
Cornelius trägt rote Turnschuhe, einen buschigen schwarzen Bart und das rot-weiß karierte Hemd lässig über der Jeans. „Schön, dass ihr da seid“, lacht er in die Runde. Die Runde, das sind vier Männer mittleren Alters und eine junge Frau. Über das Internetportal von Uber haben sie sich als Fahrer beworben. Jetzt sitzen sie auf Barhockern in einem schicken Münchner Büro. Auf den Tischen steht viel Red Bull, dazu Glasschüsseln mit Twix, Bounty, Milky Way und Gummibärchen.
„Georg erklärt euch gleich die App, mit der ihr später die Fahrgäste vermittelt bekommt“, erläutert Cornelius der Gruppe. Georg und Cornelius sind zwei von vier Uber-Angestellten in München. Ein- bis zweimal in der Woche testen die beiden die Tauglichkeit von Bewerbern aus der Region, die für den amerikanischen Fahrdienstvermittler arbeiten wollen. Außerdem erklären sie ihnen die Grundregeln des Uber-Geschäfts. Sehr lange dauert das meist nicht: In zwei Stunden ist das Programm meist geschafft.
Warum Uber so umstritten ist
Uber startete vor rund vier Jahren in San Francisco als Alternative zu Taxis, die in der kalifornischen Metropole notorisch schwer zu kriegen sind. Anfangs ging es nur darum, für etwas mehr Geld einen Chauffeur-Service mit Oberklasse-Wagen anzubieten. Inzwischen nutzt Uber seine Vermittlungsplattform auch für Dienste, bei denen Privatleute Fahrgäste mit ihren eigenen Autos mitnehmen können. Vor allem um solche Angebote entzünden sich die Streitigkeiten mit Taxi-Gewerbe und Behörden in verschiedenen Ländern.
Es ist eine Smartphone-App, wie man sie auch von den Taxi-Anwendungen kennt. Der Abholort wird automatisch ermittelt, der Kunde sieht die Uber-Fahzeuge in der Nähe. Der Fahrweg wird mit Hilfe von GPS berechnet, die Wagen kommen daher ohne Taxameter aus. Der Bezahlvorgang entfällt: Es wird einfach die bei Uber hinterlegte Kreditkarte belastet.
Das Taxi-Geschäft überall ist vielen Regeln unterworfen. Es gibt Vorschriften für die technische Kontrolle der Fahrzeuge, die Überprüfung des Gesundheitszustands der Fahrer, spezielle Versicherungen und die Beförderungspflicht. Außerdem wird die Größe des Marktes über die Vergabe von Konzessionen eingeschränkt. So kann eine Taxi-Lizenz in New York mehr als eine Million Dollar kosten. Uber platzt mit seinen Dienstes in dieses über Jahrzehnte gewachsene Geflecht von Regeln und wirtschaftlichen Interessen.
Beim ursprünglichen Chaufferdienst UberBLACK waren die Argumente vor allem der Komfort einer Smartphone-App, ein schickes Auto und die automatische Abrechnung. Bei den Mitfahrdiensten in Privatautos ist Uber aber auch günstiger als herkömmliche Taxis. So kostet der Service UberPOP in Hamburg einen Euro pro Kilometer bzw. 25 Cent pro Minute. Laut Hamburger Taxentarif zahlt man dagegen jeweils 2,20 Euro für die ersten vier Kilometer, je 1,90 für die nächsten fünf Kilometer und 1,40 ab dem 10. Kilometer.
Behörden und auch Landesregierungen sehen den Dienst skeptisch. In Berlin und Hamburg erließen die Behörden Unterlassungsverfügung gegen Uber. Gerichte erlaubtem dem Fahrdienst aber vorläufig die Weiterfahrt. In NRW erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zu Uber: "Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich bei den Fahrten um genehmigungspflichtige Personenbeförderungen." Über eine solche Genehmigung verfügen die Uber-Fahrer aber offenbar nicht. Das Verkehrsministerium warnt deshalb vor hohen Bußgeldern.
Cornelius erläutert nochmal den Ablauf des Nachmittags. „Wir installieren die App auf euren Smartphones“, sagt er, „und schauen uns danach Eure Autos an.“ Ab und zu, fügt er süffisant lächelnd hinzu, müsse da ja nochmal durchgesaugt werden. „Und dann könnt ihr auch schon los düsen.“ Wer an der Uber-Schulung teilnehmen will, muss vorher ein ganzes Paket persönlicher Dokumente bei Cornelius und Georg einreichen: ein polizeiliches Führungszeugnis gehört dazu, ein Auszug aus der Flensburger Punktekartei, Kopien von Personalausweis, Führerschein sowie Fahrzeugzulassung und ein Nachweis der Kfz-Versicherung. Nach dem Crashkurs und der Auto-Abnahme setzt sich das Uber-Team nochmal zusammen und entscheidet, wer schließlich den 11-seitigen Uber-Vertrag zur Unterschrift vorgelegt bekommt.





Die Verkehrsprobleme der Welt lösen?
Cornelius und Georg stehen an der Stirnseite des lang gezogenen Büros und bearbeiten die Tastaturen ihrer MacBooks. An der Wand hängt ein mächtiger Bildschirm, auf dem ein gut aussehender blonder Mann in hellbrauner Lederjacke die Vorzüge des amerikanischen Fahrdienstvermittlers preist. Die Verkehrsprobleme in den großen Städten der Welt werde Uber lösen, schwärmt der schlanke Fahrer in dem Video; die Möglichkeiten, die das 2009 gegründete Unternehmen mit einem geschätzten Umsatz von zuletzt gut 200 Millionen US-Dollar böte, seien schier grenzenlos. In dem animierten Filmchen werden aus verstopften Verkehrsadern in Sekunden Straßen mit flüssigem Verkehr. Cornelius versorgt die fünf Münchner Bewerber mit Zahlen: In weltweit mehr als 300 Städten habe Uber inzwischen Autos auf den Straßen. In Deutschland, wo Uber 2013 startete, führen 43 Millionen private Pkw, doch jeder werde im Durchschnitt nur 45 Minuten am Tag bewegt. „Genau da setzen wir mit unserem Konzept an“, beschwört Cornelius die Gruppe. In Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und München haben die Amerikaner mittlerweile Fahrer in Diensten. Wie viele, darüber schweigt sich das Unternehmen allerdings aus.
Der Enthusiasmus bei den fünf Münchner Anwärtern hält sich in Grenzen. Zwei von ihnen haben das Kinn in die Hände gestützt und blicken gelangweilt auf den Bildschirm an der Wand. Ein anderer macht sich über Red Bull und Schokolade her. Der Mann ist vielleicht Anfang 50, trägt eine braune Cordhose und einen abgetragenen dunkelgrünen Pulli. Nach der Einführung wird er die Schulung früher verlassen – der Mann hat ein altes Handy und kein Smartphone und kann deshalb die Uber-App nicht installieren.
Tabus: Beleidigung, sexuelle Belästigung, Fahrt gegen Bargeld
Cornelius erläutert den angehenden Uber-Fahrern die absoluten Tabus des Geschäfts. Hinter ihm auf dem Bildschirm baut sich eine Liste mit Stichpunkten auf. Beleidigung des Fahrgastes steht da, sexuelle Belästigung, auch die Fahrt gegen Bargeld ist verboten. Bezahlen darf der Gast nur über die Uber App, bei der eine Kreditkarte hinterlegt ist. Hinter jedem der Stichpunkte an der Wand befindet sich ein dickes rotes Kreuz. Probleme bekommt ein Fahrer auch, wenn er bei mehr als 50 Bewertungen durch die Fahrgäste im Schnitt nur 4,5 Sterne hat. Fahrgäste können ihrem Fahrer mit Hilfe ihrer App zwischen einem und fünf Sterne geben.





Uber versucht nach Kräften den verbreiteten Eindruck zu zerstreuen, für das Unternehmen führen vor allem zwielichtige Gestalten. Unter Münchner Taxifahrern kursiert beispielsweise das Gerücht, ein Uber-Fahrer habe in seinem Wagen unlängst eine Frau vergewaltigt.
Fabien Nestmann sitzt in einem weitläufigen Büro zwei Stockwerke über dem Schulungsraum. Die Einrichtung ist hauptsächlich in der Farbe der Uber-Logos gehalten: schwarz. Nestmann ist München-Chef bei Uber. „Es stimmt einfach nicht, dass für Uber in erster Linie Leute fahren, die keine Arbeit haben“, behauptet er. Vom Dacia bis zum Audi Q7 sei hierzulande unter den Uber-Fahrzeugen alles dabei. Überhaupt sei ihm bisher unter den Uber-Fahrern nur ein schwarzes Schaf begegnet: ein Mann, der kaum Deutsch sprach, die Stadt nicht kannte und gegenüber den Fahrgästen schnell pampig wurde. Nestmann feuerte den Mann schließlich.