Streiks bei der Lufthansa Piloten sind nicht so abgehoben wie man denkt

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Kern-Streitpunkt Altersvorsorge

Doch der Eindruck täuscht ein wenig. Nicht nur, dass lediglich ein paar Hundert die Viertelmillion Euro im Jahr bekommen – und etwa zwei Drittel bekommen weniger als die Hälfte. Der – immer noch üppige Betrag – übersteigt oft die tatsächlichen Lebensverhältnisse. Das reale Einkommen ist am Ende oft deutlich niedriger – und nicht nur, weil viele Flugzeugführer in Scheidung leben, weil sie ihrem Ehepartner zu lange unterwegs waren und dabei Versuchungen nachgegeben haben, wie viele lästern. Da die Piloten für Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit zahlen müssen, entsprechen etwa die 110.000 Euro brutto eines besseren Co-Piloten am Ende nur einem Gehalt von gut 80.000 Euro.

Der noch größere Streitpunkt ist die Altersvorsorge. Für Piloten ist die körperliche Belastung höher als in anderen Jobs, wie selbst viele führende Lufthanseaten zugeben, die sich öffentlich über die Streifenhörnchen aufregen, wie die Damen und Herren im Cockpit intern wegen ihrer Rangabzeichen am Ärmel heißen.

Um die Flugzeuge und ihre Besatzung möglichst ohne große Leerzeiten zu beschäftigen, schickt die Einsatzplanung sie kreuz und quer über den Erdball. Dabei kommt es häufig vor, dass ein Pilot zunächst in Richtung Asien fliegt, wo der Tag bis zu acht Stunden früher beginnt. Nach einer Nacht vor Ort, dem Rückflug und einem Tag Erholung geht es dann gen Westen, wo der Tag acht Stunden später anfängt. Der Rückflug folgt einen Tag später. „Das ist, als wenn man zwei Mal die Woche eine Nacht durchmacht, und dann einen Tag schlecht schläft“, sagt ein Pilot. „Das geht an die Substanz.“ Darum haben die Piloten eine besonders großzügige Übergangsversorgung ab dem Zeitpunkt, an dem sie ein Fliegerarzt aus dem Cockpit holt, bis zum Beginn der offiziellen Rente.

Dazu dürfen sich weder die Lufthansa noch ihre Investoren wundern, dass die Flugzeugführer so stur sind. Es ist Teil der Ausbildung, dass sich ein Flugzeugführer im Alltag kompromisslos um Sicherheit kümmert und bestenfalls begrenzt um Dinge wie Kosten und Wirtschaftlichkeit. „Da darf es keinen überraschen, wenn den Damen und Herren Piloten die Gewinn- und Verlustrechnungen auch in Tarifverhandlungen nicht so wichtig sind“, sagt ein Pilot.

Schließlich nehmen die europäischen Fluglinien ihren Piloten die Möglichkeit, sich ihr Gehalt aufzubessern - etwa durch den Wechsel zu einer anderen Fluglinie. Wer als Pilot die Lufthansa verlässt, müsste bei Air France oder British Airways wieder als Co-Pilot anfangen. Nur wer zu einer Fluglinie am Golf oder nach Asien geht, und dabei auf Dinge wie Mitbestimmung und Kündigungsschutz verzichtet, kann weiter als Kommandant fliegen.

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