Terrassentalk der Verlagsgruppe Handelsblatt "Facebook als Medienmarke zu ignorieren, ist ein gewagtes Modell"

Wie verändert die Digitalisierung den Journalismus? Drei Journalisten und der „verrückte Junge“ Sascha Lobo diskutierten über Marken, Köpfe und die Like-Nadel. Was das digitale Zeitalter für die Verlagshäuser bedeutet.

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Terrassentalk Quelle: WirtschaftsWoche

Endlich kann Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart seine Dachterrasse präsentieren. „Dieses Mal hat das Wetter mitgespielt“, freut er sich, nachdem das erste Düsseldorfer Terrassengespräch der Verlagsgruppe Handelsblatt, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört, dank Dauerregens zum Foyer-Talk wurde.

Rund 100 Gäste folgten Steingarts neuer Einladung auf die Terrasse im fünften Stock und lauschten über den Dächern Düsseldorfs der Diskussion von Autor und Blogger Sascha Lobo, der Online-Chefin der WirtschaftsWoche Franziska Bluhm, dem FAZ-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron und  der Chefredakteurin der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) Anita Zielina. Thema der von Meedia-Chefredakteur Georg Altrogge moderierten Debatte: Wie verändert die Digitalisierung den Journalismus?

Schnell wird klar, dass für die „drei reinrassigen Journalisten und Sascha Lobo“, wie Altrogge das Diskutanten-Quartett zusammenfasste, die digitalen Plattformen und ihre Produkte in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Denn das Internet und die digitalen Möglichkeiten seien das Beste, was Journalisten je in die Finger gekommen sei, ist sich FAZ-Mann Müller von Blumencron sicher. Es war ein „Riesen-Fehler“, dass viele Medienhäuser anfangs dachten, „irgendwann geht das Internet wieder weg.“

Denn ihren Startvorteil im Netz, den die Verlagshäuser mit ihren gedruckten Magazinen und Tageszeitungen Ende der 90er Jahre hatten, habe sie gegenüber der heutigen Internet-Konkurrenz wie Politico oder BuzzFeed häufig verspielt. Jetzt müssen sich die geschichtsträchtigen Medienhäuser den neuen Wettbewerbern stellen.

Und ausgerechnet jetzt will auch noch Facebook eine eigene News-App auf den Markt bringen. Gemeinsam mit etablierten Verlagen und Sendern arbeitet Mark Zuckerbergs Unternehmen an einer besseren Einbindung von Nachrichten in das soziale Netzwerk. FAZ-Digitalchef Müller von Blumencron warnt: „Facebook als Medienmarke zu ignorieren, ist ein gewagtes Modell – zumindest in den nächsten fünf Jahren.“ Wer nicht mitmacht, könnte mittelfristig Marktanteile verlieren.

„Wichtig ist, dass man die Qualität, die die Marke ausstrahlt ins Netz überträgt“, sagt WirtschaftsWoche-Online-Chefin Franziska Bluhm. Doch die Informationsflut im Netz macht die Leserbindung für Magazine und Tageszeitungen schwieriger. Brauchen wir deshalb nun Journalisten als Marken, wollte Moderator Georg Altrogge wissen. „Nur weil man bekannt ist und für etwas steht, ist man noch keine Marke“, entgegnet Blogger Lobo. Besser passe der Begriff der „journalistischen Köpfe“, meint Bluhm.

Digitale Aktivitäten forcieren

Umso wichtiger sei es jetzt, die digitalen Aktivitäten und die „journalistischen Köpfe“ zu forcieren. Nur so können Marken wie Handelsblatt, Wirtschaftswoche, FAZ oder NZZ langfristig Marktanteile zurückgewinnen. „Wir müssen uns in dieser Zeit ständig selbst Konkurrenz machen, sonst geben wir das Geschäft aus der Hand“, sagt Müller von Blumencron. Und das klappt bei WirtschaftsWoche und Handelsblatt schon ganz gut: Die Reichweiten der Webseiten entwickeln sich prächtig – wichtig für das Anzeigengeschäft. Gleichzeitig konnte die Verlagsgruppe bereits insgesamt rund 49.000 digitale Abonnenten der digitalen Produkte dazu gewinnen.

Aber bisher nutzen die meisten Verlage ihre digitalen Möglichkeiten nicht aus, wirft ihnen Blogger Sascha Lobo vor. Dass die Medienhäuser etwa Storytelling, also das Erzählen von Geschichten mit Videos, Animationen und Grafiken, kaum nutzen sei „typisch für Deutschland.“ Das Online-Angebot einiger Verlage wirke auf ihn, „wie wenn man einen Kinofilm drehen wollte und einfach die Theaterbühne abgefilmt hat.“

Was Top-Manager zur neuen WiWo sagen
„Die neue WiWo inspiriert und bietet mit ihrem frischen und modernen Look noch mehr Lesefreude. Glückwunsch zu einem gelungen Facelift!“Boris Winkelmann, CEO, DPD
„In Zeiten des Wandels ist es für jedes Unternehmen essentiell, sich mit aktuellen Entwicklungen und den sich laufend verändernden Kundenanforderungen auseinanderzusetzen. Die WirtschaftsWoche ist hierfür ein wichtiger Impulsgeber und Wegweiser, der Zusammenhänge beleuchtet und Hintergründe aufklärt – eben Licht ins Dunkel bringt. Mit dem neuen Heftkonzept wird die WirtschaftsWoche dem sogar noch besser gerecht.“Michael Huber, Generalbevollmächtigter, TRILUX
„Unser Unternehmen entwickelt sich von einem Forstproduktehersteller zunehmend zu einem weltweiten Akteur auf dem schnelllebigen Konsumgütermarkt. Um auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen in der deutschen sowie der globalen Wirtschaft zu sein, ist die WiWo auch für uns eine unerlässliche Lektüre. Durch den Relaunch wird sie uns sicherlich auch zukünftig umfassend über Trends informieren.“Markus Armbruster, Marketing Director Region Central für Consumer Goods (u.a. Tempo, Zewa, Demak’Up) und European Marketing Director für Hankies und Facials, SCA
„Liebe Wirtschaftswoche, herzlichen Glückwunsch zu einem gelungenen Neustart! Die hochwertigen Inhalte, die Ihre Redaktion auszeichnen, werden den Lesern jetzt noch anschaulicher und übersichtlicher präsentiert. Das war mein erster Eindruck vom neuen Heft. Dadurch schaffen Sie es, unsere informationsüberladene Welt verständlich und unterhaltsam zu erklären. Was mich zusätzlich freut: Durch die neue, klare Bildsprache werden die Meinungen und Reportagen sehr viel emotionaler aufgeladen – ein Thema, das uns als Fernsehmacher täglich beschäftigt und von dem wir wissen, dass es viel Herzblut kostet. Die neue Wirtschaftswoche fasziniert die Leser mit intelligenten Infografiken, starken Fotos und weiterhin überzeugenden journalistischen Artikeln. In diesem Sinne – für die Zukunft alles Gute, liebe WiWo!"Susanne Mueller, Head of Corporate Communications, QVC Deutschland
„Mehr Menschen, mehr Standpunkte, klare Sprache, bessere Grafiken und unkonventionelle Bilder – so wird die WirtschaftsWoche im Digitalzeitalter richtig interessant“Stefan Pichler, Vorstandsvorsitzender, Air Berlin Quelle: Presse
„Mit viel Mut meistert die WiWo den Spagat zwischen Online und Print und ebnet den Weg für die Zukunft“Gregor Bieler, Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland Quelle: Presse
„Der neue Erscheinungstag für das Heft ist genial. Und das neue Layout ist gut. Aber ich brauche eine Weile, bis sich meine Augen dran gewöhnt haben“Boris Dzida, Partner, Freshfields Bruckhaus Deringer Quelle: Presse

Dabei bietet das Netz nicht nur neue Erzählformen, sondern auch besseren Kontakt zu den Lesern. „Zuhören wird unterschätzt“, sagt NZZ-Chefin Anita Zielina. Diskussionen mit den Usern auf der einen Seite und Auswertung der Klick-Daten auf der anderen erlauben es den Redaktionen, besser für ihre Zielgruppe zu schreiben.

Das sieht Lobo aus eigener Erfahrung nicht ganz so positiv. „Ich hing‘ längere Zeit an der Like-Nadel“, sagt er. „Mit 20.000 Likes fühlt man sich besser“. Aber das sei wie Traubenzucker und vergehe nach drei Stunden. Zwar entwickle man damit ein Gespür für Themen, doch der Daumen nach oben allein dürfe nicht die journalistische Richtung vorgeben.

Denn nicht nur die kostenlosen Likes entscheiden am Ende über Gewinner und Verlierer des digitalen Wandels. Auch die Geschäftsberichte müssen stimmen. Drei der vier Diskutanten sind sich sicher, es gebe keinen Königsweg zum profitablen Internet-Journalismus. So fahre etwa die NZZ eine Mehrstufenstrategie aus Werbung, bezahlten Inhalten und Events. Die Verlagsgruppe Handelsblatt setzt insgesamt auf verschiedene Säulen der Finanzierung und monetarisiert umfassend seine Marken. Angefangen von der Werbefinanzierung und der Einführung digitaler Abo-Produkte bis hin zu der einer ganzheitlichen Monetarisierung der Marken.

Nur der Blogger Lobo legt sich fest: Paid-Content. Die Nutzer sollen für die Inhalte zahlen, auch wenn das im Moment kaum funktioniert. Den Hauptgrund hat er aber schon ausgemacht: „Micro-Payment ist eine totale Katastrophe.“ So fehlt bisher im deutschen Markt etwa ein journalistisches iTunes, das Artikel für kleine Beträge in wenigen Klicks verfügbar macht. Vielleicht hat der „verrückte Junge“ Lobo, wie ihn Steingart betitelte, aber auch schon eine andere Idee.

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