Tourismus Die wackelige Öffnung am Ballermann

Auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln wie Menorca, Ibiza und Formentera liegen die Infektionszahlen weit unter denen aller deutschen Bundesländer. Quelle: dpa

Die Bundesregierung hebt die Reisewarnung für Mallorca auf. Die Reisebranche sieht sich auf dem Weg zur Normalität. Doch ein Wiederaufleben der Alkohol- und Partyexzesse könnte den Aufschwung schnell zunichte machen.

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Am Freitag können sich Deutschlands Touristen und die Urlaubsbranche das erste Mal seit Monaten über Außenminister Heiko Maas freuen. Denn nach der heutigen Entscheidung seines Ministeriums, ab Sonntag die spanische Ferieninsel Mallorca sowie die Bahamas und die Azoren von der Liste der Risikogebiete zu nehmen, können die Veranstalter ihr wichtigstes Ferienziel wieder breit für alle Kunden öffnen. „Den Osterferien auf Mallorca steht nun nichts mehr im Wege und dementsprechend haben sich unsere Teams vorbereitet, unseren Gästen eine entspannte Zeit am Mittelmeer zu ermöglichen“, sagt TUI-Deutschland-Chef Marek Andryszak. 

Bereits am 17.März öffnet der Veranstalter Alltours die konzerneigenen Allsun-Hotels. Am 20. März folgt die TUI und lässt jetzt die ersten Urlauberjets des Konzernfliegers Tuifly starten und ihre Hotels wie Riu und Robinson öffnen. Bis zum Sommer will der Marktführer inselweit wieder rund 900 Hotels öffnen. Andere wie die Rewe-Tochter DER, Schauinsland oder FTI werden nachziehen. Ab Ende März will die Lufthansa die Zahl ihrer Mallorcaflüge von derzeit sechs pro Woche auf 31 hochfahren. Die Billigtochter Eurowings plant gar bis zu 325 Verbindungen pro Woche aus 24 Flughäfen in Deutschland und erstmals auch aus Großbritannien. Damit keimt die Hoffnung, 2021 wieder ansatzweise an das Rekordjahr 2019 anzuknüpfen - zumindest mehr als die Hälfte des Geschäfts zu machen. 

Die lang erhoffte Öffnung ist ein großer Schritt in Richtung Normalität für alle Beteiligten. Vordergründig am größten ist die Erleichterung bei den vielen Urlaubswilligen, die nun eine Chance auf Ostertage im Warmen haben. „In den letzten Tagen war die Sehnsucht nach Inselurlaub förmlich mit den Händen zu greifen“, so Andryszak. Die Hoffnung war zuletzt gering, weil Politiker immer wieder Urlaubsreisen über die Festtage als quasi unmöglich bezeichneten. Noch vorige Woche geißelten darum Branchenvertreter wie Norbert Fiebig, Chef des Branchenvereinigung Deutscher Reiseverband, Minister Maas und seine Vorgaben als gefährliche Bremse und Reiseverhinderer. Sein Haus stufte viele Regionen zusammen mit ihren Ländern als Risikogebiete ein, auch wenn die zentrale Messgröße - Fälle pro Woche und 100.000 Einwohner - unter den deutschen Schwellenwerten lagen und es unter Veranstalterkunden fast keine Coronafälle gab. 

Auf Mallorca oder den Kanaren lag der Inzidenz genannte Wert zuletzt mit teilweise 22 deutlich unter der deutschen Schwelle von 35. Trotzdem mussten sich Urlauber nach der Rückkehr testen lassen und – mit Ausnahme der Bewohner von Nordrhein-Westfalen - auch bis zu zehn Tage in Quarantäne. „Das hat wie ein Reiseverbot gewirkt und Millionen von Kunden abgeschreckt“, so ein führender Manager der Branche. 

Noch größer ist freilich die Freude bei den Reisekonzernen. Die hatten in den Lockdowns im vorigen Jahr rund zwei Drittel ihres Umsatzes verloren. Ohne das Ostergeschäft wären viele ein großes Stück näher an die Insolvenz gerutscht. Die erste Reisesaison der Jahres sorgt bei vielen für bis zu 20 Prozent des jährlichen Umsatzes. Nun ist die Hoffnung groß, dass dem beliebtesten ausländischen Ferienziel der Deutschen eine Lockerung für weitere Feriengebiete folgt und der Branche einen guten Teil des vorsommerlichen Geschäfts sichert.

Die größte Erleichterung dürften jedoch die Mallorquiner selbst spüren. Denn die Insel war bisher dank der vielen Reisenden mit die wohlhabendste Region rund ums Mittelmeer. Doch weil je nach Rechnung bis zur Hälfte der Wirtschaftsleistung am Tourismus hängt, haben die Reiseeinschränkungen der Coronazeit die Insel im Verhältnis stärker getroffen als andere Gegenden. Laut einer Studie der Universität der Balearen im Norden von Palma ist inzwischen bereits ein Drittel der Bevölkerung als arm eingestuft. „Das bedrückt mich auch persönlich“, sagt Alltours-Chef Willi Verhuven. „Darum haben wir beschlossen, schnell zu handeln.“ Und ergänzt: „damit die Menschen Arbeit haben.“ 



Doch die Hoffnung auf dauerhafte Normalität ist brüchig. Sie hängt zum einen daran, dass gerade auf Mallorca alle Beteiligten die Exzesse früherer Jahre vermeiden, wo in den als Ballermann bekannten Ausgehviertel wie der Playa de Palma auch im vergangenen Corona-Sommer eng gefeiert wurde. „Partytourismus und Alkohol-Exzesse dürfen nicht wieder vorkommen“, lässt Verhuven darum ausrichten. 

Bisher ist das noch der Fall. Denn vom klassischen Mittelmeer-Treiben ist noch nichts zu sehen. Von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens gilt Ausganssperre. Wie in ganz Spanien muss jeder auch im Freien Masken tragen, selbst wenn am Strand die Meeresbrise eine Virenübertragung durch Aerosole praktisch unmöglich macht. Die Pflicht gilt - anders als auf den Kanaren - auch auf den Außenterrassen von Cafés und Restaurants. Hier dürfen die Gäste ihre Maske nur kurz abnehmen, wenn sie essen oder trinken.  

Doch ob das für eine Rückkehr zur Normalität reicht, bleibt abzuwarten. Zum einen braucht die Insel vorläufig eher mehr als weniger Beschränkungen. Hierzu zählt nicht zuletzt, dass alle Ankommenden sich auf das Coronavirus testen lassen müssen – auch die bislang davon ausgenommenen Gäste vom spanischen Festland, wo die Ansteckungswerte teilweise immer noch bei einem Vielfachen der Insel liegen. 

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Dazu ist die Versuchung groß, für die von der Krise gebeutelten Gastronomen und Billighoteliers, ein Auge zuzudrücken und zum Abbau ihrer Coronaschulden wieder mehr Partys und vollere Diskotheken hinzunehmen. Denn so sehr die Insel auch auf vernünftige Urlauber und nachhaltige Ferien setzt, „ohne die Feier-Touristen erreicht sie nicht ihre alte Wirtschaftskraft - und damit auch nicht den gewohnten Wohlstand und die Zahl der Jobs“, fürchtet ein führender Touristiker. 

Und dann könnten die Coronazahlen wieder steigen und die Hoffnung auf ein normales Reisejahr bereits vor dem Sommer wieder leiden.

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