Starberater bei McKinsey Das große Aufräumen beim schlauesten Unternehmen der Welt

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Einen großen teil des Beraterjobs macht jetzt das Internet

Das ist gar nicht so leicht. „Keine zwei Journeys sind exakt gleich“, sagt Hildebrand. Viele starteten bei Google, alle folgten dem Schema „Consideration-Evaluation“ – erst überlegen, dann vergleichen. Auch Hildebrand haut ein paar Zahlen raus: Teenager checken ihr Smartphone 150-mal am Tag. Beim chinesischen Auktionshaus Alibaba wickeln Kunden 45 Prozent aller Transaktionen mobil ab. Und beim Klick auf eine gesponserte Anzeige kassiert Google nicht einen Cent, wie ein Zuhörer schätzt, sondern einen Euro. „Der Wandel“, sagt Hildebrand, „ist absolut da.“

Er ist für McKinsey Chance und Bedrohung zugleich. „Während ein großer Teil des Beraterjobs früher darin bestand, Daten überhaupt erst mal zu sammeln, sind die jetzt auf Knopfdruck verfügbar“, sagt Beratungsprofessor Fink. Für professionelle Ratgeber bleibt die Aufgabe, die richtigen Schlussfolgerungen aus der Informationsflut zu ziehen. Damit bricht ein erheblicher Teil ihrer angestammten Tätigkeiten weg. Fink schätzt, dass der Bedarf an gutem Rat in Deutschland weiter wachsen wird, in den kommenden Jahren aber dennoch ein Viertel der Stellen wegfällt.

Die digitale Revolution bedroht McKinsey

Tatsächlich laufen einfachere Preisgestaltungen in Unternehmen inzwischen über Spezialsoftware ab. Und einige Start-ups von der amerikanischen Ostküste fassen durchaus erfolgreich Fuß. Beyond Core etwa analysiert die Datenmengen eines Unternehmens vollautomatisch, Motista trifft auf dieser Grundlage Aussagen über künftiges Kundenverhalten. Die Ergebnisse haben zwar nicht die Qualität einer ausgereiften Analyse, sind aber ungleich preiswerter.

Die digitale Revolution bedroht McKinsey noch von einer anderen Seite, etwa in Gestalt von Oliver Samwer. Der Chef des Berliner Start-up-Inkubators Rocket Internet hat während seines Studiums ein Praktikum bei der Beratung gemacht, zuletzt jedoch zog er mehrmals kräftig über sie her. „Ihr könnt zu McKinsey gehen, wenn ihr gescheitert seid“, spottete er bei einer Konferenz an seiner alten Hochschule, der WHU in Vallendar. Oder auch: „Die Leute kommen mit einem Traum an die Universität, studieren – und enden bei McKinsey oder BCG oder der Deutschen Telekom.“

Samwers Botschaft, dass das wahre und aufregende Leben sich woanders, nämlich in von ihm finanzierten Start-ups, abspielt, ist maßlos übertrieben. Und trifft doch einen wunden Punkt. Die Konkurrenz aus der Digitalwirtschaft ist so groß wie im ersten Boom um die Jahrtausendwende. Gerade Absolventen, die um die Ecke denken und viel bewegen wollen, zieht es zu neuen, angesagten oder eigenen Unternehmen. McKinsey haftet nichts Revolutionäres mehr an, die Beratung ist ein etabliertes Großunternehmen, der Job dort eine Station, die den Lebenslauf optimiert. Und von der aus man gut woanders hinkommt.

Die beliebtesten Arbeitgeber der Wirtschaftswissenschaftler

Anpassung an Generation Y

McKinsey selbst hält sich zwar für einen bevorzugten Arbeitgeber der Generation Y, passt sich aber doch deutlich an. Ein altgedienter Berater nennt eine „robuste Gesundheit“ noch als wichtigste Voraussetzung, um angesichts überlanger Arbeitszeiten und ständig wechselnder Einsatzorte erfolgreich zu sein. Doch vom Image der gut bezahlten Knochenmühle will die Beratung weg. Mit dem Programm Take Time etwa können Berater jährlich bis zu drei Monate unbezahlten Urlaub machen. In einem „Team Barometer“ bewerten sie während Projekten ihre aktuelle Befindlichkeit.

Die Kunden in München sind immer noch da. Jetzt sollen sie selbst ran. Hildebrand zeigt ihnen Weinflaschen der Marke Wine that rocks, ihre Etiketten schmücken die Schriftzüge angestaubter Supergruppen wie Pink Floyd und den Rolling Stones. Für die sollen sie nun selbst Anzeigen im Internet schalten. In kleinen Gruppen diskutieren sie die richtigen Überschriften, die richtigen Schlüsselwörter, schnell ist ihnen klar, dass sie nur mit „Wein“ oder auch „besonderer Wein“ in der Masse der Angebote untergehen. Sie müssen näher ran an die Zielgruppe.

„Wie schreibt man Rock’n’Roll?“, fragt ein Banker. „Oder lieber Rock und Pop?“ Für besonders aussichtsreich halten sie schließlich „50. Geburtstag“. Eine ähnliche Übung vollführen sie auf Facebook, sie suchen passende Interessengruppen und stoßen auf „Harley-Davidson“. Es ist mühsam, aber sie verstehen, wie es läuft.

Selbermachen statt nur zuhören, das ist die Idee hinter dem Angebot in München und hinter vielen neueren McKinsey-Ablegern. Die Kunden sollen Themen so gut verinnerlichen, dass sie bei ihnen keine fremde Hilfe mehr brauchen. Das wollen sie, dafür zahlen sie gerne, aber damit macht sich McKinsey immer auch ein Stück weit überflüssig. Die Beratung muss sich was Neues einfallen lassen. Wieder mal.

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