Und tatsächlich, es schien zu funktionieren: Mit Klinsmann und Löw machten den Deutschen Eigenverantwortung und Effizienz, Spannkraft und Leistung plötzlich nach vorne drängelnden Spaß. Und tatsächlich waren die beiden Baden-Württemberger dann 2006, während der Fußball-WM in Deutschland, so etwas wie die sportliche Version der zwischenzeitlich zur Bundeskanzlerin avancierten Angela Merkel des Leipziger Parteitags: glühende Reformer, die Deutschland kreativ umbauen und modernisieren, es trainieren, erfrischen und auch mental ertüchtigen wollten. Man kann sagen, Klinsmann und Löw haben damals den McKinsey-Fußball nach Deutschland gebracht.
Großer Verdienst
Man darf nicht vergessen, dass die deutsche Nationalmannschaft damals auf Rang 19 der FIFA-Weltrangliste abgerutscht und hinter die aufstrebende Konkurrenz aus Mexiko und Kamerun zurückgefallen war. Nicht vergessen, dass in den Neunzigerjahren mehr als einmal deutsche Bundestrainer im Gespräch mit so genannten Fernseh-"Journalisten" die Fußball-Nation belehrten, dass es keine "so genannten kleinen Gegner" mehr gebe. Nicht vergessen, dass Deutschland damals längst kein bevorzugter Produktionsstandort für modernen Fußball mehr war, weil die Besten der Zunft nach Spanien, Italien, England strebten. Und nicht vergessen, dass die Spieler dabei nicht nur dem Lockruf des Geldes, sondern vor allem der Aussicht auf ein Arbeitsumfeld folgten, das sie als ihrer Qualifikation angemessen empfanden.
Der Weißrusse Alexander Hleb zum Beispiel, der 2005 vom VfB Stuttgart zu Arsenal London wechselte, hat seinen Wechsel damals sehr eindrücklich mit den wenigen Worten beschrieben, die Fußballern zuweilen zur Verfügung stehen: "In der Bundesliga hast du viel Zeit. In England aber geht es wusch, wusch, wusch, alles unglaublich schnell."
Deutschland hat die Konsequenzen daraus gezogen. Es hat die Effizienz seiner Rohstoffgewinnung erhöht, indem es seinen Nachwuchs nun in Internaten ausbildet. Es hat seine Wertschöpfungskette verlängert mit der gezielten Ausbildung, Veredelung und Vermarktung seiner Talente. Und es hat mit der drastischen Erhöhung seiner Exportquoten seine Handelsbilanz ausgeglichen. Made in Germany ist wieder gefragt. Deutsche Spitzenprodukte wie Mesut Ösil, Lukas Podolski, Per Mertesacker (alle Arsenal London), Miroslav Klose (Lazio Rom), Andre Schürrle (FC Chelsea) und Sami Khedira (Real Madrid) erzielen im Ausland Top-Erlöse.
Nur Spanien schickt mehr Kapital ins Rennen
Das Ergebnis: Während der Marktwert der deutschen WM-Mannschaft sich 2006 auf gerade einmal 177,15 Millionen Euro addierte und die schwarz-rot-goldenen Spitzenfußballer damit nicht einmal halb so viel auf die Geldwaage brachten wie ihre italienischen und brasilianischen Kollegen, während vor acht Jahren auch England, Spanien, Frankreich, Portugal, Argentinien und die Niederlande wertvollere Teams ins WM-Rennen schickten, hat sich der Humankapital-Stock von Fußball-Deutschland seither in absoluter wie relativer Hinsicht sprunghaft verbessert.
526 Millionen Euro schickt Deutschland nach Informationen von "transfermarkt.de" und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Brasilien ins Rennen - und damit deutlich mehr als Brasilien (467,5), Argentinien (391,5), Frankreich (379,5) und Geheimfavorit Belgien (349). Allein Spanien (622 Millionen) ist beim Kampf um den Titel noch etwas höher einzuschätzen als Deutschland. Will sagen: So dicht dran am Titel waren die Deutschen seit ihrem jüngsten WM-Gewinn (1990) noch nie.