Sternekoch Juan Amador über Angst vor Testern Die Tage davor ist man nervös

Der gebürtige Spanier Juan Amador hat über viele Jahre zunächst in Langen, später in Mannheim sein Restaurant Amador betrieben, das über Jahre mit drei Michelinsterne ausgezeichnet war.

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Juan Amador im Kreise seiner Drei-Sterne-Kollegen 2012. Der gebürtige Spanier steht gut geschützt rechts neben dem Reifenmännchen. Quelle: dpa

Herr Amador, sie haben ihr Restaurant in Mannheim dieses Jahr geschlossen. Erstmals können Sie die Bekanntgabe der Michelinsterne betrachten, ohne betroffen zu sein. Ein Vorteil?

Ich sehe das ganz neutral. Ich bin entspannt. Ich war aber nie unsicher, ich hatte nie Angst. Aber jedes Jahr kam das Datum immer näher und dann hofft man, dass man keinen Anruf bekommt. Denn wenn man eh schon die Höchstnote hat, dann weiß man ja 1-2 Tage vorher anruft, dass man was weggenommen bekommt. Angst keine, aber nervös wird man schon ein paar Tage vorher.

Auch nach all den Jahren, die sie die drei Sterne hatten?

Man kann sich ja selbst nie sicher sein. Auch wenn die Gäste positiv sind. Da wäre man eiskalt, wenn man nicht ein wenig unruhig wird. Mir ist es zwar nicht passiert, aber man kann betriebsblind werden. Ich war immer viel unterwegs und es ist wichtig, dass man seinen eigenen Stil hat. Man muss was eigenes macht. Und dann ist die Frage: Kommt das überhaupt an. Die Gäste sind nur nicht unbedingt der Indikator dafür. Man zweifelt schon, wenn man etwas ändert, ob das der richtige Weg ist. Aber im wesentlichen in der Zeit kurz bevor die Guides erscheinen. Davor und danach verdrängt man das. Auf das alltägliche Geschäft hat sich das bei mir nie ausgewirkt. Gar nicht. Wir versuchen jeden Tag, das Beste rauszuholen. Was auch immer das bedeutet - aber Fehler versucht man auszumerzen. Und sie müssen sich eine Küche wie ein Formel-1-Team vorstellen. Da weiß jeder, was er zu tun hat. Die Auszeichnungen sind ja kein Zufallsprodukt, es wird streng drauf geachtet, dass so wenig wie möglich passiert. Und einen dritten Stern bekommt man sicher nicht abgenommen, weil man mal an einem Abend besonders schlecht war.

Gibt es denn solche Abende in solch eingespielten Teams?

Das kann passieren, wir sind doch alle nur Menschen. Ein Abend kann immer mal schief gehen, eine längere Phase - dann hat man als Chef richtig was falsch gemacht. Wer als Chef privat Probleme hat, wie ich das kenne, dann muss er sich auf sein Team verlassen können. Ich konnte das und dann sind auch diese Dinge zu überbrücken. Aber wenn das Team nicht funktioniert, dann nützt auch die beste Stimmung des Chefs nichts.

Dass ein Tester schlechtes Essen bekommt, ist dann eher Pech?

Definitiv, es passiert nicht, dass ein Fisch zu trocken rausgeht oder ein Fleisch noch roh oder zu durchgebraten ist, das kommt einfach nicht vor. Aber dann hat man vielleicht an einem Tag ein schlechteres Gespür für den Salzgehalt, dann gehen Gerichte raus, die hart an der Grenze sind. Das kann passieren. Ich probiere ja als Chef nicht alleine. Als ich vor einigen Jahren radikal aufgehört habe zu rauchen, war ich mir total unsicher. Ich habe alles die Jungs probieren lassen, weil ich dachte, alles wäre total versalzen. Meine Mitarbeiter konnten mich beruhigen, dass alles wie immer sei. Ich brauchte einige Wochen, bis sich mein Geschmack darauf eingestellt hatte.

Sie haben nie eine Abwertung erlebt. Haben Sie sich darauf vorbereitet?

Man kann sich nicht aufs Scheitern vorbereiten. Das wäre dann ja kalkuliert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einer von meinen Kollegen tut. Es ist auch kein Scheitern, es ist eine Phase, da muss man durch. Es hätte mich aber sicher schon mitgenommen. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich WILL mir das gar nicht vorstellen. Ich weiß von einem guten Freund, der zumindest gut vorbereitet war, da er einen Warnschuss bekommen hatte, bevor die Abwertung kam.

Sie haben ihr kulinarisch sehr erfolgreiches Restaurant in Mannheim geschlossen. Warum?

Es gibt mehrere Gründe. Es hat sicher wirtschaftliche Gründe. Ich habe meinen Vertrag erfüllt und hätte fünf Jahre verlängern sollen. Da habe ich drüber nachgedacht, was das für mich bedeutet. Dann hatte ich mit der Insolvenz meiner AG, die für den Betrieb von Restaurants gegründet wurde, zu tun und habe das Restaurant auf meine eigene Kappe weitergeführt und das drehen können. Wir haben es hinbekommen, dass wir uns auf normalen Pfaden bewegt haben. Aber diesen Drahtseilakt, den wollte ich nicht mehr.

Drei-Sterne-Küche ist ein ökonomischer Drahtseilakt?

Es gibt Menschen, die behaupten, es sei möglich, ein solches Restaurant profitabel zu führen oder zumindest plus minus Null. Ich behaupte, das ist unmöglich. Es ist einfach gut, zu rechnen, es ist aber nicht so einfach, gut zu kochen. Wenn mir einer sagt, sie dürfen nur 25 Prozent Wareneinsatz haben, dann mache ich das. Das ist einfach. Ich kaufe entsprechend ein und plane Personal und Speisekarte. Aber wenn einer zu Ihnen sagt, er wolle drei Sterne - dann müssen sie das maximale rausholen. Das wirtschaftlich positiv darzustellen ohne Nebengeschäfte - halte ich nicht für möglich. Mit Veranstaltungen und Beraterverträgen ist das gesamte Unternehmen zu machen - aber so ein Restaurant operativ im Plus zu halten auf dem Niveau: Ist nicht möglich. Es war immer defizitär. Wenn ich eingebettet bin in ein Hotel oder einen Sponsor im Rücken habe, kann es gehen. Ich kenne Restaurants, die machen im Jahr einen Million Euro Verlust.

Sie planen nun ein neues Projekt in Wien. Ist dort die Lage einfacher?

Sie brauchen für ein ambitioniertes kulinarisches Konzept eine Großstadt. Sie müssen ständig neue Gäste gewinnen können. In Berlin würde so etwas auch funktionieren. Der Unterschied im Aufwand bei zwei oder drei Sternen ist nicht mehr so immens. Wenn sie schon zwei Sterne haben, dann haben sie alles, was sie brauchen - dann geht es nur ums kochen. Wer zwei Sterne hat, kann auch drei Sterne kochen - das macht wirtschaftlich keinen Unterschied. Das erste Objekt in Wien ist finanziell aus dem Ruder gelaufen und ich habe rechtzeitig die Reißleine gezogen. Nun hoffe ich, dass wir im März unser neues Projekt eröffnen können. Aber ohne den festen Vorsatz, dort gleich wieder drei Sterne zu holen.

Aber wehren würden Sie sich nicht?

Nein, es soll schon Haute Cuisine werden. Aber mit einem Feinkostbereich, wir haben genügend Außenfläche und im Restaurant die Möglichkeit, ein paar Gänge hochzuschalten. Wir können doch jetzt nicht anfangen, schlechter zu kochen.

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