Staatshilfen für Fluglinien Ryanair klagt gegen Lufthansa und Condor

Quelle: REUTERS

Der irische Billigflieger Ryanair hat vor dem Gerichtshof der EU eine wahre Klagewelle gegen Coronahilfen für seine Wettbewerber losgetreten. Ins Zentrum stellt er seinen Erzrivalen Lufthansa und dessen Partner sowie die Condor – auch, weil Ryanair in Deutschland bisher nicht so recht zum Zuge kam.

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Zu den wenigen Punkten, bei denen sich Ryanair-Chef Michael O’Leary nur schwer entscheiden kann, gehört die Frage, wen er denn nun geringer schätzt: seine Wettbewerber oder die EU-Kommission. Am Ende, so sagte er mal, sei dass die europäische Regierung in Brüssel. „Beide verbraten auf unsere Kosten das Geld der Steuerzahler, aber die Airlines sind wenigstens konsequent“, so O’Leary. „Die Kommissions-Bürokraten hingegen predigen Wettbewerb, wenn es gegen uns geht – und behindern ihn nach Kräften, wenn es mal gegen die Staatslinien geht.“

Nun kann der streitbare Ire gleich beide Parteien angehen. Denn er hat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine wahre Klagewelle gegen staatliche Coronahilfen für Fluglinien losgetreten – und damit gegen die EU-Kommission. In nicht weniger als elf Fällen – darunter aus Deutschland die Condor und der Lufthansa-Konzern – hat er bereits Verfahren gegen die Unterstützungen gestartet, erklärte Ryanair in einer Stellungnahme gegenüber der WirtschaftsWoche. Und weitere seien in Vorbereitung.

Bei allen geht es darum, dass die meist allgemein auf die Unternehmen eines Landes oder speziell auf einzelne Fluglinien zugeschnittenen Hilfen aus Sicht von Ryanair den Wettbewerb verzerren würden. Die Condor-Hilfe etwa hält Ryanair für einen klaren Verstoß gegen den europäischen Binnenmarkt. „Eine Hilfe für eine Fluglinie mit drei Prozent Marktanteil, die Airlines mit einem größeren Betrag zur weltweiten Anbindung Deutschlands bloß deshalb ausschließt, weil sie nicht Deutsch sind, ist offen ungesetzlich.“

Schwerpunkt von O’Learys Attacke ist laut seiner Stellungnahme Deutschland, genauer: der Urlaubsflieger Condor und vor allem sein alter Erzrivale Lufthansa mit seinen Verbündeten. Den Anfang machte die Klage gegen den staatlich garantierten Kredit an Condor über 550 Millionen im April dieses Jahres. „Wir haben bereits im November Rechtsmittel eingelegt“, sagt Ryanair. Dazu kommt das Darlehen der österreichischen Regierung an die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines vom Juli. Als nächstes im Visier hat der irische Billigflieger die Lufthansa. „Wir arbeiten gerade an einer Klage“, erklärte das Unternehmen.

Im Visier sind auch Partner der Lufthansa. Bereits eingereicht sind drei Schriftsätze gegen Hilfen für die skandinavische SAS und ein weiterer gegen einen 1,2 Milliarden Euro großen Rettungskredit Portugals für seine TAP. Beide Linien gehören zum Lufthansa-Verbund Star Alliance. Weitere Verfahren betreffen Finnair und Air-France-KLM.

Bei seiner Offensive gegen die Hilfen klagt Ryanair formell nicht unmittelbar gegen die Hilfen, sondern lediglich gegen deren Genehmigung durch die EU-Kommission. Dahinter steckt die Ryanair-typische Effizienz.

Zum einen erspart sich O’Leary so den teuren Gang vor die bislang insgesamt neun nationalen Gerichte – inklusive des höheren Aufwands, weil er für jeden Anlauf Anwälte vor Ort beschäftigen und die Begründungen auf das jeweilige Recht zuschneiden müsste. Dazu hat er auch eine größere Erfolgsaussicht. „Der EuGH gilt in Juristenkreisen als weniger offen gegenüber nationalen Belangen oder der Sicherung von Arbeitsplätzen als die Gerichte in den EU-Mitgliedsländern“, so ein in EU-Sachen erfahrener Anwalt. Vor allem aber kann sich Ryanair bereits mit einem Urteil weitere Klagen mehr oder weniger mit entscheiden. „Hat der EuGH in einem Gebiet mal eine Entscheidung getroffen, weicht er bei ähnlichen Verfahren eher selten davon ab“, so der Jurist.

Dass O’Leary vor allem auf Deutschland sowie Condor und Lufthansa zielt, ist kein Zufall. Zum einen ärgert den überzeugten Marktwirtschaftler, dass die Bundesrepublik aus seiner Sicht in Sachen Wettbewerb mit zweierlei Maß misst. „Es ist zutiefst ironisch, dass die deutsche Regierung, die alle anderen EU-Länder über die Einhaltung der EU-Vorschriften belehrt, keine Hemmung hat, die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu brechen, wenn es um die Lufthansa geht“, ätzte er in einem Interview.

Nicht geholfen hat auch, dass sich Ryanair als nach Passagieren größte Fluglinie Europas in Deutschland als größtem und hochpreisigstem Flugmarkt des Kontinents bisher schwerer getan hat als anderswo. Zwar ist der Preisbrecher hier bereits seit einem Vierteljahrhundert aktiv und war nach dem Ende von Air Berlin kurzfristig mal die Nummer zwei. Doch dann verließ ihn das Glück. 

Zuerst überholte ihn Easyjet, weil die Briten ihre von Air Berlin übernommenen Teile besser in die Luft bekamen als O’Leary das als Laudamotion firmierende frühere Österreich-Geschäft von Air Berlin. Dann machte ihm die deutsche Hochkonjunktur noch einen Strich durch die Rechnung. Wegen der steigenden Einkommen flogen immer mehr Deutsche lieber von Großflughäfen in den Urlaub statt für ein paar Euro Ersparnis zu den etwas umständlich zu erreichenden Provinzpisten von Ryanair zu fahren. „Und als O’Leary ebenfalls in Frankfurt oder Düsseldorf aktiv wurde, kam er wegen der vielen Sonderangebote der Marktführer Lufthansa und Condor auf keinen grünen Zweig“, erläutert ein Vorstand eines großen Airports.

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Der Frust ist der Stellungnahme von Ryanair zu den Klagen deutlich anzumerken. Zur Causa Condor heißt es da: „Es ist unerträglich, dass die deutsche Regierung für mehr als eine halbe Milliarde eine kleine Fluglinie rettet, die bereits vor der Covid-19 Pandemie Geld geblutet hat.“ Für einen Kenner der Condor sind das „alternative Fakten, denn das Unternehmen hat jahrelang Geld verdient, bevor es die Pleite ihrer Konzernmutter Thomas Cook in ein Insolvenzverfahren trieb.“

Ob O’Learys Kalkül aufgeht, wird sich bald zeigen. Denn seine ersten Klagen werden jetzt verhandelt. Am vergangenen Freitag befassten sich die Richter des EuGH in der ersten Instanz bereits mit Finnlands 600-Millionen-Euro-Darlehen für Finnair. Am Mittwoch geht es um Portugals 1,2-Milliarden-Euro-Hilfe für TAP. „Ich glaube, wir werden Erfolg haben“, gibt sich O’Leary in einem Interview mit der „Zeit“ siegesgewiss. „Es wird sicher drei oder vier Jahre dauern, ehe wir recht bekommen, und bis dahin wird die Lufthansa so viel Geld mit ihren Monopolstrecken in Deutschland verdient haben, dass sie die Staatshilfe zurückzahlen kann. Aber niemand weiß, wie viele Wettbewerber sie in der Zwischenzeit schädigen oder gleich aufkaufen wird.“

Mehr zum Thema: Für Ryanair-Chef Michael O'Leary ist der Großauftrag für Boeings Pannenflieger 737 Max eine leicht riskante, aber hochprofitable Wette. 

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