Streit über Nutzungsgebühr Kommt jetzt das Ende der E-Scooter in Deutschland?

Der Anbieter Bird ist bereits ausgeschieden, werden weitere E-Scooter-Verleiher folgen? Quelle: imago images

Seit dreieinhalb Jahren bevölkern E-Scooter deutsche Städte. Zuletzt zogen sich mehrere Anbieter zurück. Die übrigen Scooter-Verleiher kämpfen um Ausschreibungen und müssen mit städtischen Gebühren umgehen.

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Sie stehen oft im Weg rum oder werden auf Gehwegen gefahren: E-Scooter sorgen in Deutschlands Innenstädten immer wieder für Ärger und für Nutzungskonflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern. Andererseits nutzten 2022 fast zehn Millionen Deutsche E-Scooter-Sharing, wie eine Branchenanalyse von Statista schätzt – ein Rekord. Profitabel ist das Geschäftsmodell allerdings noch nicht. Bislang ging keiner der Anbieter in Deutschland mit schwarzen Zahlen an die Öffentlichkeit.

Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr zogen sich drei Anbieter aus deutschen Städten zurück. Zudem erhöhen mehrere Kommunen ihre Sondernutzungsgebühren für E-Scooter-Verleiher, was den ökonomischen Druck auf die junge Branche erhöht. Steht das schleichende Ende von E-Scooter-Sharing in Deutschland bevor?

Trotz Rekordwerten bei der E-Scooter-Nutzung war 2022 ein Jahr der Konsolidierung: Anfang des Jahres verließ die Ford-Tochter Spin den deutschen Markt – und wurde wenig später von Tier aufgekauft. Auch der Anbieter Bird schied im Oktober komplett aus dem deutschen Markt aus.

Beschwerden über E-Scooter gibt es vor allem in deutschen Innenstädten. Das Start-up Vianova hilft, den Wildwuchs zu stoppen. Gründer Thibault Castagne sagt: An vielen Problemen ist die Verwaltung selbst schuld.
von Steffen Ermisch

Außerdem zog sich der in Köln beheimatete Anbieter Dott aus der Domstadt zurück. Die Nachfrage leide unter der hohen Konkurrenz, hieß es. Zudem störte sich Dott an der deutlich erhöhten Sondernutzungsgebühr in Köln, die jährlich pro Scooter entrichtet werden muss. Über diese Gebühr streiten mehrere Anbieter derzeit vor Gericht mit der Stadt Köln. Und die Zeit der Konsolidierung scheint noch nicht vorbei: Branchenexperten gehen davon aus, dass auch in diesem Jahr Anbieter aus dem deutschen Markt ausscheiden oder sich durch Merger oder Zukäufe zusammenschließen werden.

Mehr Gebühren für Scooter-Verleiher

Eine Hürde für das Geschäftsmodell sind kommunale Sondernutzungsgebühren. Viele Städte haben zwar keine solche Gebühr, andere führen sie aber ein oder erhöhen sie. Sachsens Landeshauptstadt Dresden fordert die Gebühr seit vergangenem Sommer, die Höhe hängt dort unter anderem von der eingesetzten Flottengröße ab. In Nürnberg werde eine Gebühr im Laufe des Jahres eingeführt werden, die im Mittelfeld der deutschen Städte liegen werde, teilt die Stadt mit.

Ende 2021 erhöhte Düsseldorf die jährliche Gebühr pro Scooter in der Innenstadt von 20 auf 50 Euro. Für größeren Streit sorgte aber die Stadt Köln, die seit dem Sommer pro Scooter jährlich 85 bis 130 Euro verlangt – ein bundesweiter Höchstwert. Pikant daran: Verleiher von Fahrrädern müssen nur 10 Euro pro Fahrzeug bezahlen.




Mehrere Scooter-Verleiher sahen sich zu Unrecht diskriminiert und verklagten die Stadt Köln vor dem dortigen Verwaltungsgericht. Die Gebühr liege nicht nur dreizehn Mal höher als die für Fahrräder, sondern auch um ein Vielfaches über dem Preis eines Autostellplatzes – trotz des geringeren Platzbedarfs.

Niederlage vor Kölner Gericht

Doch in der ersten Instanz gewann die Stadt Mitte Januar. Das Verwaltungsgericht urteilte, die unterschiedlichen Gebühren für Scooter und Leihräder seien zulässig. Der Unterschied sei unter anderem damit zu begründen, dass die elektrischen Tretroller deutlich öfter Rad- und Gehwege blockieren würden.

Der für seine E-Roller bekannte Anbieter kauft das Leipziger Unternehmen. Tier verspricht sich davon unter anderem gute Kontakte in die Stadtverwaltungen.
von Christoph Kapalschinski

Tier-Deutschlandchef Philipp Haas ist Fan des 1. FC Köln und hält eine Kaffeetasse des Klubs in der Hand, als er sagt: „Mir hat im Gerichtssaal das Herz geblutet.“ In Köln sei ein Miteinander auf Augenhöhe nicht mehr gegeben, so Haas. Mit einer Flottengröße von knapp 80.000 E-Scootern ist Tier derzeit Marktführer in Deutschland. 35 Millionen Mal wurden die Scooter des Unternehmens 2022 in Deutschland ausgeliehen, teilt die Firma mit. Tier ist in mehr als 100 deutschen Städten aktiv. Nach dem Urteil hieß es, Tier halte sich die Option eines Abzugs aus Köln offen.

Auch Tim Schäfer, Sprecher des schwedischen Konkurrenten Voi, kritisiert das Urteil: Es sei „ein Sieg fürs Auto, nicht für die Mobilität in der Innenstadt“. Die Scooter-Anbieter erwägen derzeit, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen. Noch liegt die schriftliche Urteilsbegründung nicht vor. In jedem Fall ist es eine herbe Niederlage für die Scooter-Verleiher. Und womöglich könnten weitere Städte Gebühren einführen oder erhöhen.

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