Steuern sparen, Mitarbeiter ausnutzen Das Geschäftsmodell der Billigkreuzfahrten

Für 600 Euro eine Woche Urlaub auf dem Schiff? Das ist nur möglich, weil Reedereien an Steuern und Mitarbeiterlöhnen sparen. Und weil die Passagiere am Ende mehr Geld an Bord lassen, als sie denken.

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Von Barcelona über Mallorca nach Rom – und das in nicht mal einer Woche? Stressfrei durchs Mittelmeer, mit Cocktails am Pool und Ausflügen in die berühmtesten Städte entlang der Küste. Klingt nach dem perfekten Kreuzfahrttraum. Lediglich 599 Euro soll die Reise kosten, wirbt Anbieter Aida: Ein super Angebot zu Ostern, gültig nur noch wenige Stunden. Auf der Homepage läuft ein großer Countdown ab, der die Dringlichkeit der Entscheidung verdeutlicht.

Lockangebote wie diese wirken. Immer mehr Deutsche gehen auf Kreuzfahrt. 2,2 Millionen waren es 2017, acht Prozent mehr als noch im Vorjahr. Nach den Amerikanern und den Chinesen zählen die Deutschen zu den größten Kreuzfahrtfans weltweit. Die großen Konzerne haben deshalb längst ihre eigenen Marken auf dem deutschen Markt etabliert. Hinter dem roten Kussmund von Aida steht der amerikanische Konzern Carnival, Tui Cruises ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Tui und Royal Caribbean.

Beide Marken funktionieren nach demselben Konzept: Sie bieten Kreuzfahrten zum Niedrigpreis. Ein Modell, das in der Luftfahrt durch Billigflieger längst etabliert ist.

Gleichzeitig halten die Unternehmen ihre Steuerquoten und die Gehälter der Crew so niedrig wie möglich – und machen ordentlich Profit. Die Kreuzfahrtreedereien schreiben Gewinne, von denen andere Branchen nur träumen.

Der Trick mit dem Einstiegspreis

Für hohe Einnahmen brauchen die Reedereien vor allem volle Schiffe. Aida, Tui und Co locken ihre Passagiere mit Schleuderpreisen. Der Wettbewerb findet aber nur so lange statt, wie sich die Kunden noch über ihre Reisemöglichkeiten informieren und auf der Suche nach dem passenden Schiff sind. Der Preis zählt dann zu den wichtigsten Kriterien. Also ist der Grundpreis möglichst gering.

An Bord aber herrscht ein anderes Machtverhältnis: Der Kunde ist der Reederei ausgeliefert. Sie hat das Monopol auf Getränke, die Mahlzeiten, das Freizeitangebot und die Ausflüge. Sie kann so viel Geld verlangen wie sie will. Der Kunde muss zahlen – oder verzichten.

Doch verzichten wollen die meisten Menschen in ihrem Urlaub nicht. Sie sind im Entspannungsmodus und achten weniger auf ihr Geld. Deshalb geben sie auch schnell drei Euro für eine Flasche Wasser aus. Bargeld brauchen sie auf vielen Schiffen ohnehin nicht, die Bordkarte wird stattdessen zum universellen Zahlungsmittel. Abgerechnet wird dann über die Kreditkarte, deren Daten die Passagiere schon bei der Ankunft auf dem Schiff hinterlegen.

Die Versuchung, Geld auszugeben, ist an Bord allgegenwärtig – genauso wie die Werbung dafür, schreibt Wolfgang Gregor. Der ehemalige Kapitän war lange selbst Passagier auf Kreuzfahrtschiffen. Bis er seine große Abrechnung schrieb. „Der Kreuzfahrtkomplex“ heißt sein Buch. „So oft wie möglich wird darauf hingewiesen, dass es sinnvoll ist, frühzeitig die Landausflüge, Weinpauschalen und Massagetermine im Wellnessbereich zu buchen“, schreibt er darin. „Sonderverkaufsaktionen werden oftmals im Stundentakt bekannt gegeben.“

Der Umgang mit der Crew

Am Pool bieten die Kellner den Passagieren farbenfrohe Cocktails direkt an den Sonnenliegen an. Ihr Gehalt hängt schließlich oft vom Umsatz und damit von der Konsumfreudigkeit der Passagiere ab. Vor allem auf amerikanischen Schiffen spielt das Trinkgeld außerdem eine erhebliche Rolle. Denn die Grundgehälter des Servicepersonals auf den Schiffen sind mickrig.

Sechs Monate lang hat Julia (Name geändert) auf einem solchen Schiff gelebt, zu zweit in einer kleinen Kabine unter Deck, ohne Bullauge, ohne Tageslicht. „Ich habe jeden Tag zehn oder zwölf Stunden gearbeitet, manchmal auch sechzehn. Mehr als fünf Stunden Schlaf schafft man auch selten“, erzählt sie. „Einen Tag frei gibt es nicht, wir haben sieben Tage die Woche gearbeitet. Auf Dauer ist das wirklich anstrengend.“

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