Stefan Raab verlässt ProSieben Der Raabschied reißt eine Riesenlücke

ProSieben steht nach dem angekündigten Karriereende seines Star-Moderators Stefan Raab vor einer Zäsur: Dessen Bedeutung geht schließlich weit über „TV Total“ hinaus.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Stefan Raab Quelle: dpa

Eins muss man Stefan Raab wirklich lassen: Er legt einen weitaus besseren Abschied hin als der ewige Fifa-Boss Sepp Blatter. Der klebt schon viel zu lange an seinem Stuhl und es brauchte schon US-Justizministerium und FBI, um den Schweizer (hoffentlich wirklich) aus dem Amt zu treiben.

Und während den Präsidenten des Weltfußballverbands schon seit Jahren niemand mehr sehen mochte, ist Raabs angekündigter Bildschirm-Exit für den Sender ProSieben und seine Zuschauer ein echter Verlust.

Zwar hat Raabs Dauersendung „TV Total“ ihre besten Jahre schon viele Jahre hinter sich. Raab selbst wirkte nicht mehr so wirklich inspiriert. Und auch das Konzept der Sendung, das sich aus schrägen, witzigen, mitunter auch schlicht krass doofen Schnipseln und Ausschnitten anderer TV-Sendungen speiste, hatte sich zuletzt überholt. Wer ähnliches sucht, wird bei YouTube massenhaft fündig.

Total "TV total"

Doch Raabs Bedeutung für den Sender geht weit über „TV Total“ hinaus. Der gelernte Metzger und abgebrochene Jura-Student, der einst seine TV-Karriere bei Dieter Gornys Musiksender Viva als dreister Ukulele-Spieler begann, nutzte seine tägliche Sendung ziemlich clever auch dazu, neue Showideen auszuprobieren. Aus denen wuchsen mitunter stundenlange Samstagsabend-Shows.

Die Quotenhits des Stefan Raab
Am Sonntag wollte es Stefan Raab mal wieder wissen. Und diesmal ging es nicht um ein Unterhaltungsformat. Der Wok-Fahrer und Autozerschrotter stieg ins seriöse Polit-Talk-Geschäft ein. In seinem neuen Format „Absolute Mehrheit - Meinung muss sich wieder lohnen“ konfrontierte der ProSieben-Moderator fünf Talkgäste mit dem Votum der Zuschauer. Und damit lockte Raab viele junge Zuschauer an. Bei den 14- bis 29-Jährigen erreichte der 46-Jährige einen Marktanteil von 24,7 Prozent, das sind eine halbe Millionen Zuschauer. Insgesamt sahen den Polit-Talk zu später Stunde durchschnittlich 1,79 Millionen Menschen. Das entspricht einem Marktanteil von 11,6 Prozent. Der Marktanteil der 14-49-Jährigen lag bei 18,3 Prozent (1,28 Millionen). Um an die Quotenerfolge von Raabs bisherigen Shows anzuknüpfen, fehlt allerdings noch etwas. Seine populärsten Formate.... Quelle: dpa
So präsentierte sich der neue Polit-Talker Raab früher: Mit Sixties-Brille und in Glitterjacke versuchte er sein Glück beim Eurovision Songcontest im Jahr 2000 in Stockholm. Der Song: „Wadde hadde dudde da“. Irgendwie konnte es niemand so richtig fassen, aber Raab holte tatsächlich den fünften Platz bei der europäischen Auswahl. Aber irgendwie schaffte er es immer wieder, das Publikum mit bizzaren Ideen zu überzeugen. Quelle: rtr
Da wäre zunächst Raabs Kernmarke, mit der er sich ein Massenpublikum erschlossen hat: Mit „TV Total“ ging er erstmals im März 1999 bei Pro Sieben auf Sendung - und lockte mit seinem Mix aus Klamauk, TV-Schmankerln und Promis jeden Montagabend regelmäßig ca. vier Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Quelle: dpa
Es folgten Ausflüge in skurrile Sportevents: Das Eisbahnrennen mit Wok fand bereits in mehrfacher Auflage statt. Quelle: AP
Und es blieb nicht beim Ritt auf der Bratwanne: In der Arena auf Schalke - dort, wo normalerweise Fußballspieler ihre Stollen in den Rasen hauen, gab sich Raab mehrfach die Ehre bei der „TV Total Stock Car Crash Challenge“. Dabei geben sich verschiedene Teams viel Mühe beim Verschrotten von Autos. Aber Raab will nicht nur als Schrottkönig in die TV-Analen eingehen, er hat noch ganz andere Pläne.... Quelle: dpa/dpaweb
...Boxweltmeisterin werden. Und da Raab hart im Nehmen ist, war es vielleicht auch gar nicht so schlimm, dass nichts wurde aus der Idee. Profiboxerin Regina Halmich hat Raab im Jahr 2001 fernsehtauglich auf die Bretter geschickt und neben seinem Gesicht auch seine Quote gepusht. Da schmerzten die Schläge wohl nicht wirklich. Zudem hatte Raab längst auch andere Pläne, die diesmal voll aufgingen... Quelle: dpa-dpaweb
Aus dem Boxring auf die Bühne: Im Jahr 2006 organisierte er die zweite Ausgabe des Musikwettbewerbs Bundesvision Songcontest. Quelle: AP

Allein die Liste der Sendungen, die Raab für ProSieben erfand, zeigt, wie wichtig der Kölner für den börsennotierten Sender war: die Palette reicht von der „TV total Wok-WM“, den „Bundesvision Song Contest“, „Schlag den Raab“ über „Schlag den Star“, „Unser Star für Oslo“, „Die TV total Bundestagswahl“, „Das TV total Turmspringen“, „Die absolute Mehrheit“ bis zu weiteren sportlichen Ablegern wie „Die TV total Stock Car Crash Challenge“ oder den „TV total Parallelslalom“.

Das ist ein ziemliches Brett; wie ProSieben die Sendezeit nun mit vergleichbar quotenträchtiger Ware füllen will, dürfte für Senderchef Wolfgang Link keine simple Übung werden. Sogar die Börse reagierte offensichtlich auf den Raabgang: Am Morgen notierte die ProSieben-Aktie an der Frankfurter Börse um 2,3 Prozent unter dem Vortag.

Die Raab-Erben

Etwas leichter immerhin dürfte Link es dadurch haben, dass Raab ihm zwar weite Flächen des Programms bespielte. Doch der Sender versucht bereits seit geraumer Zeit, neue Gesichter neben Raab zu etablieren. So sind in Raabs Windschatten neue Moderatoren groß geworden: vor allem Leute wie Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf könnten es Link leichter machen, die Lücke zu schließen, die Raabs Abgang nach 16 Jahren reißt.

Joko und Klaas machen im Prinzip nicht viel anders als Raab: Ausgehend von einer regelmäßigen Sendung starten sie Beiboote, die zu großen Shows am Samstagabend aufgeblasen werden. Ob das reicht, das Raab-Loch zu stopfen, muss sich zeigen. Nötig aber ist es allemal – Spielfilme und Serien laufen längst überall, im TV wie im Internet. Das einzige, was die etablierten TV-Sender den Herausforderern wie Netflix noch voraushaben, sind Köpfe.

Spannend dürfte allerdings auch werden, wie TV-abstinent Raab tatsächlich sein wird, wenn er Ende Dezember das Mikro abgibt. Eins darf man nicht vergessen: Nächstes Jahr wird der Mann auch schon 50.

Da wird er wenig Lust gehabt haben, weiterhin mit Hemd über der Hose den Spaß-Onkel zu geben. Ob dies nun aber gleichbedeutend damit ist, dass er sich vollständig aus dem Betrieb verabschiedet, ist völlig offen; womöglich weiß er das auch selbst noch nicht so genau.

Klar ist aber immerhin eins: Raab war (und ist) stets mehr als bloß irgendein Bildschirm-Kasper. Der clevere Rheinländer hat die Mechanismen des TV-Geschäfts und die Wirkweisen des Medien-Business komplett durchschaut. Er hat zudem die Traute, sich mit Einflussgrößen wie der „Bild“-Zeitung anzulegen, ohne deren Schützenhilfe andere TV-Nasen wie Dieter Bohlen längst auf dieselbe gefallen wären.

Finanziell dürfte Raab außerdem längst ausgesorgt haben. Das zusammengenommen macht es besonders spannend, zu beobachten, ob und in welcher Form Raab sich weiter an dem großen Spiel beteiligt, das Medien-Geschäft heißt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%