Starkregen und die Folgen Wie man eine Stadt trockenlegt

Vollgelaufene Keller und unbefahrbare Straßen nach Starkregen zeigen, dass die Infrastruktur in Deutschland nicht mehr zeitgemäß ist. Eine Baufirma beweist in Kopenhagen oder Dortmund, wie man eine Stadt trocken legt.

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Die Kanalisation der Hauptstadt – nach einem Dauerregen völlig überfordert. Quelle: dpa

Dortmund, Düsseldorf Dieses Mal hieß die Übeltäterin „Burglind“. Anfang des Monats sorgte das Tief mit seinen Sturmböen und Regenmassen in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen für Dauereinsätze der Feuerwehr, umgestürzte Bäume und überschwemmte Straßen. Der Schaden: rund 300 Millionen Euro. Auch in der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien wütete das Sturmtief.

„Die Häufigkeit und Intensität von schweren Gewitterstürmen mit kurzfristig hohen Niederschlagsmengen haben in Teilen Nordamerikas, Europas und Deutschlands zugenommen“, sagt Ernst Rauch, leitender Klima- und Geowissenschaftler beim Rückversicherer Munich Re. Der Grund dafür sei mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klimawandel. Gegen Sturzfluten und Überschwemmungen seien nur 40 Prozent der Gebäude in Deutschland versichert.

„Die Menschen glauben, dass sie nur dann von Überschwemmungen betroffen sind, wenn sie in der Nähe eines Flusses wohnen“, sagt Rauch. Doch Starkregen und Sturzfluten der Vergangenheit hätten das Gegenteil gezeigt. Natürlich plädiert er für eine Elementarversicherung, sagt aber auch, dass die nur Schadensbegrenzung betreiben könne. „Prävention ist wichtig“, meint er. Die könne im Kleinen bei Privatpersonen liegen. Doch vor allem seien infrastruktur- und bautechnische Maßnahmen nötig.

Der Baudienstleister Drees und Sommer hat die veränderte Wetterlage als neues Geschäftsfeld entdeckt. Das Unternehmen mit Sitz in Stuttgart berät Bauherren und Investoren bei Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur. 2016 machte das Unternehmen 334,8 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte 2400 Mitarbeiter weltweit. Nun sollen Starkregen-Manager dafür sorgen, dass neue Gebäude an die gegebenen Umweltverhältnisse angepasst werden.

Einer von ihnen ist Jochen Kurrle. Unter der Leitung des 53-jährigen Ingenieurs von Drees und Sommer ist in den vergangenen Jahren am Stadtrand von Dortmund auf einem ehemaligen Stahlwerksareal der Phoenix-See entstanden. Bürogebäude, Häuser, Restaurants und Grünflächen wurden rund um den künstlich angelegten See angelegt. Wo einst Arbeiter wohnten, haben nun die Fußballstars von Borussia Dortmund ihr Domizil.

Bei schönem Wetter ist der Phoenix-See ein beliebtes Ausflugsziel, doch bei Regen dient er als Auffangbecken für den Niederschlag und als Rückstaubecken für die nahe fließende Emscher, um so die Innenstadt Dortmunds zu schützen. Denn das Areal rund um den Phoenix-See ist starkregensicher gebaut.

„Der Wasserspiegel des Sees wurde künstlich abgesenkt, so dass er jederzeit Regenwasser in großen Mengen, zum Beispiel von den Dächern der Häuser, aufnehmen kann“, erklärt Kurrle. So wurde ein Retentionsraum geschaffen, eine Fläche, die gezielt geflutet werden kann. Die neuen Immobilien seien mit einem Dreikanalsystem gebaut worden, das das saubere Regenwasser in den See leitet. Die bis zu 80 Jahre alte Kanalisation sei auf die Mengen nicht ausgelegt. An den Straßenrändern wurden leicht abschüssige Grünflächen gebaut, so dass der Niederschlag die Möglichkeit hat, hier zu versickern, natürlich gereinigt wird und nicht die Straßen blockiert. „Wir müssen Straßenräume mehr nutzen“, sagt Kurrle.


Skatepark wird zum Regen-Rückhaltebecken

Mit all diesen Maßnahmen wollen Kurrle und die Stadt Dortmund verhindern, dass am Phoenix-See so etwas passiert wie im Sommer 2016 in Berlin. Allein in den letzten beiden Junitagen fielen dort rund 200 Liter auf den Quadratmeter. Zum Vergleich: Im bundesweiten Schnitt sind es sonst im Monat circa 800 Liter pro Quadratmeter. Die Wassermassen flossen durch die Berliner U-Bahn und hatten Straßen meterhoch unter Wasser gesetzt, weil die Kanalisation vom Dauerregen völlig überfordert war. Außerdem sind die Städte mittlerweile so dicht bebaut sind, dass der Regen keine Möglichkeit mehr hat, abzufließen.

In Dortmund ist das nun anders. „Es gibt langsam einen Paradigmenwechsel“, sagt Kurrle. Was er meint, ist: Bebauung darf nicht mehr nur Bebauung sein, der See ist nicht nur ein See. In Dortmund hat alles mehr als nur einen Zweck. Das Dach hält das Haus nicht nur trocken. Die Begrünung darauf kann Starkregen aufnehmen und an heißen Sommertagen die Feuchtigkeit wieder abgeben. Am Rande der Straßen wird wieder Grün gepflanzt, sodass der Regen – auch viel Regen in kurzer Zeit – die Möglichkeit hat, zu versickern.

Skateanlagen sind Freizeitvergnügen für die Jugend, aber bei anhaltendem Regen kann die Fläche genutzt werden, um Regen zu sammeln – auch in großen Mengen. Parks sind Naherholung für die Städter, bei Starkregen kann die Grünfläche aber auch große Mengen an Wasser aufnehmen.

Etwa fünfzehn bis zwanzig Prozent sei das Projekt in Dortmund insbesondere wegen der industriellen Vornutzung des Areals teurer geworden als ursprünglich geplant, sagt Kurrle. Das Projekt wurde mit 230 Millionen Euro abgeschlossen.

Die Vorteile hat man in Dänemark erkannt und Drees und Sommer engagiert. Auch dort hatte man Probleme mit dem Starkregen. Im Sommer 2011 waren innerhalb von wenigen Stunden zahlreiche Straßen in der Hauptstadt Kopenhagen, Kinosäle und sogar das berühmte Vergnügungspark Tivoli wegen Starkregen überflutet und mussten evakuiert werden.

Doch Kopenhagen hat gelernt. Insgesamt 300 Projekte hat die Stadtverwaltung bis zum Sommer 2015 identifiziert, um das Überflutungsrisiko bei Starkregen zu reduzieren: Grüne Flächen sollen den Bürgern als Park dienen, bei Starkregen kann die Fläche als See oder Kanal große Mengen an Wasser auffangen. 1,5 Milliarden Euro will die Stadt in den kommenden Jahren in den Schutz vor extremen Regenfällen investieren. Finanziert werden die Projekte über die Wassergebühren der Bürger, die nun mehr bezahlen. Starkregen-Manager Kurrle: „Das, was in Kopenhagen entsteht, hat Vorbildcharakter in Sachen Klimaanpassungsstrategie.“

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