




Wie wichtig wäre Pofalla für die Bahn?
Sehr wichtig. Die Deutsche Bahn steht derzeit in Berlin und Brüssel heftig unter Druck. Vor allem die Europäische Kommission versucht seit Jahren, einen Keil zwischen das Schienennetz und den Transportgesellschaften zu treiben. Derzeit verdient die Bahn-Holding Geld mit dem Betrieb der Gleise und der Bahnhöfe sowie dem Geschäft mit der Bahnstromversorgung. Die Kommission ist aber der Ansicht, dass das Modell des integrierten Konzerns Wettbewerb verhindert und Konkurrenten diskriminiert. Um eine stärkere Trennung durchzusetzen, hat die Kommission einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Das vierte Eisenbahnpaket sieht vor, die Finanzströme zwischen Infrastrukturgesellschaften und Transportgesellschaften zu kappen.
Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hat den Vorschlägen kurz vor Weihnachten in weiten Teilen zugestimmt. Weil das Paket noch vom EP und den Verkehrsministern der EU-Staaten abgesegnet werden muss, bliebe einem Chef-Lobbyisten Pofalla noch genügend Zeit, die beabsichtigte Trennung von Netz und Betrieb zu verhindern. Für die Deutsche Bahn geht es also um die Zukunft der Konzernstruktur und damit ihre finanzielle Stabilität. Einer wie Pofalla könnte richtig wichtig sein.
Denn auch in Berlin droht Ungemach. Im Juni scheiterte im Bundesrat zwar eine Novelle des Eisenbahnregulierungsgesetzes, die die Bundesnetzagentur als Kontrollinstanz stärken sollte. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird das Papier bald wieder aus der Schublade ziehen. Pofalla würde auch hier versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
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Muss ein Chef-Lobbyist Vorstand sein?
Nein. Der bisherige Chef-Lobbyist Georg Brunnhuber gehört nicht dem Vorstand an. Er leitet die Abteilung Wirtschaft, Politik und Regulierung und berichtet direkt an Bahnchef Rüdiger Grube. Seit 2011 zieht er die politischen Fäden für den Konzern, hält Kontakt zum Bundestag und nach Brüssel. Zuvor war Brunnhuber Aufsichtsratsmitglied bei der Bahn.
Allerdings übernimmt Grube einen Großteil der politischen Lobbyarbeit selbst. Er trifft sich jedes Jahr mit den Landesgruppen der im Bundestag vertretenen Parteien, mit Parlamentariern in Straßburg und Vertretern der EU-Kommission. Grube entschied sich bei seinem Amtsantritt 2009 dafür, die Lobby-Arbeit in Personalunion selbst zu erledigen. Bis dahin hatte es einen Lobby-Vorstand bei der Deutschen Bahn gegeben. Otto Wiesheu (CSU), früherer Verkehrsminister in Bayern, gehörte dem obersten Managementgremium von 2006 bis 2009 als Chef-Lobbyist an. Eine Regel, dass der Chef-Lobbyist auch den Rang eines Vorstands erhalten muss, gibt es aber nicht.
Ärger entzündet sich vor allem an dem Wunsch Grubes, einen zusätzlichen Vorstandsposten zu schaffen. Die Arbeitnehmervertreter kritisieren scharf, dass der Vorstand dadurch aufgebläht würde. Stattdessen war in der Vergangenheit in der Diskussion, den Geschäftsbereich von Compliance-Vorstand Gerd Becht mit der politischen Lobby-Arbeit aufzuwerten, sobald der derzeitige Lobby-Chef Brunnhuber Mitte dieses Jahres in Rente geht. Doch darauf konnte sich der Aufsichtsrat nicht einigen.
Wer hat ein Interesse daran, Pofallas Wechsel zu verhindern?





Wie intensiv hat sich Pofalla bei politischen Entscheidungen bereits für die Bahn stark gemacht?
Er war auf jeden Fall an wichtigen Themen beteiligt. So soll Pofalla nach Medienberichten etwa versucht haben, eine Novelle des Eisenbahnregulierungsgesetzes zu stoppen. Zwar gelang ihm das nicht wirklich, der Bundestag beschloss die Novelle. Dafür scheiterte die Gesetzgebung später nach politischer Einflussnahme durch Bahnchef Grube im Bundesrat.
Zudem war Pofalla maßgeblich für die Suche nach einem neuen Aufsichtsratschef verantwortlich. Laut der Zeitung „Die Welt“ soll Pofalla die Personalie Felcht 2010 gegen Wiederstände des damaligen Koalitionspartners FDP durchgesetzt haben. Darüber hinaus ist Pofalla mit der Bahn eher sporadisch in Kontakt gekommen. Vor 2009 war er Projektbeirat der DB Netz AG, als Abgeordneter für den Wahlkreis Kleve kümmerte er sich laut spiegel.de auch um Details von Lärmschutz und Bahnübergängen der "Betuwe-Linie" - des 1,5 Milliarden Euro teuren Anschlusses für die niederländische Güterbahn vom Hafen Rotterdam ins Ruhrgebiet.
Wer hat ein Interesse daran, Pofallas Wechsel zu verhindern?
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Das ist eine spannende Frage. Vielleicht ist es besser, zunächst danach zu fragen, wem ein Wechsel gelegen käme. Im Aufsichtsrat entzündet sich Kritik eigentlich nur an einem zusätzlichen Vorstandsposten, weniger an der Personalie Pofalla per se. Vor allem bei den Vertretern der Eigentümerseite gibt es eher Zustimmung für einen Chef-Lobbyisten wie Pofalla. Die Kontrolleure begrüßen, dass ein politischer Vollprofi künftig mit der Aufgabe befasst werden könnte, die drohenden Zerschlagungsavancen der EU-Kommission zu bekämpfen – aus Unternehmenssicht ist das ein Schreckensszenario. Auch auf der Arbeitnehmerseite hält sich die Kritik an einem neuen Chef-Lobbyisten in Grenzen. Sie wird eher von den Medien aufgebauscht. So fordert die Eisenbahnergewerkschaft EVG zwar, Bund und Bahn-Vorstand müssten sich erklären, welche Ziele sie mit einer Personalie Pofalla verfolgen würden. Aber Fundamentalopposition sieht anders aus, wohl wissend, dass auch einer wie Pofalla sich für den integrierten Konzern ins Zeug legen würde. Daran haben mit Ausnahme der Lokführergewerkschaft GDL alle ein Interesse. Und die GDL bemängelte lediglich das fehlende Eisenbahner-Know-how Pofallas, nicht aber den fehlenden Nutzen eines Lobbyisten.
Offener Widerstand gegen Pofalla ist daher eigentlich nicht wirklich erkennbar. Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht ließ per Pressemeldung am vergangenen Sonntag mitteilen, dass über eine Erweiterung des Vorstands bislang nicht diskutiert wurde. Das spricht per se aber ebenfalls nicht gegen Pofalla, sondern dürfte eher als Kritik an Bahnchef Grube gewertet werden, den Aufsichtsrat nicht rechtzeitig informiert zu haben.
Welches Licht wirft die Diskussion auf den Aufsichtsrat?
Die Kritik der Kontrolleure richtet sich wohl vor allem an Bahnchef Grube. Sie fühlen sich offenbar nicht ausreichend und rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Vor diesem Hintergrund sind wohl auch die Indiskretionen zu erklären, über die das Handelsblatt berichtete. „Grubes Debakel“ titelte das Blatt in ihrer Dienstag-Ausgabe. Doch was dann folgte, wirft vor allem ein schlechtes Licht auf den Aufsichtsrat, insbesondere den Personalausschuss mit seinen vier Mitgliedern Utz-Hellmuth Felcht (Aufsichtsratsvorsitzender), Michael Odenwald (Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium), Alexander Kirchner (EVG-Chef) und Jens Schwarz (Konzernbetriebsratsvorsitzender). Sie verantworten die Details der Vorstandsverträge und damit auch die Kriterien, nach denen sich die Höhe der Boni bemisst.
Das Ergebnis ist wenig schmeichelhaft für die Herren Kontrolleure. So soll ein Viertel des Erfolgsbonus von Grube in Höhe von einer Millionen Euro davon abhängen, wie erfolgreich der Bahn-Chef sich in Berlin und Brüssel für die Interessen des Staatskonzerns einsetzt. Die Zielvereinbarung sieht aber nur vor, dass der Bahnchef „zehn persönliche Empfänge von Landesgruppen der im Bundestag vertretenen Parteien“ absolvieren muss oder „mindestens vier parlamentarische Runden“ mit EU-Vertretern. Anwesenheitspflicht statt Erfolgscheck – da dürfte jeder Arbeitnehmer, sollte er denn Boni-Vereinbarungen mit seinem Vorgesetzten getroffen haben, schwierigere Aufgaben erfüllen müssen.
Auch bei den anderen Vorständen lesen sich die Zielvereinbarungen laut Handelsblatt wie „das Bonus-Paradies der Bahn“. Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer muss sich mit Bezug auf Stuttgart 21 um „intensive Kommunikation mit den Projektpartnern, der Geschäftsführung und dem Beirat der Projektgesellschaft“ kümmern. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Kefer bekam 2012 insgesamt 587.000 Euro als variable Tantieme ausbezahlt, weil er – wie übrigens alle anderen Vorstände auch – seine Ziele übererfüllte.
Süffisant listet das Handelsblatt weitere lächerliche Zielvereinbarungen auf. So heißt es wortwörtlich: „Noch absurder wird es bei der neuen Technik-Frau im Vorstand, Heike Hanagarth. In ihren Zuständigkeitsbereich fallen 300 ICX-Züge, die ab 2017 zunächst die IC- und EC-Züge, später die ICE1- und ICE2-Züge ersetzen sollen. Es ist einer der größten Aufträge, die die Bahn je vergeben hat. Damit Hanagarth ihr individuelles, an diese Entwicklung gekoppeltes Ziel erreicht, muss sie lediglich vier Projektsitzungen zu dem Thema abhalten - und obendrein ‚ein Top-Level-Meeting Siemens DB‘. Für ihr zweites individuelles Ziel muss sie die Beteiligung der Bahn am EU-Projekt ‚Shift to Rail‘ konzipieren, außerdem soll sie Hochschulkooperationen im Bereich Technologie konzipieren und umsetzen.“
Dis Diskussion um Pofalla offenbart also inzwischen auch Details über das peinliche Kontrollgebaren der Aufsichtsräte.
Wird Pofalla Chef-Lobbyist der Bahn?





Was verdient ein Bahn-Vorstand?
Der gesamte Bahn-Vorstand verdiente 2012 zusammen 8,7 Millionen Euro. Top-Verdiener war und ist natürlich Rüdiger Grube. Er bekam 2012 knapp 2,7 Millionen Euro zugeteilt. Die Kollegen kassierten 2012 von 1,2 Millionen Euro (Finanzvorstand Richard Lutz) bis 1,8 Millionen Euro (Compliance-Vorstand Gerd Becht und Personalvorstand Ulrich Weber). Die Vergütung setzt sich aus einem festen und einem variablen Bestandteil zusammen. Der feste Bestandteil macht bei Grube ein Drittel aus, bei den anderen Vorständen mehr als die Hälfte.
Vor allem an den Boni entlädt sich Kritik. Öffentlichkeitswirksam brüstete sich die Deutsche Bahn vor ein paar Jahren damit, dass die Boni künftig auch von der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und den Kunden abhängt. Damit wollte der Konzern zeigen, dass ihm das Brot- und Buttergeschäft wirklich am Herzen liegt. Doch soweit kann es damit nicht sein. Das Handelsblatt entlarvt die Zielvereinbarungen als zahnlose Tiger. So muss die Kundenzufriedenheit, die von externen Prüfern gemessen wird, nur um ein Zehntelpunkt steigen, damit die Manager ihr Ziel erreichen. Das ist so gut wie keine Leistungsverbesserung.
Warum ist von der SPD keine Kritik am CDU-Mann Pofalla zu hören?
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Es ist durchaus erstaunlich, dass von den Genossen wenig Kritik zu hören ist. Doch dafür gibt es Gründe. Zum einen hat die große Koalition gerade erst begonnen, die SPD will jetzt offenbar nicht den Störenfried abgeben. Entscheidender dürfte allerdings ein zweiter Aspekt sein: Die SPD war seit jeher ein Verfechter des integrierten Konzerns. Würde die Partei an der Demontage von Pofallas geplantem Wechsel mitarbeiten, würde sie den Arbeitnehmern inhaltlich keinen Gefallen tun. Schließlich ist Pofalla Polit-Profi und als solcher durchaus in der Lage, den Bestrebungen aus Brüssel, den Konzern zu spalten, den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Wie viel hat Grube falsch gemacht?
Einiges. Der Bahnchef hat es offensichtlich versäumt, seinen Wunschkandidaten Pofalla frühzeitig bei den Aufsichtsräten ins Gespräch zu bringen. Dass der Aufsichtsratschef Felcht höchstpersönlich eine Pressemitteilung zu dem Thema aussendete, in der er die Aussichten eines zusätzlichen Bahn-Vorstands in Frage stellt, ist ein ungewöhnlicher Vorgang und zeigt, dass Grube wenig Fingerspitzengfühl gezeigt hat. Andererseits kann man ihm aber auch keinen Vorwurf machen, dass er grundsätzlich einen Nachfolger für den ausscheidenden Chef-Lobbyisten Brunnhuber ins Gespräch gebracht hat. Der 66-jährige Brunnhuber geht Mitte dieses Jahres in Rente. Ein Nachfolger wird dringend gebraucht. Zudem ist den Kontrolleuren klar gewesen, dass die Arbeitsbelastung für Grube durch politische Lobbyarbeit in der Vergangenheit äußerst hoch gewesen ist.
Unterliegen Politiker Wartefristen, ehe sie in die Wirtschaft wechseln dürfen?
Nein. Zwar unterliegen Manager oft nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, die in ihrem Arbeitsvertrag im Detail regeln, wann und wohin sie wechseln dürfen. Beispielsweise welche Branche für sie erst mal tabu ist. Zum Ausgleich muss der Ex-Arbeitgeber dafür dann aber mindestens die Hälfte des Gehalts so lange weiter zahlen, bis die Frist – maximal zwei Jahre – abgelaufen ist. So etwas gibt es für Politiker nicht. Ganz abgesehen davon, dass sämtliche Details völlig unklar wären: wer gegebenenfalls wie viel und wie lange fürs Nichtstun eines Politikers bezahlen muss.
Wird Pofalla Chef-Lobbyist der Bahn?
Trotz aller Kritik: ein Wechsel des CDU-Politikers zur Bahn bleibt durchaus wahrscheinlich. Die Kritik gegen Pofalla entzündet sich eher an der Art und Weise, wie er plötzlich als Chef-Lobbyist ins Spiel gebracht wurde. Inhaltlich ist eine Fundamentalopposition nicht erkennbar. Möglich ist aber auch, dass Pofalla nicht in den Rang eines Vorstandes gehoben wird. Stattdessen wäre auch eine Art Sonderbevollmächtigter denkbar – mit zahlreichen Befugnissen und einem Millionengehalt.