Syrienexkursion mit Reinhold Würth Die Gräber von Qatna

Der schwäbische Kunstsammler, Kultursponsor und Schraubenfabrikant Reinhold Würth ist in Syrien unterwegs. Dort will er sich ein Bild von Ausgrabungen machen, deren bisherige Entdeckungen im Herbst in Stuttgart gezeigt werden. WirtschaftsWoche-Reporter Christopher Schwarz hat den Unternehmer begleitet.

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Im Privatjet von Reinhold Würth Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Damaskus, 19. Juli, Sonntagnachmittag, 36 Grad im Schatten, ein für syrische Verhältnisse wohltemperierter Tag. Ein Blick aus dem zwölften Stock des Four Seasons im Stadtzentrum auf das Häusergewimmel, das hinter den spiegelglatten Hochhäusern die Berghänge hinaufkriecht, an manchen Stellen fast bis zum Kamm. Damaskus, nicht nur die älteste Stadtgründung im Vorderen Orient, auch die am längsten ununterbrochen bewohnte Siedlung der Welt sei in einen Talkessel gebaut, sagt unser syrischer Guide auf dem Weg vom Flughafen in die City,  „wie in Stuttgart“ -  wo der Tag begonnen hat.

Stuttgart, General Aviation Terminal, 8 Uhr. Abflug mit einer dreistrahligen Falcon 900, Höchstgeschwindigkeit etwa 900 Km/h. Im Cockpit zwischen Steuerknüppel, Navigationscomputern und diversen Drück- und Kippschaltern der Unternehmer, Kunstsammler, Kultursponsor und Pilot Reinhold Würth. Der 74-Jährige ist seit Jahrzehnten mit dem Privatjet unterwegs. Seine Flugerfahrung: Insgesamt 5300 Flugstunden. „Das sind auf Wochenarbeitsstunden umgerechnet zwei Jahre in der Luft“, sagt Würth. Was für ihn den Reiz der Fliegerei ausmache? Die „Beherrschung des Geräts“. Ein Jet sei etwas anderes als ein Segelflugzeug, wo man tun müsse, was der Wind will. Gewiss, das Freiheitsgefühl verliere sich mit der Zeit, das meiste sei Routine. Trotzdem, jeder Flug sei anders. Vom Wetter her, von den Wolken. Der Flug nach Damaskus ist für ihn Premiere. Er war schon oft im Nahen Osten, in Israel, Ägypten und in den Emiraten. In Damaskus war er noch nie. Mit an Bord: seine Frau Carmen, seine Tochter Marion, der Rektor der Uni Tübingen Bernd Engler und die Chefin des Landesmuseums Württemberg Cornelia Ewigleben.

Würth leitet die „Gesellschaft zur Förderung des Landesmuseums“. Er ist Hauptsponsor der Ausstellung, die Mitte Oktober in Stuttgart unter dem Titel „Schätze des Alten Syriens – die Entdeckung des Königreichs Qatna“ präsentiert wird:  mehr als 400 Exponate, wertvolle Schmuckstücke, Keramiken, Tontafeln  und Statuen, die meisten davon Grabbeigaben, die der Tübinger Archäologe Peter Pfälzner in den vergangenen Jahren in der 200 Kilometer nördlich von Damaskus  gelegenen früheren Königsstadt entdeckt hat. Eine Sensation, denn der vor 3800 Jahren erbaute monumentale Königspalast birgt nicht nur einen der größten Thronsäle der Zeit, sondern auch eine gut erhaltene Königsgruft, die Zeugnis gibt vom Totenkult im Alten Syrien. Das hat es seit der Entdeckung des Grabs von Tutanchamun nicht mehr gegeben: eine unberührte, unberaubte Herrschergruft, in der, wie Essensreste in Form von Tierknochen zeigen, die Lebenden mit den Verstorbenen zu Tisch saßen.

Reinhold Würth will sich vor Ort ein Bild von den Ausgrabungen machen. Vier Stunden sind für den Flug vorgesehen, es werden nur dreieinhalb sein, vor allem wegen des Rückenwinds und der Flughöhe von zwölftausend Metern, in der die Triebwerke wegen der Kälte effizienter arbeiten. Es geht schnurgerade Richtung Syrien, über Kroatien und die türkische Ägäis nach Damaskus, über eine grau-braune Wüstenlandschaft, wo einst die Wiege der Menschheit war, die Landschaft blühte, bevor die Römer die Wälder abholzten. Gegen ein Uhr wird der Flughafen von Damaskus sichtbar, die Maschine rüttelt beim Anflug, dann eine weiche Landung. In der VIP-Lounge wird Orangensaft gereicht zu Häupten des früheren Staatschefs Assad. Danach die Passkontrolle. Die Zollbeamten beugen sich gewissenhaft über die mitgebrachten Geräte. Gleich ein halbes Dutzend von Mitarbeitern begutachtet argwöhnisch ein Kurzwellenradio, das Reinhold Würth mitgebracht hat; er lässt es wieder zum Flugzeug zurückbringen.

Mit dem Unternehmer Reinhold Würth in Damaskus Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Dann geht es mit dem Bus Richtung Hauptstadt. „Benehmen Sie sich wie zu Hause“, rät unser Guide. Syrien sei zwar immer noch Dritte Welt, hier gebe es nicht einmal eine Börse, aber ein halbwegs moderner, sicherer, säkularer Staat. Vieles sei möglich: Es gebe westlich und traditionell muslimisch gekleidete Frauen.

15 Uhr. Im Suk von Damaskus, der in seiner geradlinigen Anlage dem römischen Grundriss folgt, fallen vor allem die schwarz gewandeten Frauen auf: schiitische Pilgerinnen aus dem Iran, die das Grabmal des Prophetenenkels Hussein in der Omajaden-Moschee besuchen. Sie stammt aus dem frühen 8. Jahrhundert nach Christus. Ihr Eingangstor ist klassische römische Architektur. Semitische, römische, christliche und osmanische Schichten überlagern einander. So ruht ein Minarett wie selbstverständlich auf einem römischen Eckpfeiler. Im Inneren wird neben dem Marmorschrein mit dem  Haupt Johannes des Täufers ein Schrein mit Reliquien des heiligen Imams Hussein verehrt. Die Pilger streichen mit ihren Händen über die Metallrahmen der Schreine. Sie unterhalten sich. Keine andächtige Stille. Es herrscht Leben, ein geschäftiges Hin und Her. Die Moschee ist Gebetsstätte, Schlafraum und Kinderspielplatz.

Reinhold Würth fühlt sich im Innenhof mit seinen Türmen, Bogengängen und Mosaiken an den Markusplatz in Venedig erinnert. Und tatsächlich sind es fließende italienische Landschaften, grün wie der Garten Eden, die als Mosaik auf die Fassaden gezaubert wurden, in unmittelbarer Nachbarschaft klassisch-arabischer Ornamentik. Noch auf einen Sprung zum Grab Saladins, des Befreiers Jerusalems, der gegen die Kreuzfahrer kämpfte und für religiöse Toleranz stritt. Neben einem Marmorsarkophag, den Kaiser Wilhelm II. bei seinem Staatsbesuch 1898 spendierte, ein mit einem grünen Tuch verhüllter Holzsarkophag, wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert, an den Wänden türkische Fayencen. Dann geht es durch den Suk der Goldschmiede und Gewürzhändler, wo Muslime und Christen ihre Läden haben, dazwischen armenische Geschäfte, der älteste Hamam von Damaskus und die große Karawanserei von 1510, wo sich einst die Händler aus Mesopotamien, Indien und dem Mittelmeerraum trafen.

19.30 Uhr. Es ist Abend geworden, immer noch sehr warm, über dreißig Grad. Unsere kleine Karawane, vorneweg der Herr mit dem weißen Hut und der zierlichen dunkelhaarigen Dame an seiner Seite, Reinhold und Carmen Würth, zieht Richtung Restaurant. Auf der Terrasse weht ein angenehm lauer Luft. Nicht nur der Cocktail aus Minze und Zitrone, auch das Bier dort schmeckt köstlich.

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