Ob auffällige Flugzeugbemalungen, ungewöhnliche Serviceideen oder eine besonders flexible Flugplanung: Schon immer ist Condor-Chef Ralf Teckentrup in der Airlinebranche mit ungewöhnlichen Ideen aufgefallen.
Jetzt überrascht der 64-Jährige mit einer Neuerung bei seinen Tarifverträgen. Obwohl bei dem Ferienflieger derzeit keine Gehaltsverhandlungen anstehen, hat der hagere Westfale seiner Belegschaft eine spürbare Erhöhung in der Größenordnung der aktuellen Inflationsrate gewährt. Dafür hat er, auch ein Novum, mit allen drei Gewerkschaften Verdi, der Kabinenvertretung UFO und der Vereinigung Cockpit für die Piloten gleichzeitig verhandelt und fast in Rekordzeit abgeschlossen. Um je nach Einkommenshöhe sieben bis neun Prozent werden die Gehälter der 4000 Mitarbeiter steigen, bestätigte eine Sprecherin.
Aus Sicht des Unternehmens ist die prophylaktische Erhöhung vor allem eine Anerkennung für die Arbeit im Stress der vergangenen Wochen. „Diese Gehaltserhöhung soll insbesondere die Wertschätzung des Unternehmens für das Engagement und den Einsatz der Condorianerinnen und Condorianer in diesem herausfordernden Sommer und den vergangenen Monaten zum Ausdruck bringen“, so die Sprecherin. Außerdem berücksichtige die auf zwei Jahre angelegte Gehaltsrunde die steigende Inflation.
Doch aus Sicht von Kennern des Unternehmens hat der gewiefte Manager Teckentrup auch ein paar Hintergedanken. Und sie richten sich nicht zuletzt gegen den Marktführer Lufthansa. Zum einen verbessert das Angebot die Stimmung im Unternehmen. Diese war traditionell schon besser als bei Lufthansa, wo sich zuletzt die Betriebsräte aller Sparten in einem gemeinsamen Brandbrief beim Aufsichtsrat über die aus ihrer Sicht verfehlte Personalpolitik des Konzern beschwerten. Doch auch bei Condor wuchs der Unmut, selbst wenn das in einem schmucklosen Gewerbeviertel von Neu-Isenburg ansässige Unternehmen in den vergangenen Wochen deutlich weniger Schlagzeilen machte mit Flugausfällen und Servicepannen als Lufthansa oder Eurowings. „Wir haben keinen Nerv mehr“, klagte die Flugbegleiterin Christiane Lenz jüngst in der Verdi-Mitgliederzeitung „Publik“.
Durch die ebenso ungewöhnliche wie unerwartete Gehaltsrunde dürfte das Verhältnis wieder besser werden. „Das lässt Condor attraktiver wirken als Lufthansa – ein entscheidender Vorteil in Zeiten wo alle Airlines händeringend qualifiziertes und besonders engagiertes Personal suchen“, so ein Branchenkenner.
Dazu hilft das Angebot auch, die Condor bei Passagieren und Reiseveranstaltern besser aussehen zu lassen als Lufthansa. Denn durch eine friedliche Gehaltsrunde erspart sich Condor jede Form von Arbeitskämpfen und erst recht mögliche Streiks, die zuletzt das durch tausende Flugabsagen ohnehin ramponierte Ansehen der Lufthansa weiter verschlechterten und für Kosten sorgten. „Spätestens am zweiten Streiktag ist der Ausstand teurer als die Gehaltsrunde, wenn man alle Nebenkosten einrechnet bis zu den Umsatzverlusten und den Ausgaben für die Passagierentschädigungen“, rechnet ein Gewerkschafter vor.
Darum nötigt der Gehaltsvorstoß am Ende auch Konkurrenten Respekt ab. „Typisch Tecke“, nennt ein Branchenkenner die Offerte, in Anspielung auf Teckentrups Spitznahmen in der Branche.
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