
Drei Milliarden Dollar, berichtet die in Sachen Uber gemeinhin gut unterrichtete New York Times, biete der US-Taxi-Konkurrent für Nokias Kartendienst Here. Den hatte Nokia-Chef Rajeev Suri vor gut einem Monat mit der Aussage zum Verkauf gestellt, man prüfe alle strategischen Optionen.
Seither läuft ein öffentliches Bietergefecht – wenn auch ohne offizielle Bestätigung. Mit dabei die Autobauer BMW, Audi und Daimler, die laut FAZ bereits vereinbart haben sollen, mit Here keine Geschäfte mehr zu machen, sofern ein anderer Bieter zum Zuge komme. Auch der chinesische Internet-Riese Baidu sowie ein nicht näher genannter Finanzinvestor zählen zu den kolportierten Interessenten.
Und nun eben auch Uber.
Warum Uber so umstritten ist
Uber startete vor rund vier Jahren in San Francisco als Alternative zu Taxis, die in der kalifornischen Metropole notorisch schwer zu kriegen sind. Anfangs ging es nur darum, für etwas mehr Geld einen Chauffeur-Service mit Oberklasse-Wagen anzubieten. Inzwischen nutzt Uber seine Vermittlungsplattform auch für Dienste, bei denen Privatleute Fahrgäste mit ihren eigenen Autos mitnehmen können. Vor allem um solche Angebote entzünden sich die Streitigkeiten mit Taxi-Gewerbe und Behörden in verschiedenen Ländern.
Es ist eine Smartphone-App, wie man sie auch von den Taxi-Anwendungen kennt. Der Abholort wird automatisch ermittelt, der Kunde sieht die Uber-Fahzeuge in der Nähe. Der Fahrweg wird mit Hilfe von GPS berechnet, die Wagen kommen daher ohne Taxameter aus. Der Bezahlvorgang entfällt: Es wird einfach die bei Uber hinterlegte Kreditkarte belastet.
Das Taxi-Geschäft überall ist vielen Regeln unterworfen. Es gibt Vorschriften für die technische Kontrolle der Fahrzeuge, die Überprüfung des Gesundheitszustands der Fahrer, spezielle Versicherungen und die Beförderungspflicht. Außerdem wird die Größe des Marktes über die Vergabe von Konzessionen eingeschränkt. So kann eine Taxi-Lizenz in New York mehr als eine Million Dollar kosten. Uber platzt mit seinen Dienstes in dieses über Jahrzehnte gewachsene Geflecht von Regeln und wirtschaftlichen Interessen.
Beim ursprünglichen Chaufferdienst UberBLACK waren die Argumente vor allem der Komfort einer Smartphone-App, ein schickes Auto und die automatische Abrechnung. Bei den Mitfahrdiensten in Privatautos ist Uber aber auch günstiger als herkömmliche Taxis. So kostet der Service UberPOP in Hamburg einen Euro pro Kilometer bzw. 25 Cent pro Minute. Laut Hamburger Taxentarif zahlt man dagegen jeweils 2,20 Euro für die ersten vier Kilometer, je 1,90 für die nächsten fünf Kilometer und 1,40 ab dem 10. Kilometer.
Behörden und auch Landesregierungen sehen den Dienst skeptisch. In Berlin und Hamburg erließen die Behörden Unterlassungsverfügung gegen Uber. Gerichte erlaubtem dem Fahrdienst aber vorläufig die Weiterfahrt. In NRW erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zu Uber: "Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich bei den Fahrten um genehmigungspflichtige Personenbeförderungen." Über eine solche Genehmigung verfügen die Uber-Fahrer aber offenbar nicht. Das Verkehrsministerium warnt deshalb vor hohen Bußgeldern.
Nur warum in aller Welt sollte das amerikanische Startup so viel Geld für Here zahlen? Selbst wenn der Mobilitäts-Revolutionär längst nicht mehr nur so etwas ähnliches wie Taxifahrten vermittelt, sondern zunehmend auch als Logistik-Dienstleister und mit seinem Dienst Uber Pool als Online-Mitfahrzentrale auftritt: Der Milliardenkauf von Nokias Kartendienst passt überhaupt nicht in das bisherige Uber-Geschäftsmodell.
Das nämlich profitiert davon, dass der Dienstleister selbst kaum kapitalbindende Investitionen tätigen muss. Die Vermittlung der Dienste läuft weitgehend digitalisiert und lässt sich ohne hohen Kapitaleinsatz organisieren, indem UBER die erforderliche Rechenleistung bei IT-Dienstleistern einkauft. Ein solches Cloud-Computing-basierendes Geschäft hält Uber agil und erlaubt es, extrem flexibel auf wandelndes Kundenverhalten zu reagieren … oder neue Märkte zu erschließen.
Sich mit einem Drei-Milliarden-Dollar-Investment nun ausgerechnet einen Kapital-Klotz ans Bein zu hängen, erscheint da geradezu "uber"geschnappt.





Selbst wenn die Here-Dienste zu großen Teilen übers Netz laufen und Uber für seine Apps den Zugriff auf digitale Karten benötigt (aktuell nutzt es die von Google) – mit dem, was das Zukunftsgeschäft von digitalen Kartendiensten ist, hat Uber nichts zu tun.
Denn das heißt: Produktion von höchst präzisem Datenmaterial, mit dessen Hilfe sich autonom fahrende Autos künftig orientieren sollen. Nicht umsonst stecken Here und Konkurrent TomTom aktuell hohe zweistellige Millionenveträge in die zentimetergenaue Neuvermessung der Straßen in Europa und den USA. Und genau deshalb haben auch die Autohersteller so ein Interesse daran, sich die Karten zu sichern.
Aber UBER? Wird ganz sicher keine selbstfahrenden Autos bauen! Was dann?
Wenn man mal die Option außer Acht lässt, dass der US-Dienst sich schlicht von der Last der inzwischen eingesammelten fast sieben Milliarden Dollar Investorengelder befreien möchte, bleibt eigentlich nur eine Option übrig. Und die hat es in sich! Denn im Grunde würde der Kauf von Here damit einher gehen, dass UBER ein neues, zweites wirtschaftliches Standbein aufbauen möchte.
Oder muss! Denn wer so viel Geld investiert, der tut das nicht ohne Not. Und so wäre die Übernahme des Nokia-Ablegers am Ende womöglich das Eingeständnis, dass UBER selbst nicht mehr daran glaubt, mit seinem bisherigen Geschäftsmodell die Wachstumsversprechen und -erwartungen erfüllen zu können. Ist das die heimliche Wahrheit hinter dem Drei-Milliarden-Angebot?
Nicht mehr lange, dann sind wir schlauer. Voraussichtlich noch im Mai, so heißt es, könnte der Verkauf über die Bühne gehen.