Die Verhandlungen über ein milliardenschweres Rettungspaket für die Lufthansa in der Coronakrise sind noch nicht abgeschlossen. Nach Informationen der Wirtschaftswoche läuft derzeit eine Online-Konferenz der wichtigsten Ministerpräsidenten wie Volker Bouffier aus Hessen oder Markus Söder aus Bayern zu den Bedingungen und der Ausgestaltung einer Rettung von Lufthansa, Condor und den Flughäfen.
Mit einer abschließenden Entscheidung sei vorerst allerdings noch nicht zu rechnen sagten mit den Gesprächen vertraute Personen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Verhandlungen gingen in den Gremien, die sich bisher damit befassten, weiter – also etwa mit den Staatssekretären der beteiligten Ministerien.
Gleichwohl soll es am Dienstag einen schon länger vereinbarten vertraulichen Austausch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr geben. Entscheidungen sollen dabei allerdings bislang nicht fallen, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen. Bei den Verhandlungspartnern herrscht das große Schweigen vor: Die Lufthansa lehnte einen Kommentar ab und auch die Bundesregierung wollte sich zu den aktuellen Berichten bislang nicht äußern.
Insolvenz in Eigenverwaltung denkbar
Die Frage, über welches Instrument sich der Staat an dem Luftfahrtkonzern beteiligt und wie viel Einfluss er damit auf strategische Entscheidungen bekommt, ist umstritten. In der vergangenen Woche hatte es Berichte von Insidern gegeben, wonach das geplante Lufthansa-Rettungspaket knapp zehn Milliarden Euro umfassen soll. Dieser Plan sieht eine Mischung von Krediten und Eigenkapital in Deutschland sowie staatlichen Finanzhilfen von Österreich, Belgien und der Schweiz vor. In diesen Ländern ist die Lufthansa mit ihren Tochter-Fluglinien Austrian, Swiss und Brussels Airlines aktiv.
Politiker von CDU/CSU sprachen sich für eine stille Beteiligung ohne Stimmrecht aus, damit das Lufthansa-Management unbehelligt von der Politik agieren kann. SPD-Politiker forderten dagegen einen Einstieg über ein Aktienpaket, damit über den Aufsichtsrat etwa die Frage eines Jobabbaus mitentschieden werden kann. Sie schenken damit den Appellen der Gewerkschaften Verdi, Vereinigung Cockpit und UFO Gehör. Diese fordern Beschäftigungsgarantien in Unternehmen, die mit dem Geld der Steuerzahler gestützt werden.
In den Verhandlungen prüft die Lufthansa nun zudem eine Insolvenz in Eigenverwaltung anstelle eines direkten Staatseinstiegs. Entsprechende Informationen der Gewerkschaft Ufo bestätigte ein Unternehmenssprecher in Frankfurt. Ein solches Schutzschirmverfahren hat bereits der Ferienflieger Condor durchlaufen. Das Unternehmen wird in diesem Fall unter die Aufsicht eines Sachwalters gestellt und könnte unter dem bisherigen Management die Sanierung angehen. Laut Gewerkschaft soll Lufthansa-Chef Carsten Spohr intern erklärt haben, dass er das Unternehmen lieber in die Insolvenz in Form eines Schutzschirmverfahrens führe, als sich von der Politik reinreden zu lassen. Es sei eine Alternative, falls dem Konzern bei einem Staatseinstieg nicht wettbewerbsfähige Bedingungen drohten, bestätigte der Lufthansa-Sprecher. Die Kabinengewerkschaft Ufo erhofft sich von einem direkten Staatseinstieg bei der Lufthansa einen besseren Schutz von Arbeitnehmerrechten und strategische Vorteile für den deutschen Luftverkehr.
Spohr will keinen Einfluss des Staats
Lufthansa-Chef Spohr warnte dagegen vor einem zu großen Staatseinfluss auf sein Unternehmen. „Wenn die Bundesrepublik zu große Einflussnahme auf operative Geschäftsaufgaben nehmen wollte, fordert das vielleicht die österreichische Regierung ebenso ein, dann möglicherweise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen“, sagte er der „Zeit“. So sei ein Konzern nur schwer zu steuern. Ohne Staatshilfe kann das einstige Staatsunternehmen die Krise aber nicht überstehen, das hatte Spohr schon in den vergangenen Tagen klargemacht.
Weltweit hat die Corona-Pandemie die Luftfahrt in die schwerste Krise der Nachkriegszeit gestürzt. Wegen Einreisestopps und Quarantänevorschriften sind viele Flüge nicht mehr möglich. Die Lufthansa-Gruppe befördert derzeit nur noch ein Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorjahr. Spohr hatte deshalb vergangene Woche harte Einschnitte angekündigt. Der Lufthansa-Chef geht davon aus, dass der Konzern dauerhaft schrumpfen wird. Deshalb sollen 100 Flugzeuge der rund 760 Maschinen großen Flotte verschwinden, etwa 10.000 Jobs stehen auf der Kippe.
An der künftigen Eignerstruktur des Dax-Konzerns haben auch die Bundesländer Bayern und Hessen großes Interesse mit den wichtigen Flughafen-Drehkreuzen München und Frankfurt. Auch mit den Regierungen Österreichs, der Schweiz und Belgiens verhandelt die Lufthansa über staatlich abgesicherte Kredite für die Tochter-Fluglinien. Österreich schließt eine direkte Beteiligung nicht aus, um dafür zu sorgen, dass die AUA und der Flughafen Wien bei einem Neustart bei Langstreckenverbindungen nicht zu kurz kommt. Der „Tages-Anzeiger“ berichtete, die Schweiz wolle Swiss Air mit Bürgschaften für Bankkredite von 1,5 Milliarden Franken unter die Arme greifen. Das Schweizer Finanzministerium lehnte einen Kommentar ab.
Auch die Konkurrenten werden reihenweise von ihren Staaten gestützt: Air France KLM handelte ein staatliches Finanzpaket über insgesamt bis zu elf Milliarden Euro mit den Niederlanden und Frankreich aus. Die US-Airlines werden mit einem milliardenschweren Finanzpaket des Staates in der Luft gehalten. Der britische Billigflieger Easyjet sicherte sich einen staatlichen Notkredit über 600 Millionen Pfund. Der britisch-spanische Luftfahrtkonzern IAG, zu dem British Airways und Iberia gehören, lehnte Staatshilfe hingegen ab. Auch Ryanair erklärte, die Krise aus eigener Finanzkraft meistern zu können.
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