Takeaway.com und Delivery Hero „Kein Fall für eine schnelle Freigabeentscheidung“

Quelle: imago images

Delivery Hero verkauft sein Deutschlandgeschäft an den Konkurrenten Takeaway.com. Ein Fall für das Bundeskartellamt? Der frühere Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, erläutert den Fall.

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Herr Zimmer, Branchenprimus Delivery Hero verkauft seinem Konkurrenten Takeaway.com das Deutschlandgeschäft für knapp eine Milliarde Euro. Noch im ersten Halbjahr 2019 sollen Lieferheld, Pizza.de und Foodora an die Niederländer gehen. Wird Lieferessen damit bald teurer für die Kunden?
Daniel Zimmer: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Konsolidierung im Markt zu Preiserhöhungen führt. Bisher lieferten sich die Delivery Hero-Firmen in Deutschland einen scharfen Wettbewerb mit der Konkurrenz von Takeway. Wenn diese Konkurrenz entfällt, ist ein preissteigernder Effekt zu erwarten.

Neben Delivery Hero und Takeaway gibt es auch noch eigenständige Ketten wie Domino’s Pizza und kleine Lieferdienste von der örtlichen Pizzeria. Wie würden Sie den Markt, auf dem sich Takeaway.com und Delivery Hero befinden, genau abgrenzen? Zählt da wirklich schon das Pizzataxi der kleinen Dorfpizzeria mit?
An vielen Orten ist tatsächlich davon auszugehen, dass neben Delivery Hero und Takeaway weitere Anbieter am Markt sind. An zahlreichen anderen Orten könnte die geplante Übernahme dagegen zu einer Monopolstellung des aus der Transaktion hervorgehenden Unternehmens führen. Es ist Aufgabe des Bundeskartellamtes, einer solchen Monopolisierung entgegenzuwirken.

Wird aus einem nun Duopol ein Monopol?
Bei Lieferdiensten gibt es aufgrund ausgeprägter Netzwerkeffekte eine starke Tendenz zur Konzentration des Marktes auf sehr wenige Anbieter. Gerade in dieser Branche haben Beobachter in der Vergangenheit von einem „Duopol-Markt“ gesprochen. Das ist keine ganz genaue Beschreibung, denn aufgrund der Präsenz auch kleinerer lokaler Anbieter gibt es an zahlreichen Orten mehr als zwei Lieferdienste. Aber da viele Kunden nur bei den bekannten Firmen bestellen, stimmt das Bild vom Duopol, das sich nun zum Monopol verengt, in etwa.

Lieferheld, Pizza.de und Foodora gehen an Takeaway.com – dafür erhält der weltgrößte Essenslieferdienst Delivery Hero 508 Millionen Euro in bar sowie Takeaway-Aktien. Mit dem Geld will Delivery in Wachstum investieren.

Wo würden Sie als ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission einhaken?
Bedenklich ist, dass Restaurants und Kunden nach einer Übernahme der Delivery Hero-Dienste durch Takeaway an vielen Orten keine Auswahl mehr zwischen verschiedenen Lieferdiensten haben. Das macht nicht nur höhere Preise wahrscheinlich. Auch die Qualität des Service kann leiden, wenn es keinen Konkurrenzdruck mehr gibt.

Wie hoch schätzen Sie die Chance ein, dass das Bundeskartellamt die Übernahme durchwinkt?
Das Bundeskartellamt wird die betroffenen Märkte gründlich analysieren. Nach meiner Einschätzung ist die Transaktion kein Fall für eine schnelle und unkonditionierte Freigabeentscheidung.

Das Übernahmekonstrukt an sich scheint etwas undurchsichtig: Die Delivery Hero Germany GmbH und die Foodora GmbH gehen an Takeaway.com – im Gegenzug erhält die Muttergesellschaft Delivery Hero SE eine Beteiligung in Höhe von 18 Prozent an Takeaway.com im Wert von 422 Millionen Euro und 508 Millionen Euro in bar. Wie bewerten Sie dieses Konstrukt?
Dass der Erwerber teilweise mit Anteilen am eigenen Unternehmen bezahlt, ist verbreitete Praxis. Ein besonders prominentes Beispiel für ein solches Konstrukt ist der Erwerb von WhatsApp durch Facebook. Aus wettbewerblicher Sicht ist nicht entscheidend, wie sich der Kaufpreis zusammensetzt, sondern ob es nach dem Deal weniger Wettbewerb gibt. Davon ist hier – beim Erwerb von Delivery Hero durch Takeaway – auszugehen.

Auch wenn die Discounter zu Weihnachten in diesen Tagen mit Delikatessen locken: Zum Fest dominieren im Lebensmittelhandel die Supermärkte das Geschäft. Aus einem einfachen Grund.

Welche Rolle spielt ein möglicher Markteintritt von Amazon oder Uber, denen seit Jahren nachgesagt wird, an Konzepten zu arbeiten, um in den lukrativen deutschen Markt zu dringen? Spielen solche Erwägungen für das Bundeskartellamt überhaupt eine Rolle?
Die Kartellbehörde interessiert sich nicht nur dafür, welche Unternehmen aktuell auf dem Markt sind. Sie prüft auch, ob vom Bestehen potentiellen Wettbewerbs auszugehen ist. Denn auch von der Existenz eines Unternehmens, das in den Markt eintreten könnte, kann ein Wettbewerbsdruck auf die schon am Markt tätigen Anbieter ausgehen. Sie trauen sich womöglich nicht, die Preise sehr weit nach oben zu setzen, wenn ein solches Preisniveau und die damit verbundenen Gewinne neue Konkurrenten wie Uber oder Amazon auf den Markt locken könnte. Allerdings ergibt sich aus der Existenz potentieller Wettbewerber nur dann ein Argument für die Freigabe eines ansonsten wettbewerbsbeschränkenden Zusammenschlusses, wenn der Markteintritt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Delivery Hero war bislang nicht profitabel, die Investoren mussten teils hohe Verluste hinnehmen in den vergangenen Jahren. Fließt auch so etwas in die Abwägung mit ein?
Die Kartellbehörde muss den Zusammenschluss untersagen, wenn er zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen würde. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die Preise nach einem Zusammenschluss erheblich steigen würden. Dass die bisher bestehenden Preise nicht kostendeckend waren, ist für die Kartellbehörde kein Grund, einen zum Monopol oder zu einer marktbeherrschenden Position führenden Zusammenschluss zu genehmigen. In unserer Wettbewerbsordnung müssen die Unternehmen im Wettbewerb ihr Auskommen finden.

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