber sind Sie nicht auch Partei in der Debatte?
Nein, das sind wir nicht. Wir schütten bis zu 70 Prozent der Einnahmen, die wir erzielen, an die Rechteinhaber und Lizenzgeber aus, und nicht etwa direkt an die Musiker. Wie und nach welchem Schlüssel die Label oder Verlage das Geld dann an „ihre“ Künstler auszahlen, hängt ab von den einzelnen Verträgen, die sie mit den Musikern abgeschlossen haben.

Sie haben keinen Einfluss darauf, wie einzelne Musiker bezahlt werden?
Nein, wir schütten die jeweiligen Umsätze, die wir mit unseren Services machen, aus. Aktuell ist es so, dass wir einen bestimmten Umsatz erzielen mit unseren Angeboten, seien sie werbefinanziert oder im Premiumbereich, in dem Nutzer für ihr Monatsabo zahlen. Wir sammeln diese gesamten Gelder und packen sie in den sogenannten Label Pool. Dort wird das ganze Geld gesammelt. Dann findet eine Nutzung statt – Spotify-Kunden hören sich bestimmte Songs im Stream an. Wir sammeln die Daten dieser Streams aller Nutzer, korrelieren diese mit dem eingenommenen Geld und zahlen das dann den vertretenen Künstlern entsprechend an die jeweiligen Plattenfirmen aus. 

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Nun gibt es einen Vorstoß Ihres Wettbewerbers Deezer, der dieses Abrechnungsmodell ändern und angeblich Künstler nicht mehr pauschal, sondern für tatsächlich angehörte Songs bezahlen will. Wäre dieses sogenannte User Centric Payment nicht gerechter?
Das wäre vor allem erst einmal komplizierter. Wir haben wie gesagt aktuell 271 Millionen aktive Kunden weltweit. Das heißt, wir würden 271 Millionen Mal schauen, was jeder dieser Kunden individuell von den mehr als 50 Millionen Songs gehört hat, die wir auf der Plattform bereitstellen. Danach müssten wir für jeden einzelnen Nutzer eine eigene Ausschüttung machen – wenn beispielsweise ein Premium-Nutzer einen bestimmten Song zehnmal gehört hat, wird dieser Umsatz abgerechnet. Das würde bei uns schlicht dazu führen, dass die Abrechnung um das 271-millionenfache komplexer wird. Am grundsätzlichen Modell jedoch ändert sich für uns als Plattform nichts. Wenn die Branche geeint sagt, wir hätten das jetzt gerne auf das andere Modell umgestellt, dann wäre das für uns ein IT-Projekt – wenn auch ein recht aufwändiges. 

Wann fällt diese Entscheidung?
Wir haben laufende Verträge, die auf dem alten Modell basieren, und nach denen schütten wir jetzt gerade aus. 

Wie lange laufen diese Verträge noch? Wann könnte umgestellt werden?
Einzelne Vertragslaufzeiten können wir jetzt natürlich nicht offenlegen. Momentan gibt es erst einmal nur einen Test, der in Frankreich durchgeführt wird – mehr aber auch nicht.  Aktuell sehen wir daher auch nicht, dass eine Umstellung kommt.

Mehr zum Thema: Die schwedische Musikplattform Spotify erreicht weltweit mehrere Hundert Millionen Hörer, aber keine schwarzen Zahlen. Nun sollen neue Audioformate die Wende bringen. Im Zentrum steht dabei das Wort – und die Werbung.

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