Sterne-Restaurants Küchenkreationen, die den Gast überfordern

Die besten Restaurants werden immer besser und die Restaurantführer loben ihre schöpferischen Innovationen. Nur: Oft will der Gast das gar nicht.

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Die besten Restaurants Deutschlands 2014
SchwarzwaldstubeOrt: Baiersbronn Mehr geht nicht. Alle Punkte, Hauben, Sterne, Löffel, die man haben kann. Und die meisten davon seit 20 Jahren. Harald Wohlfahrt von der Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach in Baiersbronn ist allein wegen der Dauer, mit der er erfolgreich alle Höchstauszeichungen jedes Jahr aufs Neue bestätigt bekommt der Primus inter Pares. Nicht wenige seiner ehemaligen Mitarbeiter, wie Klaus Erfort, sind heute selber ganz oben angekommen. Auch das unterstreicht Wohlfahrts Stellung und Verdienste.Schwarzwaldstube Quelle: Presse
VendômeOrt: Bergisch Gladbach Joachim Wissler hat ebenfalls von allen Testern die höchsten Noten erhalten – auch er kann nicht mehr erreichen bei deutschen Restaurantführern. Seine Küche im Vendome im Schlosshotel Bensberg bei Köln gilt aus ausgesprochen komplex und zählt zu den anspruchsvollsten der Welt.Vendôme Quelle: dpa
Victor's Gourmet-RestaurantOrt: Perl Christian Bau ist nicht unbescheiden. Bau-Stil nennt er sein jüngstes Kochbuch. Eine Wahl hat der Gast im Schloss Berg in Perl eigentlich nicht. Die Gäste müssen Bau die „Carte Blanche“ erteilen, um sich mit ihm auf eine „Voyage Culinaire“ zu begeben - der Gast wählt aus einem festen Menü die Anzahl der Gänge. Die Tester aller Restaurantführer haben die Bestnote vergeben.Victor's Gourmet-Restaurant Quelle: Victor's
La VieOrt: Osnabrück Thomas Bühner, Küchenchef des Restaurants La Vie in Osnabrück, wurde auch in diesem Jahr wieder Bestnoten ausgezeichnet. Im La Vie in Osnabrück, dessen Eigner Jürgen Großmann sicher mit Freude die Auszeichnung gefeiert hat, kocht Bühner seit Jahren erfolgreich.La Vie Quelle: dpa
Gourmetrestaurant ÜberfahrtOrt: Rottach-Egern Im Gourmetrestaurant Überfahrt kocht Christian Jürgens. Der Gault Millau hat den Koch des Überfahrthotels in Rottach-Egern im Vorjahr zu Deutschlands Küchenchef des Jahres gekürt. Christian Jürgens findet die Inspiration für die Kreation seiner Gerichte in der Natur des Tegernseer Tals. Einer seiner Klassiker sind beispielsweise die aus Kartoffel-Quark-Mousse geformten Tegernseer Kiesel, die der 44-jährige Westfale zusammen mit echten Kieseln als Amuse-Bouche serviert.Gourmetrestaurant Überfahrt Quelle: dpa
AquaOrt: Wolfsburg Wer zu einem Geschäftsessen nach Wolfsburg eingeladen wird und Glück hat, der kann im Ritz-Carlton in der Autostadt mit Sven Elverfeld einen der experimentierfreudigsten Köche erleben. Gerätschaften aus der Medizintechnik verwendet Elverfeld mit der gleichen Leichtigkeit wie die Grundlagen seines Metiers und mit einer fast kindischen Freude am Laborieren – bis es allen schmeckt. Altbekanntes präsentiert er in neuem Gewand und das ist inzwischen allen Führern bis auf einen die Höchstnote wert.Aqua Quelle: Deidi von Schaewen
SonnoraOrt: Dreis Der stille Star – Helmut Thieltges kocht. Ebenfalls mit allen Lorbeeren ausgezeichnet, die man als Koch erhalten kann. Darauf konzentriert er sich, dafür lebt er. Es gibt keine Fernsehshow, kein Kochbuch, keine ausgedehnten Kreuzfahrten mit ihm als Gastkoch. Thieltges steht im Sonnora in Dreis am Herd und beglückt seine Gäste.Sonnora Quelle: dpa

Wer sich in den Norden der Insel Sylt begibt, hat in List die Auswahl: Backfisch vom Grill in der Alten Bootshalle von Gosch. Oder das „große Gaumenkino“, den „Küstenpanzer“ – „ein bretonischer Hummer in Vanille confiert, begleitet von Couscous, Ananas (gebraten, gefriergetrocknet und als Membran) und klarem Safransud“ im Restaurant La Mer des Hotels A-Rosa. Speisen wie die letztere sind es, die dem verantwortlichen Koch anerkennende Worte im Gault Millau samt 17 von 20 Punkten und zwei Sterne im Guide Michelin einbrachten. Kein Führer, der nicht Sebastian Ziers Kreationen lobte. Doch wer sie auf Sylt erleben möchte, muss sich sputen. Das Restaurant schließt am 4. Januar 2015. Nicht weil die Qualität des Essens nicht stimmte. Sondern weil zu wenig Hotelgäste gekommen sind.

Casual Dining im Modehaus

Für Horst Rahe, Geschäftsführer der Deutschen Seereederei, zu der neben der Deutschen Immobilien AG auch die Hotels Louis C. Jacob in Hamburg und die vier Betriebe der A-Rosa-Gruppe gehören, standen Aufwand und Ertrag in keinem sinnvollen Verhältnis mehr. „Nur fünf Prozent der Hotelgäste besuchten das La Mer, 10 bis 15 Prozent hätten es sein müssen“, sagt Rahe, der aufwendige Haute Cuisine in den Urlaubshotels unter der Marke A-Rosa abschafft. Rund 200 000 Euro Verlust habe das La Mer jährlich der Bilanz des Betriebes aufgebürdet: „Die Gäste möchten im Urlaub nicht mehr so steif und vornehm essen gehen.“ Das zweite Restaurant im A-Rosa, das Spices, setzt ebenfalls auf „Casual Dining“, ohne Zwang und wenig Etikette. Dass es einen Stern im Guide Michelin hat, wird nicht extra betont. „Heute haben wir eine Inflation an Sterneküche, und es wird immer schwerer, Verständnis dafür zu gewinnen, dass ein Abend 200 Euro pro Person kosten soll“, sagt Rahe.

Die besten Feinschmecker-Restaurants in Deutschland
Platz 10: Tim Raue, BerlinDer feine Gaumen findet in Deutschland reichlich Auswahl – natürlich auch in der Hauptstadt: Hier steht das „Tim Raue“ vom gleichnamigen Sternekoch auf der Liste der Feinschmecker ganz oben. 2012 erhielt das Restaurant zwei Sterne im Guide Michelin. Auf der Speisekarte: zum Beispiel Entenleber (Foto). Die Liste der zehn besten Restaurants Deutschlands basiert auf Bewertungen und Meinungen von Nutzern der Reise-Website TripAdvisor. Quelle: tripadvisor
Platz 9: Fischereihafen-Restaurant, HamburgFischliebhaber kommen im Fischereihafen-Restaurant unter Garantie auf ihre Kosten. Die Speisekarte bietet neben klassisch-regionalen Gerichten auch moderne und exotische Kreationen. Angetan sind Besucher nicht nur vom Essen, sondern auch vom Service. Quelle: tripadvisor
Platz 8: Facil, BerlinMichael Kempf, Küchenchef im Facil, ist vom Magazin „Feinschmecker“ erst kürzlich zum „Koch des Jahres 2014“ gekürt worden – für seine Gerichte, „die dynamisch und noch feiner in der Abstimmung geworden sind, mit fast japanisch anmutender Finesse“, wie die Jury urteilte. 2013 erkochte Kempf seinen zweiten Michelin-Stern. Sein Essen steht auch in der Gunst der TripAdvisor-Nutzer ganz oben. Quelle: tripadvisor
Platz 7: Wolfshöhle, FreiburgAuch in kleineren Städten wie Freiburg kann geschlemmt werden. In der Innenstadt serviert Spitzenkoch Sascha Weiss seinen Gäste eine „kreative Frischküche“. Besucher loben das Essen „auf höchstem Niveau“ sowie einen freundlichen Service. Quelle: tripadvisor
Platz 6: Im Schiffchen, DüsseldorfDas Restaurant „Im Schiffchen“ ist Düsseldorfs Nummer eins. In der Küche steht seit 1977 Jean-Claude Bourgueil, ein französischer Koch mit zwei Michelin-Sternen. Gäste loben die „Haute Cuisine auf höchstem Niveau“. Quelle: tripadvisor
Platz 5: Broeding, MünchenDas Broeding setzt auf traditionelle Gerichte, individuell verfeinert, und überzeugt viele Besucher auch dank der hervorragenden Weinbegleitung. Küchenchef ist Manuel Reheis. Quelle: tripadvisor
Platz 4: Shane's Restaurant, MünchenDas Shane's Restaurant hat sich unter Feinschmeckern aufgrund seiner modernen Fusionküche einen Namen gemacht. Gäste mögen die „Mischung aus Irisch und Österreichisch“, auch der Service und das Ambiente werden ausdrücklich gelobt. Quelle: tripadvisor

Die Leistungen der deutschen Spitzenköche werden jedoch immer besser. Darin sind sich die Kritiker der Restaurantführer von Aral über Feinschmecker bis Varta einig. Die Aufwertungen im Gault Millau übersteigen so unterm Strich die der Abwertungen. Der Guide Michelin vergibt in seiner Ausgabe 2015 an 31 Restaurants erstmals einen Stern, drei dürfen sich über einen zweiten freuen. Dem stehen 24 Restaurants gegenüber, die einen Stern verloren haben. Darunter auch Altmeister Jörg Müller auf Sylt, der sich nach Jahrzehnten der Haute Cuisine entschlossen hat, mit Jahresbeginn in den Räumen seines ehemaligen Gourmetrestaurants ein bodenständigeres Angebot zu servieren. Im Kontrast dazu stehen die Erfolge von auf den ersten Blick überraschenden Orten für ein Gourmetrestaurant: das Ammolite als Teil des Europaparks Rust und das entspannte Opus V in der sechsten Etage des Modehauses Engelhorn in Mannheim. Beiden gemein: ein Sponsor. Europapark-Chef Roland Mack kam eigens nach Berlin, um den zweiten Michelinstern für sein Restaurant in Empfang zu nehmen. Modehaus-Chef Richard Engelhorn wollte ebenfalls „partout ein Restaurant mit Stern“, wie ein Mitarbeiter sagt. Und hat das geschafft.

Noch immer versprechen sich Restaurantbetreiber mehr Umsatz von hohen Bewertungen. Doch diese Rechnung geht nicht automatisch auf. Viele Gäste mögen dem, was die Berichterstattung rund um die feine Küche als führend und wegweisend bezeichnet, nicht folgen. „Der Medienhype, der um die Köche entstanden ist, hat dazu geführt, dass plötzlich jeder Koch kreativ sein muss. Das ist zu viel erwartet“, sagt Patricia Bröhm, Chefredakteurin der deutschen Ausgabe des Gault Millau. Allzu oft überließen Köche die Entwicklung unbekannter Geschmackserlebnisse den Kollegen und kopierten diese einfach: „Da gibt es auf einmal überall Mais in Texturen.“ Beschleunigt wird die Verbreitung der Moden durch das Internet. „Unheimlich viele Köche klicken sich durch Blogs und Foren und lassen sich so verrückt machen“, sagt Bröhm. Wenn jedoch ideenlos den großen Trends nachgespürt wird, bleibt die eigene Handschrift auf der Strecke.

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