Telefónica Große Wut in den O2-Shops

Wut auf den Vorstand: Mitarbeiter eines O2-Shops protestieren gegen die Schließung Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Die goldenen Zeiten für Handyläden in den Innenstädten sind vorbei. Am härtesten sortiert der spanische Mobilfunkkonzern Telefónica in seinen O2-Shops aus.

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Telefónica machte kurzen Prozess. Sieben Stunden brauchten die Möbelpacker, um den Shop der Premiummarke O2 mit all seinen blau-weißen Theken, Regalen und Leuchtreklamen auszuräumen. Zurück blieben die Chefs und zehn wütende Mitarbeiter, die sich vor dem leeren Ladenlokal am Berliner Platz in der Bottroper City zur Mahnwache versammelten und mit selbst designten Plakaten protestierten. „Mega Data, Mega Digital, 0 Moral“, schimpfen sie über die O2-Geschäftsführer im fernen München und erklären Passanten mit Tränen in den Augen, was passiert ist: „O2 macht dicht und entlässt uns in die Arbeitslosigkeit.“

Die Schuldigen hatten die Mitarbeiter längst ausgemacht: Manager in der Münchner Telefónica-Zentrale mit Vorstandschef Markus Haas an der Spitze seien verantwortlich dafür, dass der etablierte Handyladen in Bottrop seine Türen schließen muss. Ähnliche Szenen spielten sich in den vergangenen Monaten in Gladbeck, Duisburg, Limburg, Montabaur, Bergheim und Recklinghausen ab.

Die goldenen Zeiten für Mobilfunkshops sind vorbei. Alle Mobilfunkbetreiber – auch die Telekom und Vodafone – leiten ihren Vertrieb auf digitale Kanäle um. An die Spitze will sich Telefónica setzen. „Wir wollen digitaler Champion werden“, kündigte Deutschlandchef Haas kürzlich bei der Vorlage seiner Mittelfristplanung an. Das neue Programm mit dem plakativen Namen Digital4Growth soll helfen, mehr Kunden über die Onlinekanäle zu gewinnen. Telefónica kann dadurch Prämien sparen, die Händler für die Akquise von Neukunden und Vertragsverlängerungen bekommen. „Die Interaktion mit den Kunden soll einfacher, schneller und besser werden“, verspricht Haas.

Shops in besten Lagen schließen

Viele O2-Händler schenken solchen Ankündigungen kaum noch Glauben. Denn seit der Fusion mit E-Plus im Jahre 2014 gestaltet sich die Zusammenarbeit eher schwierig. Zunächst gab es Netz- und Serviceprobleme. Allein 2017 sackte die Zahl der Mobilfunkkunden um 1,1 Millionen ab. Die Umsätze bröckeln, auch die IT schwächelt. Vertriebspartner, mit denen O2 jahrelang zusammenarbeitete, müssen Shops in besten Lagen schließen. Auffallend dabei ist, dass vor allem Shops von ehemaligen E-Plus-Händlern betroffen sind, die Telefónica nach der Übernahme mit kühnen Wachstumsprognosen zum Weitermachen unter der Dachmarke O2 überredete. „Telefónica hat uns goldene Zeiten versprochen und uns dann absichtlich verhungern lassen“, schimpft ein Händler, der namentlich nicht genannt will. Wie Kollegen aus den anderen Städten kämpft er jetzt vor dem Landgericht München, dass Telefónica die durch fehlerhafte IT-Systeme verursachten Umsatzausfälle durch höhere Ausgleichszahlungen ersetzt. Telefónica weist die Ungleichbehandlung zurück. „Unsere Partner haben die Chance, ihren Kunden die gleichen Angebote zu machen wie jeder andere Vertriebskanal.“

De facto beginnt aber mit dem Ausbau der Onlinegeschäfte eine Entmachtung der Händler. Ohnmächtig müssen vor allem ehemalige E-Plus-Händler miterleben, wie der Telefonriese die technischen Probleme nicht in den Griff kriegt. Denn all die Pannen und Störungen im Netz und beim Service, die Kunden seit der Fusion von O2 und E-Plus vor genau vier Jahren verärgern, produziert Telefónica auch bei der Integration der internen IT-Systeme. Übereinstimmend berichten Ex-E-Plus-Händler, dass es Telefónica bis heute nicht geschafft habe, in allen Shops reibungslos funktionierende Zugänge zu den Kundendatenbanken zur Verfügung zu stellen. „Die Anpassung unserer IT-Systeme führte temporär zu Beeinträchtigungen bei unseren Händlern“, räumt auch Telefónica ein.

O2-Händler in ihrer Existenz bedroht

Anfangs vertrauten die Händler noch den Zusagen, dass sich die technischen Störungen in den IT-Systemen schnell beseitigen lassen. Doch eine Lösung wurde immer wieder verschoben. In internen Schreiben, die der WirtschaftsWoche vorliegen, haben Händler schon im Jahr 2016 darauf hingewiesen, dass ihre Existenz bedroht sei, wenn die Mängel nicht schnell behoben werden. Immer wieder versprachen O2-Manager eine schnelle Lösung. Doch getan hat sich nichts. Ohne Zugriff auf ihren selbst aufgebauten Datenschatz können die Händler nicht mehr feststellen, welche Mobilfunkverträge ihrer Stammkunden gerade auslaufen. Die Folge: Die Kunden schließen neue Verträge online oder telefonisch ab, und den Händlern gehen Prämien verloren. Eine wichtige Einnahmequelle – das Verlängern von Mobilfunkverträgen – versiegt ohne die exakten Vertragsdaten fast vollständig. Händler, die ihre O2-Filialen aufgeben mussten, berichten von Umsatzausfällen von über 50 Prozent.

Einzelne Händler werfen Telefónica sogar eine „gezielte Manipulation der Software“ vor und vergleichen die Vorfälle mit dem Dieselskandal bei Volkswagen. Merkwürdig sei zum Beispiel, dass die internen Callcenter bisher nicht durch Fehler in den IT-Systemen ausgebremst werden. Sie können jederzeit alle Kundendaten aufrufen und gezielt per Telefon mit unschlagbaren Sonderrabatten werben. „Ein Stammkunde wurde sogar angerufen, als er gerade in meinem Shop war und ich aufgrund der IT-Probleme nicht weiterhelfen konnte“, berichtet ein Händler. „Da wusste ich, dass Telefónica auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit keinen Wert mehr legt.“

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