
Es klingt, als sei ein Schuldiger gefunden. Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ (WamS) sagte Konzernchef Rüdiger Grube, nach den Streiks der Lokführer seien acht bis zehn Prozent der Kunden bei der Güterbahntochter nicht mehr zurückgekehrt. Die Deutsche Bahn streicht nun Stellen. Die Gewerkschaften gehen von bis zu 5000 Jobs aus - das wären knapp 16 Prozent der Belegschaft bei Schenker Rail.
Die Lokführer wären nach dieser Lesart also die Buhmänner. Monatelang haben sie den Personen- und Güterverkehr malträtiert. Nun folgt die Quittung: Die Güterbahn schreibt in diesem Jahr Verluste.
Doch die Wahrheit ist eine andere: Die Probleme bei Schenker Rail sind hausgemacht, besser: managementgemacht. Dass jeder zehnte Unternehmenskunde nicht mehr zurück kommt, liegt nicht an den vorübergehenden Auszeiten durch die Lokführerstreiks, sondern an der miserablen Qualität der Güterbahntochter des Staatskonzerns. Die Pünktlichkeit der Güterzüge der Deutschen Bahn lag im vergangenen Jahr bei 68 Prozent.





Seit Jahren fährt die Konzernsparte planlos in die Zukunft. Und dafür ist vor allem das Management verantwortlich. Der Spartenvorstand rühmt sich zwar seit Jahren damit, die einzige Güterbahn in Europa zu sein, die annähernd an die schwarzen Zahlen heranfahre. Der europäische Marktanteil liegt bei 24 Prozent. Doch Wachstum und eine positive Entwicklung ist nicht erkennbar, wurde allenfalls blümerant angekündigt, aber nie eingehalten.
Im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn brodelt es deshalb schon seit Jahren. Vor zwei Jahren bereits zürnten die Kontrolleure, die Sparte zeichne sich vor allem durch eines aus: Planzahlen in aller Regelmäßigkeit zu verfehlen. Jedes Jahr wurden Gewinne in Aussicht gestellt und jedes Jahr wurden sie gerissen. Oft lagen Plan- und Ist-Zahlen im zweistelligen Prozentbereich auseinander. Das war „Management by Wolkenkuckucksheim“.
Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn
Sparte: Spedition
Deutschland 2002
Wert: 2500 Mio. Euro
Sparte: Spedition
USA 2006
Wert: 1300 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Großbritannien 2007
Wert: 370 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Spanien 2007
Wert: 130 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Spanien 2007
Wert: 150 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Großbritannien 2008
Wert: 170 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Rumänien 2009
Wert: 100 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Polen 2009
Wert: 450 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Großbritannien 2010
Wert: 3000 Mio. Euro
Quelle: Deutsche Bahn
Die Unzufriedenheit über die Konzeptlosigkeit auf der Führungsebene setzt sich bis heute fort. Der Aufsichtsrat hat seit langem keine Mittelfristplanung mehr erhalten, in der die Bahn normalerweise ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre skizziert. Ein Grund dafür sind die rigoros verpassten Prognosen der Güterbahntochter. „Die Unruhe im Aufsichtsrat wächst", sagt eine Kontrolleurin.
Eine Strategie für die Güterbahntochter ist die Deutsche Bahn bis heute schuldig geblieben. Der Transport von Waren und Schuttgütern gehört zum Kerngeschäft der Eisenbahn, er erwirtschaftet rund 4,9 Milliarden Euro pro Jahr. Doch die Fixkosten laufen hier gnadenlos aus dem Ruder. Grube verwies in dem WamS-Interview auf den Zusammenhang, dass 20 Prozent der Verladestationen nur ein Prozent des Umsatzes generieren. „Wir stellen derzeit das Geschäftsmodell des Schienengüterverkehrs explizit auf den Prüfstand.“.