Eins muss man Stefan Raab wirklich lassen: Er legt einen weitaus besseren Abschied hin als der ewige Fifa-Boss Sepp Blatter. Der klebt schon viel zu lange an seinem Stuhl und es brauchte schon US-Justizministerium und FBI, um den Schweizer (hoffentlich wirklich) aus dem Amt zu treiben.
Und während den Präsidenten des Weltfußballverbands schon seit Jahren niemand mehr sehen mochte, ist Raabs angekündigter Bildschirm-Exit für den Sender ProSieben und seine Zuschauer ein echter Verlust.
Zwar hat Raabs Dauersendung „TV Total“ ihre besten Jahre schon viele Jahre hinter sich. Raab selbst wirkte nicht mehr so wirklich inspiriert. Und auch das Konzept der Sendung, das sich aus schrägen, witzigen, mitunter auch schlicht krass doofen Schnipseln und Ausschnitten anderer TV-Sendungen speiste, hatte sich zuletzt überholt. Wer ähnliches sucht, wird bei YouTube massenhaft fündig.
Total "TV total"
Doch Raabs Bedeutung für den Sender geht weit über „TV Total“ hinaus. Der gelernte Metzger und abgebrochene Jura-Student, der einst seine TV-Karriere bei Dieter Gornys Musiksender Viva als dreister Ukulele-Spieler begann, nutzte seine tägliche Sendung ziemlich clever auch dazu, neue Showideen auszuprobieren. Aus denen wuchsen mitunter stundenlange Samstagsabend-Shows.
Allein die Liste der Sendungen, die Raab für ProSieben erfand, zeigt, wie wichtig der Kölner für den börsennotierten Sender war: die Palette reicht von der „TV total Wok-WM“, den „Bundesvision Song Contest“, „Schlag den Raab“ über „Schlag den Star“, „Unser Star für Oslo“, „Die TV total Bundestagswahl“, „Das TV total Turmspringen“, „Die absolute Mehrheit“ bis zu weiteren sportlichen Ablegern wie „Die TV total Stock Car Crash Challenge“ oder den „TV total Parallelslalom“.
Das ist ein ziemliches Brett; wie ProSieben die Sendezeit nun mit vergleichbar quotenträchtiger Ware füllen will, dürfte für Senderchef Wolfgang Link keine simple Übung werden. Sogar die Börse reagierte offensichtlich auf den Raabgang: Am Morgen notierte die ProSieben-Aktie an der Frankfurter Börse um 2,3 Prozent unter dem Vortag.
Die Raab-Erben
Etwas leichter immerhin dürfte Link es dadurch haben, dass Raab ihm zwar weite Flächen des Programms bespielte. Doch der Sender versucht bereits seit geraumer Zeit, neue Gesichter neben Raab zu etablieren. So sind in Raabs Windschatten neue Moderatoren groß geworden: vor allem Leute wie Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf könnten es Link leichter machen, die Lücke zu schließen, die Raabs Abgang nach 16 Jahren reißt.
Joko und Klaas machen im Prinzip nicht viel anders als Raab: Ausgehend von einer regelmäßigen Sendung starten sie Beiboote, die zu großen Shows am Samstagabend aufgeblasen werden. Ob das reicht, das Raab-Loch zu stopfen, muss sich zeigen. Nötig aber ist es allemal – Spielfilme und Serien laufen längst überall, im TV wie im Internet. Das einzige, was die etablierten TV-Sender den Herausforderern wie Netflix noch voraushaben, sind Köpfe.
Spannend dürfte allerdings auch werden, wie TV-abstinent Raab tatsächlich sein wird, wenn er Ende Dezember das Mikro abgibt. Eins darf man nicht vergessen: Nächstes Jahr wird der Mann auch schon 50.
Da wird er wenig Lust gehabt haben, weiterhin mit Hemd über der Hose den Spaß-Onkel zu geben. Ob dies nun aber gleichbedeutend damit ist, dass er sich vollständig aus dem Betrieb verabschiedet, ist völlig offen; womöglich weiß er das auch selbst noch nicht so genau.
Klar ist aber immerhin eins: Raab war (und ist) stets mehr als bloß irgendein Bildschirm-Kasper. Der clevere Rheinländer hat die Mechanismen des TV-Geschäfts und die Wirkweisen des Medien-Business komplett durchschaut. Er hat zudem die Traute, sich mit Einflussgrößen wie der „Bild“-Zeitung anzulegen, ohne deren Schützenhilfe andere TV-Nasen wie Dieter Bohlen längst auf dieselbe gefallen wären.
Finanziell dürfte Raab außerdem längst ausgesorgt haben. Das zusammengenommen macht es besonders spannend, zu beobachten, ob und in welcher Form Raab sich weiter an dem großen Spiel beteiligt, das Medien-Geschäft heißt.