




Die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat gehen auf Abstand zu S21. Nach Informationen der “Stuttgarter Zeitung” sehen die Kontrolleure das Projekt inzwischen kritisch. “Die Argumente, eine weitere Finanzierung nicht abzulehnen, sind zu schwach”, heißt es in einem internen Dossier des Verkehrsministeriums. Der Bund als Eigentümer der Bahn sehe “derzeit keine ausreichende Grundlage” für eine Zustimmung zum Vorschlag von Bahnchef Rüdiger Grube, das Milliardenprojekt weiterzuführen.
Die Kritik kommt pünktlich zur heute stattfindenden Sitzung des Kontrollgremiums. Technik- und Infrastrukturvorstand Volker Kefer wird einem Teil der Aufsichtsräte erläutern, warum die Kosten gestiegen sind und welche Risiken sich weiter hinter dem Bau verbergen. Die anderen Aufsichtsräte werden in den kommenden Tagen informiert. Die Deutsche Bahn teilte dem Aufsichtsrat bereits im Dezember mit, dass der auf 4,5 Milliarden Euro angesetzte Bau mindestens 1,1 Milliarden Euro teurer wird – wahrscheinlich sogar um 2,3 Milliarden Euro.
Doch ein Baustopp ist trotz der Mehrkosten aus drei Gründen unwahrscheinlich.
1. Der Wahlkampf hat begonnen Die Zweifel der drei Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat dürften vor allem politisch motiviert sein. Unter ihnen sind verbeamtete Staatssekretäre mit Parteibuch. Michael Odenwald etwa aus dem Bundesverkehrsministerium ist CDU-Mitglied, Bernhard Heitzer aus dem Wirtschaftsministerium gehört der FDP an. Im September dieses Jahres findet die Bundestagswahl statt. Es dürfte den Wählern kaum zu vermitteln sein, warum der Bund ein milliardenteures Prestigeprojekt in Stuttgart fördert, während anderswo Straßen aufplatzen und sozialer Wohnungsbau knapp ist.
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Durch Kritik an S21 bleibt zumindest der Schein gewahrt, man tue alles, um die Belastung für den Steuerzahler gering zu halten. Ohnehin müssen sich die Aufsichtsräte die Frage gefallen lassen, warum sie die Deutsche Bahn erst jetzt mit einem Fragenkatalog bombardiert haben. Das hätten sie schon vor einem Jahr tun können. Denn Aufsichtsräte dürfen jederzeit Fragen stellen – und müssen dies auch.
2. Der Bund will Kosten abwälzen Anders als bei Neubaustrecken (NBS) auf der Schiene steht der Bund nicht als Einziger in der Finanzierungspflicht. Würde beispielsweise die 2,9 Milliarden Euro teure NBS von Wendlingen nach Ulm teurer, so würde der Bund die Mehrkosten tragen. Die Strecke ist zwar Teil des erweiterten Projekts S21 und wird von Bund und Land finanziert. Doch Kostensteigerungen des Projekts, die sich im Laufe der Bauzeit etwa durch Preissteigerungen ergeben können, werden ausschließlich vom Bund getragen. So ist es klar geregelt. Beim Bahnhofsbau hingegen gibt es keine Vereinbarung darüber, wer die Mehrkosten trägt. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart schließen eine Beteiligung kategorisch aus. Über die Kritik der Bundes-Vertreter im Aufsichtsrat will sich nun offenbar auch der Bund in eine bessere Verhandlungsposition manövrieren. Geld gibt es eben nicht zu verschenken.
3. Offizielles Nein der Bundesregierung Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) weilt derzeit im fernen Irak, wo er deutschen Unternehmen die Tür öffnen will. Doch von einer Abkehr des Bundes will er nichts wissen. Auf Nachfrage der WirtschaftsWoche sagte er: Von zusätzlichen Mitteln des Bundes könne “keine Rede sein”. Mehr als 550 Millionen Euro investiert der Bund ohnehin in den Umbau. “Die Finanzzusage hat mein Vorgänger gegeben”, sagte Ramsauer. Und fügte hinzu: “Der Bund steht zu Stuttgart 21.” Den internen Vermerk sieht der Minister offenbar noch nicht als Entscheidungsgrundlage.
“Es handelt sich um Einzelmeinungen aus den Unteren Ebenen meines Ministeriums”, sagte er der WirtschaftsWoche. Unter Druck gerät dadurch vor allem die Deutsche Bahn. Denn angesichts guter Geschäftszahlen und zu erwartend hoher Gewinne ist nicht auszuschließen, dass die 100-prozentige Tochter die Finanzierung der Mehrkosten schultert, etwa indem sie ihre Schulden von rund 17 Milliarden Euro weiter erhöht.