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Thomas Cook „Die Insolvenz ist auch eine Chance für den Markt“

Die meisten Flugzeuge der insolventen Fluglinie Thomas Cook gehören gar nicht Thomas Cook – sondern sind nur geleast. Auch von 41 Condor-Flugzeugen besitzt der Konzern selbst nur zehn. Quelle: AP

Die meisten Flugzeuge der insolventen Fluglinie Thomas Cook gehören gar nicht Thomas Cook – sondern sind nur geleast. Was passiert nun mit den vielen Maschinen – und wer könnte sie kaufen wollen?

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Die Insolvenz der britischen Reisegruppe Thomas Cook bringt viele Ungewissheiten und offene Fragen mit sich – eine davon, die sich wohl tausende gestrandete Fluggäste in den vergangenen Tagen gestellt haben dürften: Warum fliegt uns Thomas Cook nicht einfach nach Hause? Die Antwort ist recht einfach: Weil die Flugzeuge mit Beginn der Insolvenz nicht mehr im Besitz von Thomas Cook sind. Streng genommen waren es die meisten auch nie: Laut einer Auflistung des Schweizer Luftfahrt-Informationsdienstes CH-Aviation befinden beziehungsweise befanden sich nur 21 von insgesamt 117 Maschinen im Besitz der Gruppe – der Rest ist geleast.

Von 34 Flugzeugen der Fluglinie Thomas Cook UK sind nur vier im Besitz der Briten. Der Rest verteilt sich auf große Flugzeug-Leasing-Firmen. Neun Stück besitzt etwa die „Aviation Capital Group“ aus Newport Beach (Kalifornien), und sieben Stück die „Air Lease Corporation“ (davon sechs Maschinen des Typs A321) aus Los Angeles. Bei der kleinen Thomas Cook Airlines Scandinavia sind es nur drei von elf Flugzeugen, die Thomas Cook selbst gehören.

Dass Fluggesellschaften ihre Maschinen leasen statt zu kaufen, ist in der Branche nichts Ungewöhnliches mehr. Flugbranchen-Experte Heinrich Grossbongardt erklärt, das Leasen von Flugzeugen sei mittlerweile eine attraktive Anlage: Leasingfirmen würden häufig nur 25 Prozent des Preises für die Flugzeuge anzahlen, der Rest sei bankfinanziert. Die Leasingverträge mit den Fluggesellschaften seien dafür langfristig angelegt, zwischen sechs und zwölf Jahren Laufzeit sind nicht unüblich. Laut einer Analyse des Vermögensverwalters KGAL betrug der Anteil geleaster Flugzeuge im Jahr 1970 nur 0,5 Prozent. Im Jahr 2012 war der Wert bereits auf 37,7 Prozent angewachsen. Für 2020 schätzt KGAL den Anteil bereits auf 50 Prozent.

Zu den weltweit Führenden in diesem Geschäft zählt das Unternehmen Aercap mit Sitz am Amsterdamer Flughafen und Zentrale im irischen Dublin. Im Jahr 2018 erwirtschaftete die Firma umgerechnet rund 4,3 Milliarden Euro. Laut CH-Aviation sind mindestens fünf Flugzeuge aus dem Thomas-Cook-Kosmos im Besitz von Aercap.

Keine Airline zeigt öffentlich Kaufinteresse

Was plant das Unternehmen nun mit den Maschinen? Liegen schon Anfragen anderer Fluggesellschaften vor? Auf Anfrage der WirtschaftsWoche teilte eine Aercap-Sprecherin lediglich schriftlich mit: „Kein Kommentar.“ Auch die „GE Capital Aviation Service“ (GECAS), die Flugzeug-Leasing-Sparte des US-amerikanischen Industriekonzerns General Electric, ist laut CH-Aviation Besitzer von fünf Maschinen der Thomas-Cook-Gruppe; doch auch der GECAS-Sprecher antwortet schmallippig: Gemäß den Unternehmensrichtlinien könne man „keine vertraulichen Informationen zu unseren Kunden erörtern“. Doch laut der Nachrichtenagentur Reuters bereiten derzeit mehrere der Thomas-Cook-Leasinggeber eine potenzielle Weitergabe der Maschinen an andere Fluggesellschaften vor.

Für Grossbongardt ist das kein Wunder: „Ein großer Teil der Thomas-Cook-Flotte besteht aus Airbus A320- und A321-Maschinen“, sagt er. „Und der Bedarf auf dem Markt ist im Moment sehr hoch, begünstigt auch durch den Umstand, dass rund 600 Flugzeuge Boeing 737 Max in den USA in der Wüste herumstehen.“ Die 737 Max vom US-Flugzeugbauer Boeing ist das Konkurrenzprodukt zum Airbus A320, ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug. Doch nachdem zwei Maschinen dieses Typs innerhalb von wenigen Monaten abgestürzt waren (im Oktober 2018 vor der indonesischen Insel Java und im März 2019 bei Addis Abeba) und infolgedessen 346 Menschen zu Tode gekommen sind, hatten internationale Luftfahrtbehörden Startverbot für die Max verhängt. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Alternativen. Grossbongardt schätzt, „in sechs bis neun Monaten werden die jetzt zur Verfügung stehenden A320-Maschinen vom Markt absorbiert sein.“

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