Mit einem „Merci“ verabschieden sich Fans und Prominente von Udo Jürgens. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Jürgens, der am Sonntag im Alter von 80 Jahren gestorben ist, als einen Großen des deutschen Chansons. „Seine Lieder haben uns alle begleitet und erfreut, manchmal auch getröstet und nachdenklich gemacht.“
Auch Bundestrainer Joachim Löw war ein Bewunderer der Musiklegende. „Er war ein großartiger Künstler und ich fand, auch ein großartiger Mensch“, sagte Löw am Rande der Wahl der „Sportler des Jahres“ am Sonntagabend in Baden-Baden. „Er wusste wahnsinnig viel über's Leben“, sagte Löw.
Die dreifache Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch widmete Udo Jürgens spontan ihre Auszeichnung zur „Sportlerin des Jahres“.
Erinnerungen der WiWo-Redakteure an Udo Jürgens
Als Kind musste ich mir die Haare über die Ohren wachsen lassen, weil meine Mutter die Frisur von Udo Jürgens so cool fand. Seither hat mich Udo ein Leben lang begleitet. Die LP (ja, so hieß das damals noch!) „Udo 70“ hatte ich auch in meiner Plattensammlung. Mit Liedern wie „Anuschka“ oder „Dann kann es sein, dass ein Mann auch einmal weint“, das ist mir zumindest in Erinnerung geblieben. Dann kamen die sozialkritischen Lieder wie „Griechischer Wein“ oder „Ein ehrenwertes Haus“- als einer der wenigen scheint der Mann kapiert zu haben, dass Unterhaltung mit Haltung zu tun hat.
Ich wurde Fußballfan – Udo Jürgens sang „Buenos dias, Argentina“ mit der deutschen Fußball-Nationalelf. Eine ziemlich platte Werbung für ein Land unter Militärdiktatur. Die Deutschen sind ja dann auch früh ausgeschieden – gegen Österreich, wo Udo Jürgens geboren wurde. Später entdeckte ich dann noch „Ich war noch niemals in New York“ für mich – das habe ich dann vor allem mitgesungen (gegrölt), wenn ich im Karneval auf Kneipenbänken stand. Mehrere Dutzend Mal bestimmt...
Vor einigen Monaten habe ich mir die Show zu seinem achtzigsten Geburtstag angesehen. Super, wie fit der mit achtzig noch ist, dachte ich mir. Als ich am Sonntag von seinem Tod hörte, konnte ich es erst gar nicht glauben.
Jürgen Salz
Ich habe Udo Juergens in einem seiner letzten Konzerte erlebt, vor wenigen Wochen in Köln. Dort hingegangen sind wir in erster Linie als Begleitung für die Schwiegereltern, denen wir die Karten zu ihrem 80. Geburtstag geschenk hatten. Aber ich war sehr positiv überrascht: Udo Jürgens wirkte wie maximal 60, war fit, die Stimme prima, spielte drei Stunden lang und nahm sein Publikum 150-prozentig ernst. Er spielte auch nicht nur die alten Hits, sondern auch viele neuere Stücke, mit Themen wie dem Kampf gegen die Umweltzerstörung. Auch das kam überzeugend rüber, man nahm ihm ab, dass ihm das ein Anliegen ist. Die größte Begeistung gab's natürlich trotzdem bei Klassikern wie "Ich war noch niemals in New York". Und auch die sang er, als wäre es nicht schon das tausendste Mal. Wir sind sehr angetan nach Hause gegangen und waren froh, dass wir Udo live erlebt haben!
Stephanie Heise
Udo Jürgens hat echte Dauerbrenner geschaffen: Keine fortgeschrittene Party, kein Karneval ohne "Ich war noch niemals in New York" und "Liebe ohne Leiden" ... Schön ist: die Musik bleibt.
Miriam Meckel
Abendbrot unter Paten und Patenkindern: Drei Fünfzigjährige essen am Sonntag in Mönchengladbach Abendbrot, als sie die Nachricht vom Tod Udo Jürgens hören. Die Eltern gucken betreten und erklären einen Augenblick später den drei Kindern (10, 13 und 16 Jahre alt): Den kennt ihr wahrscheinlich gar nicht. Da fangen alle drei Kinder spontan an zu singen: „Ich war noch niiiiiemals in New Yoooork, ich war noch niiiemals in Paaaaris“.
Anke Henrich
Der Mann, dessen Lied „Aber bitte mit Sahne“ ich als Kind lauthals in der Lieblingskonditorei meiner Großmutter schmetterte, sehr zur Freude der anwesenden Verkäuferinnen und Kundinnen, ist tot. Später habe ich seine Musik oft belächelt, die LPs im Plattenschrank ganz nach unten geräumt, damit der Besuch sie nicht gleich sieht; aber Udo Jürgens war der erste Künstler, dessen Lieder ich mit einem Namen und einem Gesicht zusammenbekam. Danke dafür.
Stefan Hajek
Beim Bundespresseball im Jahr 2001, erst der dritte in Berlin, war Udo Jürgens der Stargast. Auch junge Leute, von denen man das nicht erwartet hatte, waren hinterher völlig begeistert von dem damals auch schon 67-Jährigen: „Der rockt echt!“ Nur wenige boykottierten das erstaunlich lange Gastspiel und nutzten die Gelegenheit, in der Zwischenzeit ohne Gedränge am Buffet zuzugreifen. Fortan galt der österreichische Entertainer als die größte Sensation, die je beim Bundespresseball aufgetreten ist, deutlich vor Status Quo, BAP, Silly oder den Wheater Girls.
Berliner WiWo-Redaktion
In der Bundesregierung gab es vermutlich immer eine große Zahl von Udo Jürgens-Fans – schon weil das bei einem Teil der Wählerschaft als enge Volksverbundenheit gut ankommt. Einer fiel jedoch als Groupie auf, bei dem man es aufgrund des Alters nicht erwartet hätte: Philipp Rösler, der junge FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister seeligen Angedenkens. Als er mit 36 Jahren die bundespolitische Bühne betrat, machte er in den ersten Interviews und Promi-Fragebögen noch keinen Hehl aus seiner Begeisterung. Erst als ihm daraufhin das Etikett „spießiges Muttersöhnchen“ verpasst wurde (obwohl beim Vater aufgewachsen), verzichtete er auf dieses private Detail. Allerdings war es da dann auch schon zu spät.
Berliner WiWo-Redaktion
Früher ging Udo Jürgens gar nicht. Griechischer Wein und so - Musik für die Ur-Großeltern-Generation war das. Der kommt mir nicht ins Haus. Und dann lassen sich meine eigenen Kinder im zarten Kindergarten- und Grundschulalter von der Oma eine Udo-Jürgens-CD schenken, weil sie den so toll finden. Nach einigem Haare-zu-Berge-Stehen muss ich dann ja doch zugeben, dass manche Texte und Sounds gar nicht so schlecht sind. Noch schlimmer: Ich habe viele Lieder offensichtlich selbst als Kind so oft im Radio oder bei meiner Uroma so oft gehört, dass ich die meisten noch heute auswendig kann. Weia. Unterm Strich: Im Alter deutlich interessanter und profilierter, als in jüngeren Jahren.
Susanne Kutter
Udo Jürgens hatte vielen was zu sagen und zu singen. Legendär sind die dem Musiker gewidmeten Feten in der Kreuzberger Konrad-Tönz-Bar. Die Gäste brachten ihre Vinylplatten mit, sehr viele hatten Udo zu Hause im Plattenschrank, und legten abwechselnd auf dem tragbaren Plattenspieler auf. Im schrägbunten Ambiente der 70er Jahre grölte das Berliner Szenepublikum, natürlich textsicher, und Jürgens sang unerschütterlich zu jeder Polonäse durch den Plüschsalon.
Unvergessen auch das Konzert des Großen beim Bundespresseball in Berlin. Der Saal bebte und die Damen im Abendkleid kreischten mit ihren Rufen nach "Udo, Udo, Udo" die Zugaben herbei. Die begleitenden Herren im Smoking ließen es geschehen. Er war auf der Bühne sogar im weißen Frottee-Bademantel hinreißend - sein Markenzeichen, wenn er für die Zugabe nochmal nach vorne kam.
Cordula Tutt
Weihnachten, 1976 – Ann Arbor, Michigan, USA. Meine Großmutter schickte mir aus Germany eine kleine, bunt-verpackte Schachtel. Es war eine Kassette von Udo Jürgens. Das erste Lied: „Aber bitte mit Sahne“. Wie oft ich dieses eine Lied abgespult und mit Kindergrölen mitgesungen habe, kann ich nicht sagen. Meine Eltern waren sicher mit den Nerven am Ende. Einige Wochen später aber ertappte ich meinen Vater, wie er fröhlich pfeifend durch die Gegend lief: „Aber bitte mit Sahne“.
Holger Windfuhr
Freunde von mir spielten ab Mitternacht bei einer Gartenparty über mehrere Jahre nur noch den Song "Ich war noch niemals in New York", immer wieder - auch zum Mitsingen. Das Stück war damals schon von gestern, aber eben Kult. An einem der darauffolgenden Morgen erschien ein Nachbar, der sagte, sie wollten jetzt in der Nachbarschaft sammeln für ein Ticket nach New York. Wir sehen uns zum Jahresende alle wieder und wollen dann Udo gedenken - mit "Ich war noch niemals in New York".
Claudia Tödtmann
In Deutschland, der Schweiz und Österreich würdigten die Medien am Montag in großen Geschichten umfassend die künstlerische Lebensleistung des 80-Jährigen. Der in Klagenfurt geborene Komponist und Sänger wurde in den Nachrufen teils als „größter Entertainer Europas“ gefeiert.
Eine wichtige Rolle spielt dabei nicht nur sein unbestrittenes Können als Künstler. Viele Medien verbeugen sich auch vor Jürgens' Engagement in politischen Fragen. „Unterhaltung mit Haltung“ wird einer seiner Wahlsprüche zitiert.
Zahlen und Fakten zu Udo Jürgens
Udo Jürgens' erster bei Heliodor/Polydor veröffentlichter Titel „Es waren weiße Chrysanthemen“ wurde 1956 zum Flop.
Bei einer Mammut-Tournee 1969/70 gab Udo Jürgens 266 Konzerte vor insgesamt rund 500.000 Zuschauern.
200.000 Fans strömten im Juni 1992 zu einem gigantischen Open-Air-Konzert auf die Wiener Donauinsel.
Dreimal vertrat Udo Jürgens sein Heimatland Österreich beim Grand Prix Eurovision de la Chanson: 1964, 1965 und 1966 mit dem Siegertitel „Merci Chérie“.
Die 1998 gegründete Udo-Jürgens-Stiftung setzt sich für notleidende Kinder und mittellose Nachwuchsmusiker ein.
Nach dem plötzlichen Tod von Udo Jürgens ist noch völlig unklar, wo und in welchem Rahmen der Entertainer beigesetzt wird. „Es ist noch zu früh. Wir wissen es noch nicht“, sagte ein Sprecher seines Managements am Montag. Der gebürtige Österreicher hatte in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz gelebt. Dort war er am Sonntag bei einem Spaziergang in Gottlieben am Bodensee zusammengebrochen und später im Krankenhaus gestorben. Bei ihm war sein Fahrer, berichtete sein Manager.
Jürgens hatte am Bodensee eine Wohnung, in der er auf den Einzug in das neue Haus am Zürichsee wartete. Das erworbene Anwesen wird umgebaut. Jürgens wollte im Frühjahr einziehen. Aktuell war er auf seiner 25. Tournee unter dem Titel „Mitten im Leben“.