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Tarifkonflikt Lufthansa verzichtet in Berlin auf Leiharbeiter

Vor den neuen Verhandlungen mit der Ufo macht die Lufthansa einen Schritt auf die Gewerkschaft zu. Die Fluggesellschaft verzichtet auf externe Kabinencrews in Berlin. Jetzt hofft Lufthansa auf „konstruktive Gespräche“.

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Von den Streiks der Flugbegleiter waren nach Lufthansa-Angaben mehr als 100.000 Fluggäste betroffen. Quelle: Reuters

Die Lufthansa geht im Tarifstreit mit den Flugbegleitern auf eine maßgebliche Forderung der Gewerkschaft Ufo ein. „Lufthansa verzichtet einseitig, auf absehbare Zeit und ohne weitere Vorbedingungen auf den Einsatz von externen Kabinencrews in Berlin“, erklärte Vorstandschef Christoph Franz am Freitag. „Damit gehen wir einen großen Schritt auf unseren Tarifpartner zu.“ Franz hofft, dass dieser Schritt zu „konstruktiven Gesprächen“ mit der Ufo führt.

Die beiden Parteien hatten sich am Freitag dazu entschlossen, zurück an den Verhandlungstisch zu kehren – auch, wenn die Flugbegleiter-Gewerkschaft die Erwartungen an die Gespräche dämpfte. „Wir werden noch heute Nachmittag ein bis zwei Stunden sprechen und uns dann wahrscheinlich vertagen“, sagte Ufo-Chef Nicoley Baublies am Freitag zu Reuters. Es handele sich um ein Vorgespräch, um überhaupt Wege für einen konstruktiven Wiedereinstieg zu finden. Für eine Fortsetzung stehe er am Wochenende bereit. Zum Gegenstand der ersten Verhandlungsrunde nach langer Funkstille zwischen den beiden Tarifparteien wollte er nichts sagen. Er gehe aber davon aus, dass die Lufthansa einen Schlichter anrufen werde. „Die brauchen jemanden, der den gordischen Knoten durchschlägt.“ Um wen es sich handeln werde, sei zum derzeitigen Zeitpunkt aber noch nicht absehbar.

Die Gespräche waren vor zehn Tagen nach 13-monatigen Verhandlungen abgebrochen worden. Die Gewerkschaft will fünf Prozent mehr Geld und Garantien für Jobstrukturen. Lufthansa bot zuletzt 3,5 Prozent mehr Gehalt bei zwei Stunden Mehrarbeit im Monat. Den Stewardessen und Stewards der Lufthansa war das zu wenig – in den vergangenen sieben Tagen haben sie daher dreimal gestreikt, am Freitag ganztägig und bundesweit. Obwohl nach Lufthansa-Zählung rund 1.000 Flüge ausfielen und mehr als 100.000 Fluggäste betroffen waren, blieb das Chaos an Flughäfen und Bahnhöfen aus.

Die größten Baustellen der Lufthansa
1. UnternehmensorganisationWährend andere Fluglinien wie British Airways bereits massiv Personal abgebaut haben, leistet sich die Lufthansa in vielen Bereichen Doppelarbeiten. So haben nicht nur das Fluggeschäft, sondern auch die großen Töchter wie das Wartungsgeschäft eigene große Hauptverwaltungen. Dazu werkeln etwa die EDV-Abteilung des Fluggeschäfts parallel zu den Fachleuten der konzerneigene IT-Tochter Lufthansa Systems und legen einander nicht selten eher Steine in den Weg als die beste Lösung zu suchen. Quelle: Reuters
2. UnternehmenskulturDie Lufthansa gibt fürs Personal pro Flugkilometer mindestens ein Drittel mehr aus als wichtige Wettbewerber. Das liegt unter anderem an vielen alten Privilegien. So hat die Linie aus ihrer Zeit als Behörde das System übernommen, dass die Gehälter steigen je länger ein Mitarbeiter zum Unternehmen gehört. Dazu ist die Lufthansa in den vergangenen Jahren eher durch Zukäufe als organisch gewachsen. Dadurch kamen vor allem besser bezahlte Mitarbeiter dazu und weniger Berufseinsteiger, die das Durchschnittsgehalt drücken. Quelle: dpa
3. Hohe Eigenständigkeit der Tochtergesellschaften Ob Frachtgeschäft, Cateringküchen oder Fluggeschäft: die einzelnen Tochtergesellschaften dürfen weitgehend ohne Vorgaben aus der Zentrale arbeiten. So leisten sich nicht nur alle Töchter eigene Einkaufsabteilungen, obwohl ein zentraler Einkauf in der Regel bessere Preise bekäme. Die einzelnen Fluglinien organisieren ihren Service auch nach eigenen Regeln. Statt den Ticketverkauf zentral zu koordinieren, jagen sich die einzelnen Gesellschaften gerade in Krisenzeiten gegenseitig Kunden ab. Quelle: Pressebild
4. Umständliche Fliegerei Billigflieger kommen mit ein oder zwei Flugzeugtypen aus und bekommen dadurch beim Einkauf, der Ausbildung des Personals und der Wartung der Maschinen Mengenrabatte. Die Lufthansa hingegen hat in ihrer Flotte mindestens zehn verschiedene Typen und fliegt entsprechend teurer. Quelle: dpa
5. Hohe Fertigungstiefe Während andere Fluglinien längst ihr Wartungsgeschäft und die Flugküchen abgestoßen haben, legt die Lufthansa Wert auf ihre Rolle als 'Aviationkonzern', zu deutsche: Komplettanbieter. Zwar verdienen die Töchter - allen voran die Werften der Lufthansa Technik - gutes Geld. Doch weil der Kranich seine Maschinen nicht zu anderen Werkstätten schicken kann, zahlt er dem Vernehmen nach im Schnitt mehr als andere Linien. Quelle: Pressebild
6. Zu einheitliches ProduktEgal ob innerdeutscher Kurzstreckenhüpfer oder eine lange Strecke nach Istanbul: Lufthansa will auf allen Strecken als Lufthansa mit einem Premiumprodukt präsent sein und nicht die konzerneigene Edel-Billiglinie Germanwings fliegen lassen – auch wenn die Kundschaft etwa von Köln nach Berlin vor allem preisbewusst Economy Class bucht und auf Lounges oder Schaumwein an Bord wenig Wert legt. Erste Ansätze, das zu ändern gibt es allerdings. Auf einigen Europastrecken übernimmt seit 1. Juli 2013 Germanwings bisherige Routen der Lufthansa. Quelle: dpa/dpaweb
7. Verlustbringende Zukäufe Dass Swiss als erste übernommene Fluglinie bis heute eine Ertragsperle ist, erweist sich im Nachhinein als Fluch. Denn die guten Zahlen der Schweizer ließen alle glauben, dass jeder Zukauf mit ein paar Umbauten zu einer kleinen Swiss werden kann. Doch stattdessen schreiben die Töchter wie Austrian Verluste oder drohen wie Brussels Airlines in die roten Zahlen zu rutschen. Quelle: AP

Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte Baublies, nun sei eine „Denkpause“ notwendig. „Es ist wie bei einer Paartherapie. Wir sind verdammt, zusammenzukommen.“ Nach dem Ausstand am Freitag werde es weitere Streiks erst geben, „wenn wir feststellen, dass eine Annäherung tatsächlich nachhaltig nicht möglich ist“, versicherte der Ufo-Vorsitzende.

Die Probleme der Lufthansa

Die Ufo hatte am Dienstagabend einen bundesweiten ganztägigen Streik für Freitag angekündigt. Daraufhin setzte die Lufthansa einen Sonderflugplan in Kraft, der die Streichung von 1.200 der rund 1.800 Flüge vorsah. Die Lufthansa erklärte am Morgen, es sei möglich geworden, die Hälfte und nicht wie befürchtet nur ein Drittel aller Flüge abzuwickeln. Das sind etwa 900 bis 1.000 Verbindungen. Auch auf der Streichliste für Samstag standen am Freitagnachmittag 18 Verbindungen; ein Flug aus Shenyang am Sonntag wurde ebenfalls annulliert.

Jetzt wollen beide Parteien wieder miteinander reden. „Ja, es gibt Kontakte“, bestätigte Lufthansa-Sprecher Peter Schneckenleitner. Das Unternehmen hoffe, dass sie in Verhandlungen münden. Er vermied das Wort Schlichtung. Wichtig sei, dass überhaupt erst einmal verhandelt werde. Konzernsprecher Klaus Walther sagte, dem Unternehmen sei schon jetzt Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. „Die 50 Millionen Euro, die uns der Pilotenstreik vor zwei Jahren gekostet hat, sind aber noch nicht erreicht.“

„Wir müssen an den Tisch zurück, das ist jetzt Konsens“, sagte Baublies. Lufthansa habe „eingeräumt, unsere Schlagkraft unterschätzt zu haben“. Das hatte auch Lufthansa-Vorstandschef Christoph Franz am Donnerstagabend im ZDF gesagt.

Pause für Lufthansa

Schützenhilfe bekam UFO von den Kollegen aus dem Cockpit. Jörg Handwerg, der Pressesprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, bekundete „grundsätzlich Solidarität mit den Streikenden“. Er beklagte eine Klimaveränderung im Unternehmen. „Die Lufthansa stellt in Verhandlungen inakzeptable Forderungen, die dann zwangsläufig zur Eskalation mit dem Personal führen.“ Die Airline müsse lernen, ihre Angestellten mitzunehmen.

Dem Konkurrenten Air Berlin bescherte der Streik bei der Lufthansa zusätzliche Kunden. Die Fluggesellschaft habe sechs zusätzliche innerdeutsche Verbindungen angeboten, sagte eine Unternehmenssprecherin. Außerdem setzte Air Berlin in 16 Fällen größere Flugzeuge als geplant ein. Viele Lufthansa-Kunden stiegen auch auf die Deutsche Bahn um. Die Mietwagenfirmen registrierten eine etwas erhöhte Nachfrage wegen des Streiks.

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