Streit um ARD und ZDF N-tv-Chef: „Wir brauchen mehr Luft zum Atmen“

Hans Demmel, Jahrgang 1956, ist seit September 2007 Geschäftsführer der ntv Nachrichtenfernsehen GmbH. Quelle: Presse

Hans Demmel, Chef des Nachrichtensenders n-tv, fordert von der Politik, ARD und ZDF auf einen Kern zu reduzieren und kritisiert, dass Facebook und Google mit Gebührengeld gefördert werden.

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WirtschaftsWoche: Herr Demmel, als Vertreter der Privatsender und Chef von n-tv ist es ja klar, dass Sie etwas gegen ARD und ZDF haben müssen, die machen Ihnen Konkurrenz. Ist das gerade wieder lauter werdende Klagen über die öffentlich-rechtlichen Sender daher nicht eher eine Art Ritual?
Hans Demmel: Ja, es stimmt, dass ADR und ZDF uns schon lange Konkurrenz machen. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung, wir haben ein duales Rundfunksystem, und das hat sich im Wesentlichen auch bewährt. Deutschland hat heute sicher das beste Fernsehprogramm der Welt, ein so vielfältiges und gut gemachtes Programm im frei empfangbaren Fernsehen finden Sie sonst nirgends.

Wo ist dann das Problem?
In den vergangenen beiden Jahren sind viele neue Dinge hinzugekommen, die uns als privatfinanzierte Sender nachhaltig beunruhigen und die mit dem Klein-klein von früher und „Ritualen“ nichts mehr zu tun haben. Tatsächlich hat der Ausweitungswille der öffentlich-rechtlichen in alle digitalen publizistischen Wege in den vergangenen beiden Jahren massiv zugenommen, wir erleben dort ein konstantes Draufsatteln.

ARD und ZDF sagen, sie hätten nun einmal eine Entwicklungsgarantie des Bundesverfassungsgerichts und müssten sich so aufstellen, dass man sie auch in Zukunft auf allen Kanälen noch findet?
Ja, und entsprechend breiten sie sich aus. Tatsächlich braucht es dringend eine komplette Bestandsaufnahme der ganzen Breite des Angebots, das ARD und ZDF mittlerweile auffahren. Ich bin nicht sicher, ob es allen so klar ist, aber die öffentlich-rechtlichen Anstalten betreiben nicht mehr nur mehr als 20 Fernsehsender, die praktisch alles abdecken und die trotzdem – anders als wir Privaten – nur noch sehr begrenzt junge Menschen erreichen. Dazu kommen inzwischen schon mehr als 70 Hörfunkprogramme, die sich zum Teil nicht einen Deut vom Angebot der Privatsender unterscheiden. Und in jüngere Zeit starten sie einen Online-Auftritt nach dem anderen. Mittlerweile sind sie bei einer dreistelligen Zahl von Netzangeboten angekommen. Ich habe mir die vollständige Liste einmal ausdrucken lassen – das waren zwölf DIN A4-Seiten!

Sie doch aber auf hohem Niveau – RTL und ProSieben Sat.1 sind profitabel, beide Gruppen investieren ebenfalls im Internet und bauen gerade ihre Online-Portale um und aus. Fürchten Sie nicht bloß die Konkurrenz?
Was heißt fürchten? Es geht darum, eine vernünftige Balance zu erhalten zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und privaten.

Weil also auf mittlere Sicht die Werbeeinahmen bei den Privatsendern zurückgehen, soll die Politik auch ARD und ZDF zurechtstutzen?
Das ist eine zu einfache Lesart. Man muss doch das ganze Bild sehen. Schon in wenigen Jahren werden wir hierzulande auch beim Thema Bewegtbild auf der einen Seite US-Giganten wie Facebook und YouTube haben mit ihren gewaltigen finanziellen Mitteln. Und auf der anderen Seite wuchert ein eh schon überbordendes öffentlich-rechtliches Angebot auf allen Übertragungswegen. Und zwischen diesen Blöcken stecken die Privatsender, die drohen, zerrieben zu werden, wenn hier nicht eine gestaltende Ordnungspolitik für faire Rahmenbeingen sorgt. Vor wenigen Wochen erst ist der Musiksender Viva eingestellt worden. Wenn das so weitergeht, ist zu befürchten, dass dies nicht der einzige Kanal bleibt, dem Sendeschluss droht. All das geht am Ende zu Lasten der Verbraucher, denen nicht mehr die großartige Vielfalt an Angeboten, die heute den deutschen Medienmarkt ausmacht, zur Verfügung stehen würde.

Wie gesagt, noch ist das eine Klage auf recht hohem Niveau – und Facebook und YouTube werden sich davon nicht aufhalten lassen.
Im Gegenteil: Tatsächlich werden doch ausgerechnet die beitragsfinanzierten Sender explizit ermächtigt, genau hier weitere originäre Inhalte anzubieten. Google & Co. ziehen schon heute rund fünf Milliarden Euro Werbegelder aus dem deutschen Markt, ohne sie sie andere Unternehmen hier zu versteuern. Das müssen wir nicht Geldern der Beitragszahler befeuern. Und auch im Verhältnis zu diesen Plattformen brauchen wir neue Regelungen: So sollte die Auffindbarkeit und der Zugang von Rundfunkangeboten sichergestellt werden und der Zugang zu Daten, die von den Plattformen auf unseren eigenen Programmen und Angeboten generiert werden. Wir brauchen als Privatsender mehr Luft zum Atmen. Deshalb fordern wir von der Politik, dass sie den Auftrag von ARD und ZDF endlich neu so definiert und schärft, dass wir endlich zu einer Reduzierung des Angebots kommen. Man muss das politisch natürlich differenziert betrachten. Aber warum gelingt es in so unterschiedlichen Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden, in Österreich und Dänemark, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sparen und hierzulande nicht?

Weil Rundfunk in Deutschland Ländersache ist, und die Bundesländer sich nicht einig werden?
Das ist so, ja. Aber auch den Ländern muss doch klar sein, dass am Ende auch ARD und ZDF davon profitieren und an Akzeptanz gewinnen würden, wenn sie sich auf den Kern des Öffentlich-Rechtlichen konzentrieren, auf die Ursprungsidee zurückgehen, nämlich auf Bildung, Information und Kultur. Wir fordern, dass diese Inhalte 75 Prozent des Angebots und der Budgetverwendung ausmachen sollen. Stattdessen erleben wir ein solches Ausufern in die Unterhaltung auf allen Kanälen, im Fernsehen im Radio und in allen Zukunftskanälen.

Übertreiben Sie es nicht ein wenig?
Nein – nehmen Sie doch allein die Krimis bei ARD und ZDF – es gibt mittlerweile Ermittler in Kitzbühel, Starnberg und Rosenheim, es würden sich noch Miesbach, Ulm und Regensburg anbieten! Eines Tages werde ich Alexa fragen: Was gibt es heute in der ARD außer Krimis – und dann wird da Schweigen herrschen.

Sie haben die Politik angesprochen – wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Im Radio, bei den Hörfunkprogrammen. Allein beim Bayerischen Rundfunk gibt es mittlerweile zehn Radiosender, darunter der Kanal BR Heimat, der im Wesentlichen Blasmusik sendet. Und mich wundert immer wieder, warum es bundesweit eigentlich gleich mehrere öffentlich-rechtliche Klassiksender geben muss. Da gäbe es sicher Ansätze zum Sparen. Und das gilt auch für die mehr als 70 öffentlich-rechtlichen Radioprogramme – mir will nicht in den Kopf, warum es dort angeblich keine Einsparpotenziale oder Optionen für Zusammenarbeit gibt.

ARD und ZDF haben nun ihre eigenen Sparpläne aufgestellt, und die Länder wollen sie dazu bringen, bei der Anmeldung für die nächste Gebührenperiode nicht zu viel Geld zu verlangen – haben Sie Hoffnung, dass daraus etwas wird?
Wir haben mit den ersten Vorschlägen von ARD und ZDF erlebt, dass der Apell an Freiwilligkeit nicht funktioniert. Hier gab es keine signifikanten Einsparvorschläge, sondern vor allem ellenlange Erklärungen, warum die Welt einen so breit aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht. Da ARD und ZDF sich nicht im Markt refinanzieren müssen, sondern ein subventioniertes System sind, müssen Einsparungen von denjenigen vorgegeben werden, die ihren Auftrag und ihre Finanzausstattung politisch verantworten. 

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