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Streaming-Chef Mit diesen 14 Kniffen macht Reed Hastings Netflix erfolgreich

Netflix-CEO Reed Hastings hat seine eigene Unternehmensphilosophie entwickelt. Quelle: dpa

„Keine Regeln“, so lautet das Mantra von Netflix-Chef Reed Hastings. Die Besten brauchen kein Urlaubsbudget und keine Spesenverordnung, dafür viel Freiheit. Echt: Was heißt das konkret?

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Gerade die großen Techkonzerne in den USA stecken viel Mühe in den Versuch, die eigenen Ziele – die „Mission“ – möglichst genau zu definieren. Jeder Mitarbeiter soll genau wissen, was Erfolg heißt, woran er gemessen wird – und mit welchen Mitteln er diesen Erfolg erreichen soll. Amazon hat seine 14 Leadership Principles, eine Jeff-Bezos-Variante der Zehn Gebote, bei Netflix sind die Werte ähnlich ausgefeilt. Seit über 20 Jahren arbeitet Mitgründer und CEO Reed Hastings an den Management-Techniken. Im vergangenen Jahr hat er alles in einem Buch zusammengefasst. Es heißt: „Keine Regeln. Warum Netflix so erfolgreich ist.“ Wir haben die Kernerkenntnisse noch einmal zusammengefasst:

1) Also, Regeln und Kontrolle mögen gut sein für Firmen und Industrien, die ihre Mitarbeiter in Schach halten müssen, in denen ohnehin alles nach Schema F funktioniert, das irgendwie eingehalten werden muss. Mit Innovation hat das, so der Glaube, nichts zu tun. Innovative Firmen in innovationsgetriebenen Industrien brauchen Überflieger, „High Performer“, und die wiederum brauchen keine Kontrolle und auch keine Regeln. Dabei gilt: Je weniger durchschnittliche Mitarbeiter in einer Organisation sind, um so besser.

2) Eine aufwändige Spesenverordnung, inklusive konkreter Vorgaben für die Reisekosten? Aus Hastings Sicht völlig unnötig. Warum? Frisst nur Zeit und Ressourcen. Daher ist die einzige Vorgabe: Gib‘ das Geld der Firma so aus, als wäre es dein eigenes. Die Hoffnung: Das macht die Mitarbeiter flexibler und schneller.

3) Kontrolle von Urlaubszeiten und freien Tagen? Unnötig. Gute Mitarbeiter wissen, wie sie sich ihre Zeit einteilen, um kreativ und effektiv zu arbeiten. Aber dann geht doch keiner mehr in den Urlaub! Kann sein, argumentiert Hastings, aber deshalb gilt auch: Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel voran gehen und viel Urlaub nehmen. Ihren Mitarbeitern, die den eigenen Spielraum nicht ganz einschätzen können, müssen sie den Kontext erläutern, in dem sie ihre Entscheidungen über Urlaub und freie Tage treffen.

4) Hastings begreift seine Firma nicht als familiäre Trutzburg gegenüber der Außenwelt. Der Begriff des Patriarchen, des familienähnlichen Oberhaupts, ist ihm wesensfremd, ebenso die Idee eines lebenslangen Bundes. Netflix ist ein „Team, keine Familie“, sagt er immer wieder. Klingt nicht nach der rheinischen Version von Kapitalismus, sondern eher nach Paris Saint Germain. Hastings vergleicht eine Firma mit einer Sportmannschaft, die Meisterschaften erringen will. Der Verein kauft die Besten, die müssen das Beste leisten – oder wieder gehen, wenn sie nicht mehr leisten oder nicht mehr leisten können.

5) Die Talentdichte muss maximal erhöht werden. Das ist das Ziel des Netflix-Recruiting. Deshalb brüstet sich Netflix auch, „Rockstar“-Gehälter zu zahlen, weil dort ja quasi nur die Lionel Messis der Tech- und Entertainmentwelt spielen sollen. Also ist es natürlich üblich, dass Netflix Gehälter über dem Marktwert des Mitarbeiters zahlt. Ergibt ja auch keinen Sinn, wenn der sich ständig Gedanken machen muss, ob er nicht woanders mehr herausholen kann. Kostet nur Zeit und Energie, die er bei Netflix einbringen kann.

6) Boni gibt’s – Überraschung – übrigens keine. Warum nicht? Na, weil Boni sich an Zielen orientieren, die in der Vergangenheit vorgegeben worden sind. Vergangenheit ist aber in einer Zukunftsbranche wie dem Streaming, wo’s darum geht, den alten Legacy-Konzernen Beine zu machen, selbstredend ein No-Go. Geht ja immer um Innovation und darum, an Morgen zu denken. Wer sich da am Gestern orientiert, hat eigentlich schon verloren. Also, keine Boni. Kreativität, das ist der Grundgedanke, speist sich aus Freiheit.

7) Intern, das gehört auch dazu, wird eine Politik der radikalen Transparenz verfolgt, was Unternehmensergebnisse und Strategie betrifft. Auch Umstrukturierungen oder Entlassungen werden früh angekündigt. Der Grundgedanke: Mitarbeiter können sich innerhalb der Organisation nur zum Besten der Organisation verhalten, wenn sie wissen, was für den Erfolg gerade erforderlich ist. Geheimnisse, so die Überzeugung, hemmen Mitarbeiter, die Wahrheit beflügelt sie.

8) Talente sollen voneinander lernen, um besser zu werden. Klar. Das geht aber nur, wenn ohne Schnörkel Feedback gegeben wird. Man kann auch sagen: Hemmungslos, ohne schönfärberische Sozialverträglichkeits-Floskeln. Daher gilt bei Netflix eine unverblümte 360-Grad-Kritikkultur, beim Chef angefangen. Gefordert: Ehrlichkeit. Dabei soll das Feedback konkret unterstützen, praktisch nutzbar und wertschätzend sein. Ob der Mitarbeiter es annimmt oder nicht, liegt in seinem Ermessen. Für ganz zart Besaitete dürfte das nichts sein.

9) Befreiender Nebeneffekt des Wahrheits-Mantras: Mitarbeitern, die gehen müssen, schickt Netflix keine blumigen, aber häufig eben doch verlogenen Lobeshymnen hinterher. Aus Prinzip.

10) Interessant aber: „Kotzbrocken“, „Jerks“, Miesmacher, so genial sie auch sein mögen, sind nach Ansicht von Hastings trotzdem nicht gut für den Unternehmenserfolg, weil sie das ehrlich gemeinte Karma – nicht seine Worte – dann doch irgendwie vergiften und eine vertrauensvolle Offenheit unmöglich machen und damit der Gesamtleistung des Teams schaden. Also, brillante Miesepeter: Netflix ist nix für Euch.

11) Mitarbeiter haben prinzipiell große Entscheidungsfreiheiten, auch finanziell, die Rahmen sind sehr weit gefasst. Die Idee ist, Entscheidungen dezentral zu treffen, nicht hierarchisch. Das, so der Glaube, ist besser für die Innovationskraft.

12) Netflix ermuntert die Mitarbeiter, „strategische Wetten“ einzugehen. Bei diesen Wetten gibt’s auch Checks, die durchlaufen werden sollten. Aber grundsätzlich gilt: Probier’s doch. Genau das ist es, was ein innovatives Unternehmen ausmacht. Mal verlieren die Mitarbeiter ihre Wetten, mal gewinnen sie. Entscheidend für die Leistungsbewertung ist nicht die einzelne Wette, sondern das Gesamtergebnis.

13) Ach ja, selbstverständlich ist ein Engagement bei Netflix selten etwas für die Ewigkeit. Should I stay or should I go? Wer bleiben darf, das entscheidet der so genannte, ziemlich berüchtigte Keeper-Test. Führungskräfte müssen sich regelmäßig überlegen, wie sie sich verhalten würden, wenn ein Mitarbeiter kündigen würde: Würden sie alles tun, um ihn oder sie zu halten? Oder würden sie glauben, dass die Aufgaben von anderen besser oder genauso gut erledigt werden können. Wer diese Auslese nicht besteht, muss das Unternehmen in der Regel verlassen.

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14) Die gute Nachricht allerdings lautet: Wer geht, bekommt zwar keine warmen Worte, dafür eine großzügige Abfindung. Und wie ist das alles so vereinbar mit dem deutschen Arbeitsrecht und dem Kündigungsschutz, mag man fragen. Netflix-Mitarbeiter behaupten, dass die Abfindungen so großzügig angelegt sind, dass man sich nicht auf solche Vorgaben berufen müsse.

Mehr zum Thema: Netflix-Chef Reed Hastings spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Konkurrenz von Disney bis RTL – und künftige Rollen für Angela Merkel.

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