Strategiewechsel Bilfinger – die ewige Baustelle

Der angeschlagene Industriedienstleister Bilfinger legt seine Zahlen vor – und gleichzeitig eine neue Strategie für den Konzern. Diese ist ein Anfang, doch die Probleme sind längst noch nicht gelöst. Eine Analyse.

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Der Vorstandsvorsitzende des Industriedienstleisters, Tom Blades, verkündet die neue Strategie von Bilfinger. Quelle: dpa

Düsseldorf, Mannheim Eines macht Thomas Blades gleich zu Beginn klar: Die neue Strategie, die der Chef des Industriedienstleisters Bilfinger in den kommenden Minuten in Mannheim vorstellen wird, ist nicht nur seine. „Wir haben sie entwickelt. Und wenn ich sage wir, meine ich nicht den Vorstand oder den Aufsichtsrat, ich meine: Die gesamte Mannschaft hat sie entwickelt, jeder trägt sie mit.“

Ein kluger Schachzug: Denn der 61-jährige Blades will die Fehler der früheren Bilfinger-CEOs nicht wiederholen. Seine Vorgänger, Roland Koch und Per Utnegaard, hatten sich verzettelt. Der eine mit einer übereilten Internationalisierung, ohne die Märkte richtig zu kennen. Der andere vergaß beim Umbau des Konzerns, die Belegschaft einzubeziehen.

Zwar hatte der ehemalige Vorstandschef Herbert Bodner bereits vor Koch frühzeitig festgelegt, das risikostarke und margenschwache Baugeschäft zu reduzieren und gleichzeitig die Dienstleistungssparte auszubauen. Doch Managementfehler, der Einbruch im klassischen Kraftwerksgeschäft und mehrere Chefwechsel hatten dem Unternehmen schwere Turbulenzen beschert. Viermal musste die eigene Prognose kassiert werden, jede Menge Vertrauen wurde an den Kapitalmärkten zerstört.

Jetzt soll eine neue Strategie das Unternehmen wieder auf Kurs bringen. „Wenn wir die umsetzen, werden wir Bilfinger auch wieder dorthin bringen, wo Bilfinger hingehört“, zeigte sich Blades zuversichtlich. „2-4-6“ nennt sich die neue Marschrichtung.

Konkret heißt das: Bilfinger konzentriert sich auf zwei Geschäftsfelder, Engineering & Technologies (E&T) und Maintenance, Modifications & Operations (MMO). Vier Regionen bilden für das Unternehmen den Kernmarkt: Kontinentaleuropa, Nordwesteuropa, Nordamerika und Nahost. Und: Sechs Sparten sind in Zukunft die Zielindustrien Chemie und Petrochemie, Energie und Versorgung, Öl und Gas, Pharma und Biopharma, und Metallurgie sowie jetzt auch Zement.

Die Strategie klingt erst mal schlüssig – und bietet Potenzial. Der Konzern bleibt nicht in Europa, er definiert auch andere Märkte für sich, doch eben nicht fast wahllos alle. „Es bleibt ein kleiner Teil von Firmen, die nicht in die neue Strategie passen“, sagt Blades. Das gelte etwa für Aktivitäten in Südafrika, die zum richtigen Zeitpunkt verkauft werden sollen.

Und: Blades will nicht mehr auf Teufel komm heraus alles loswerden, was mit der Energiesparte zu tun hat. Sondern er schaut, welche Teile aus diesem Geschäft in die beiden neuen Sparten passen. Was nicht mehr passt, wird verkauft – aber eben in Ruhe.


Näher am Kunden

Die Konzentration ist der richtige Weg und könnte Bilfinger auch wieder näher an seine Kunden heranrücken. Das zeigt etwa die unterschiedliche Aufstellung in den beiden Sparten. Das Engineering wird global gesteuert – und das macht Sinn. Denn die Anforderungen und das Wissen sind nicht vom Standort abhängig. Die Sparte Instandhaltung wird dagegen regional gesteuert. Denn hier sind die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Kunden entscheidend, dafür aber brauchen die Kunden zwingend den Entscheider vor Ort. Während das bei Bilfinger teilweise zu zentral gesteuert war und damit in einigen Märkten recht weit weg, könnte die teilweise dezentrale Steuerung in der neuen Konzernstruktur aufgehen.

Dass diese Strategie aufgehen wird, glauben auch die Investoren. Das zeigt auch der Anstieg des Aktienkurses um vier Prozent des MDax-Unternehmens. Commerzbank-Analyst Norbert Kretlow: „Bilfinger habe seine optimistischen Erwartungen weitgehend erfüllt oder sogar übertroffen.“

Doch das ist nur ein Anfang: Der Krisen-Konzern hat zwar im vergangenen Jahr schwarze Zahlen schreiben können – doch nur dank des Verkaufs der Bau- und Immobiliensparte. Der Verkauf der zweiten Hauptsparte brachte 538 Millionen Euro. Das Konzernergebnis lag 2016 bei 271 Millionen Euro.

In den beiden verbleibenden Sparten Industriedienstleistungen und Kraftwerksgeschäft machte der Mannheimer Konzern 2016 acht Millionen Euro Verlust. Der Umsatz brach um 16 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro ein – immerhin nicht ganz so deutlich, wie der Konzern selbst prognostiziert hatte.

Ab 2018 will Bilfinger-Chef Tom Blades dann jährlich fünf Prozent Wachstum schaffen, um die operative Rendite bis 2020 auf fünf Prozent zu steigern. Im vergangenen Jahr lag sie bei 0,4 Prozent. Das letzte Mal lag die Marge 2013 unter der Führung des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch über fünf Prozent. Doch Blades scheint sich auf einem guten Weg: Blades: „Die Maßnahmen zur Restrukturierung beginnen zu greifen. Unsere Kostenbasis sinkt.“

Damit bleibt Bilfinger eine Baustelle – vorerst. Doch der Konzern wird auch 2017 weiter schrumpfen, die Probleme sind noch nicht gelöst. Die Probleme sind noch nicht gelöst, nur weil es eine neue Strategie gibt. Aber die eingeschlagene Richtung stimmt.

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