Streiks bei der Lufthansa Piloten sind nicht so abgehoben wie man denkt

Mit ihrem dreitägigen Streik bescheren die Piloten der Lufthansa den größten Ausstand der Firmen-Geschichte. Die Fronten sind verhärtet und eine Einigung ist aus mehreren Gründen schwer.

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Die Lufthansa streicht wegen des Pilotenstreiks knapp 4.000 Flüge. Quelle: dapd

Eigentlich wollte die Lufthansa in dieser Woche ihre Kunden ganz anders überraschen. Zusammen mit dem Vermarkter Disneymedia hatte der Marketing-Leiter des Lufthansa-Fluggeschäfts, Alexander Schlaubitz, eine Image-Kampagne konzipiert: Die Puppen der US-Serie Muppets sollten pünktlich zum Start ihres neuen Films am 1. Mai in den Werbesports der Fluglinie auftauchen und die Augen des Froschs Kermit sowie der Diva Miss Piggy die Schlafbrillen der Fluglinie zieren.

Die Aufmerksamkeit hat Ilja Schulz der Lufthansa erstmal verdorben. Denn seit der Präsident der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) mit seinen Kollegen in der vorigen Woche beschlossen hat, ab Mittwoch für drei Tage den Lufthansa-Flugbetrieb mit einem Streik lahm zu legen, interessiert sich kein Passagier mehr für Kermit. Alles dreht sich um Chaos an den Airports, verpasste Termine und verspätete Ferien.

Passagiere sollen früher entschädigt werden
Fluggäste in der EU sollen bei Verspätungen künftig früher entschädigt werden. Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch mit großer Mehrheit dafür, dass Passagiere bei Flügen innerhalb Europas schon nach drei Stunden ein Recht auf Erstattung haben sollen. Die EU-Kommission hatte vergangenes Jahr eine Kompensation nach fünf Stunden vorgeschlagen und wollte auch bei Langstreckenflügen großzügigere Lösungen für die Airlines durchsetzen. Airlines sollen sich nach dem Willen des Parlaments nur noch in engen Grenzen auf außergewöhnliche Umstände berufen und damit Entschädigungen abwenden können.  Die Entscheidung des Parlaments muss noch mit den EU-Staaten abgestimmt werden, die sich EU-Diplomaten zufolge in Einzelfragen ebenfalls noch nicht einig sind. Die Mitgliedsländer wollen ihre Position im Juni festzurren.  Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft kritisierte die Entscheidungen des Parlaments scharf und warnte vor Wettbewerbsnachteilen für die europäischen Airlines. „Der Beschluss wird vor allem dazu führen, dass die Fluggesellschaften die Mehrkosten wegen ihrer geringen Margen nicht selber zahlen können und daher auf die Ticketpreise aufschlagen müssen“, sagte Verbandspräsident Klaus-Peter Siegloch.Weitere Fluggast-Rechte finden Sie auf den folgenden Seiten Quelle: REUTERS
Ein Vielflieger hat den Prozess um ein aus Bonusmeilen eingelöstes Flugticket gegen die Lufthansa gewonnen. Er war demnach berechtigt, das Ticket zu verkaufen. Die Lufthansa durfte ihm folglich auch nicht seine Mitgliedschaft im Vielfliegerprogramm entziehen, entschied am Mittwoch das Oberlandesgericht Köln. Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen. Die Lufthansa hatte argumentiert, dass der Kunde das Ticket zwar an Freunde oder Verwandte hätte verschenken, nicht aber verkaufen dürfen. Dagegen hatte der Kunde geklagt. In erster Instanz gab das Landgericht Köln der Lufthansa recht, doch im Berufungsverfahren entschied das Oberlandesgericht nun in wesentlichen Punkten anders.In einem anderen Bonusmeilen-Streit hatte ein Vielflieger im Februar einen Achtungserfolg erzielt : Die Lufthansa einigte sich mit ihm darauf, Änderungen ihres Meilensystems künftig mit einem Vorlauf von drei Monaten anzukündigen.>>Weitere Informationen über das Riesengeschäft mit den Bonusmeilen finden Sie hier. Quelle: dpa
Flug verspätet, Gepäck beschädigt oder verloren gegangen? Als Fluggast in der EU genießen Passagiere bestimmte Rechte. Dabei gilt als Fluggast im Sinne der EU-Kommission, wer die EU mit einer beliebigen Fluggesellschaft verlassen oder mit einem Luftfahrtunternehmen, das in der EU (bzw. in Island, Norwegen oder der Schweiz) registriert ist, in der EU landen möchte. Quelle: dpa
Wird die Beförderung verweigert, ist der Flug überbucht oder wird annulliert, haben Flugreisende Anspruch auf eine vergleichbare alternative Beförderung an den Zielort oder die Erstattung des Flugscheins und gegebenenfalls kostenlosen Rücktransport an den Ausgangsort. Quelle: dpa
Verspätet sich der Flug um 5 Stunden oder mehr, besteht ebenfalls Anspruch auf Erstattung. Entscheidet sich der Passagier für die Erstattung, muss die Fluggesellschaft ihn jedoch nicht weiterbefördern oder weiter unterstützen. Die Fluggesellschaft muss ihre Passagiere über ihre Rechte und über den Grund der Nichtbeförderung sowie über Ausfälle oder erhebliche Verspätungen (mehr als 2 Stunden bzw. mehr als 4 Stunden bei Flugstrecken von über 3500 km) informieren. Quelle: dpa/dpaweb
Bei Stornierungen aufgrund außergewöhnlicher Umstände besteht möglicherweise kein Recht auf Entschädigung; der Fluganbieter muss jedoch die Wahl bieten zwischen: - der Erstattung des Tickets (vollständig oder für den nicht genutzten Teil), - alternativer Beförderung an den Zielort zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder - Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt nach Wahl (je nach Sitzplatzverfügbarkeit). Selbst bei außergewöhnlichen Umständen sind die Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, Passagiere bei Bedarf zu unterstützen, während sie auf eine alternative Beförderung warten. Quelle: dpa
Höhe der EntschädigungDaneben haben Passagiere bei Nichtbeförderung, Annullierung oder Ankunft am Zielflughafen (laut Flugschein) mit mehr als dreistündiger Verspätung unter Umständen Anspruch auf eine Entschädigung: - Bei Flügen innerhalb der EU: von 1500 km oder weniger = 250 Euro; von mehr mehr als 1500 km = 400 Euro. - Bei Flügen zwischen EU und einem Nicht-EU-Land: bei 1500 km oder weniger = 250 Euro; bei Flügen zwischen 1500 und 3500 km = 400 Euro; bei mehr als 3500 km = 600 Euro. Die Entfernung wird vom Startflughafen aus ermittelt, von dem der Flug nicht angetreten werden konnte. Dieser kann vom eigentlichen Ausgangspunkt der Reise abweichen. Hat die Fluggesellschaft einen Ersatzflug in einem ähnlichen Zeitraum angeboten, kann die Entschädigungszahlung gegebenenfalls um 50 Prozent verringert werden. Quelle: dpa

Wie schlimm der Streik am Ende wird, ist noch nicht absehbar. Zur Sicherheit haben die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings 3800 Flüge abgesagt. Klar ist zudem: Für die Lufthansa wird die Sache teuer. Sie verliert nicht nur die Einnahmen von fast einer halben Million Passagieren und über 200 Millionen Euro Umsatz.

Zwar brauchen die beiden Linien ihren gestrandeten Passagieren in der Regel keine Entschädigung zu zahlen, weil Streiks als höhere Gewalt gelten. Doch sie müssen die Fluggäste schnellstmöglich anderweitig ans Ziel bringen - mit dem Zug oder anderen Airlines. Das freut die Konkurrenz und vor allem die angeschlagene Air Berlin, sofern sie bei den inzwischen meist über 80 Prozent ausgelasteten Maschinen überhaupt Platz hat. Ist die Reise mehr als zwei Stunden verspätet, haben Passagiere das Recht auf Essen und Trinken und auf zwei kostenlose Telefonate, Faxe oder E-Mails. Wer in dem Chaos lieber nicht fliegen will, bekommt das Geld zurück.

Auf den ersten Blick wirkt der mit fast 4000 abgesagten Flügen wohl größte Ausstand der gut 70-jährigen Lufthansa-Geschichte wie das altbekannte Ritual. Auf der einen Seite steht ein wacker kämpfendes Unternehmen mit angespannten Finanzen. Und auf der anderen Seite ein Rudel gieriger Egoisten. Die Piloten, so eine verbreitete Lesart, wollen ihre Direktorengehälter und Privilegien wie äußerst günstige Reisen und hohe Sozialleistungen einfach nicht aufgeben. Sie fordern auch noch höhere Gehälter, selbst wenn dabei das Unternehmen und der Standort Deutschland leiden.

Kein Wunder also, dass angesichts des Frustes besonders unter den bereits mehrfach in diesem Jahr gestrandeten Passagieren viele nach dem Gesetzgeber rufen. So will der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Arnold Vaatz, das Streikrecht ändern. „Die Schäden, die ein Arbeitskampf auslöst, müssen im Verhältnis zum Anlass stehen", sagte der CDU-Politiker.

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