Run auf den Auslandsurlaub „Seit Samstag laufen die Telefone heiß“

Das beliebte Reiseziel Venedig. Quelle: dpa

Kurz nachdem die Regierenden in Bund und Ländern Ferienreisen bereits an Pfingsten für möglich halten, steigt die Zahl der Buchungen. Besonders die Niederlande und Italien sind gefragt.

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Den Stimmungswandel spürte Markus Orth unmittelbar, nachdem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vergangenen Freitag den Sommerurlaub für möglich erklärte. „Seit Samstag laufen die Telefone heiß“, so der Chef der Reisebürokette Lufthansa City Center. „Der Damm scheint gebrochen und es werden vermehrt Beratungstermine angefragt.“

Da ist er nicht der einzige. Auch Marktführer Tui spürt steigende Urlaubsfreude der Kunden. „Wo immer nun Reisen möglich werden, haben wir sofort ein Vielfaches der Anfragen“, berichtet ein Sprecher. Am deutlichsten zeigt sich das auf den Balearen, wo die Kundschaft vor allem auf Mallorca nach Ferienmöglichkeiten sucht. Aber auch Griechenland, wo die ersten Flüge ab Freitag bereits ausgebucht sind, stößt auf großes Interesse. „So wie bis vor kurzen die Zahl der Anfragen praktisch sofort einknickte, wenn die Politik sich gegen Urlaub aussprach, so geht es jetzt mit jedem Bekenntnis zu den Ferien ein Stück nach oben“, erklärt ein Tourismusmanager.

Keine Frage, die Politik ist in Öffnungsstimmung. Die Bundes-Notbremse ist nun seit etwas mehr als zwei Wochen in Kraft, die Infektionszahlen und die Inzidenzwerte sinken – in vielen Regionen der Republik liegen letztere mittlerweile wieder stabil unter der Hundertermarke. Diese Meldungen – verbunden mit steigenden Impfraten – sorgen für jede Menge Hoffnung in Berlin: „Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen in vielen Landkreisen Öffnungen sehen werden – auch bei der Außengastronomie“, sagt etwa Wirtschaftsminister Altmaier. „Wir werden Menschen sehen, die draußen sitzen und Eis essen oder Pizza essen.“ Dann könnten „in wenigen Wochen“ wohl auch Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen geöffnet werden, stellt Altmaier in Aussicht, auch Urlaub in Deutschland werde wieder möglich. Selbst Bayerns lange zögerlicher Ministerpräsident Markus Söder erlaubte zuletzt, dass am Pfingstwochenende in Regionen mit stabilen Corona-Zahlen Hotels, Jugendherbergen und Campingplätze wieder für Touristen öffnen.

Notwendig sei dazu jedoch ein gemeinsames Vorgehen mit den Bundesländern, sagt der Wirtschaftsminister. Handlungsbedarf sieht auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg: „Im Hinblick auf die rasante Zunahme der Impfungen und den bevorstehenden Sommer mit vielen möglichen Aktivitäten im Freien, sollten sich Bund und Länder bereits jetzt auf einen klaren Öffnungskatalog verständigen“, fordert er.

Denn in der Tat: Bei Inzidenzen unter 100 entscheiden weiterhin die Länder über die aus ihrer Sicht notwendigen Maßnahmen – die Bundes-Notbremse greift erst darüber. Ob und wann also Hotels auf Rügen und im Allgäu gegebenenfalls wieder öffnen, wann Restaurants wieder Essen servieren und Biergärten Bier zapfen dürfen – all das wird von den jeweiligen Landesregierungen entschieden. Schleswig-Holstein macht es mit seinen touristischen Modellregionen gerade vor.

Eine bundeseinheitliche Regel müsste dann also wieder von dem Gremium erarbeitet und verabschiedet werden, das zuletzt so blockiert wirkte: die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin. Aber da ging es ja auch noch um Verschärfungen.

Das aktuelle Plus dürfte aus Sicht von Tui erst der Anfang sein. „Wenn wie erwartet Ende der Woche die Reisewarnung für die Kanaren fällt oder Mecklenburg-Vorpommern Reisende aus anderen Bundesländern zulässt, kommt der nächste Schub“, erwartet man beim Konzern.



Das wohl beste Bild vom Umschwung vermittelt das Reiseportal HomeToGo. Noch Ende März suchten deren Kunden seltener als im Vorjahr nach Reisen im Sommer und zu Pfingsten. Vor allem glaubten damals nur wenige an die Sommerfrische im Ausland.

In den vergangenen zwei Wochen hat sich das Bild nun deutlich gedreht. Verzeichneten im März noch rund die Hälfte aller Ferienziele und vor allem die ausländischen Ziele ein teilweise deutliches Minus, so sind jetzt alle deutlich im Plus. Fast alle Europäischen Ferienregionen haben inzwischen zumindest doppelt so viele Seitenaufrufe im Internet wie vor einem Jahr.



Zwar beziehen sich die Daten von HomeToGo vorwiegend auf Ferienwohnungen und Häuser. Doch sie gelten vom Trend her auch für den gesamten deutschen Reisemarkt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den offiziellen Zahlen von Veranstaltern und Reisebüros nur ein Teil der Inlandsreisen auftaucht. Die werden normalerweise ohne Vermittler direkt bei den Hotels oder Vermietern gebucht. Dazu regieren Ferienhaus-Kunden schneller auf Veränderungen als Pauschalurlauber. „Sie fahren im Schnitt mehr ins Ausland als normale Urlauber, weil sie den Aufenthalt in gemieteten Immobilien für sicherer halten als den in Hotels und ihre Zielgebiete meist schon sehr genau kennen“, so ein Vorstand eines Reiseunternehmens.

Das absolut größte Interesse finden zwar nach wie vor Ziele Deutschland, vor allem Regionen entlang der deutschen Nord- und Ostsee. Besonders gesucht sind Modellregionen wie die Lübecker Bucht, wo etwa das beschauliche Großenbrode ein Plus von 700 Prozent verbuchen konnte. Aber nach der jüngsten Öffnungsankündigung hat auch Bayern ein Plus von fast 500 Prozent. Den größten Zuwachs bei den Kunden haben allerdings ausländische Ziele wie die Niederlande. Auch die Toskana oder andere Regionen in Italien wie Bibione, sowie die Bretagne werden öfter gesucht.

Der Trend gilt in ganz Europa. „Auch auf unseren Seiten in Frankreich Großbritannien und Spanien steigt das Interesse an zielen im Ausland“, so Jonas Upmann, und eigentlich in allen Märkten.

Noch unter den Erwartungen ist bislang Österreich. „Doch das könnte als nächstes folgen“, heißt es bei der Tui. Die Touristiker des Alpenlandes sind jedenfalls vorbereitet und stellen sich zu Pfingsten auf die erste Urlaubswelle des Jahres ein. Ab 19. Mai sind die Hotels in ganz Österreich – nach mehr als sechs Monaten Zwangspause – wieder geöffnet. „Bei den bisherigen Buchungen sehen wir einen regelrechten Boom in den ländlichen Regionen Österreichs“, heißt es von der österreichischen Hotelier-Vereinigung. Besonders begehrte Reiseziele seien demnach die Badeseen in Kärnten, im Salzkammergut oder in Tirol. „An den Hotspots kann es schwierig werden, an den Feiertagen noch ein freies Bett zu bekommen“, heißt es von der Hotelier-Vereinigung. Enorm hoch sei die Nachfrage zudem in den Thermen- und Wellnesshotels, und das quer durch Österreich.

Bestätigt wird dieser Eindruck – absolute Buchungszahlen für die Zeit nach 19. Mai liegen noch nicht vor – vom Chef der Kärnten Werbung, Christian Kresse. „Der Urlaub am See feiert eine Renaissance“, sagt Kresse, „der Wunsch der Urlauber nach Land und Sicherheit ist groß.“ Für den Sommer gebe es in Kärnten bereits „starke Buchungen“ von österreichischen und deutschen Gästen. Die Buchungslage ab 19. Mai in Kärnten bezeichnet Kresse als „gut“. Allerdings würden zahlreiche Gäste wohl erst Last Minute, also in der kommenden Woche, buchen.



Ein ganz anderes Bild zeigt sich in Österreichs Städten. In Salzburg, Wien und anderen Städten sei bei Hotels laut österreichischer Hotelier-Vereinigung noch „Luft nach oben“. Für Touristen, die es dem Trend zum Trotz in die Städte zieht, würden sich damit gerade um Pfingsten und im Frühsommer attraktive Angebote ergeben. „Im Moment kann man in Österreich gute und günstige Städtereisen buchen“, so der Verband.

Die Mischung der Gäste im Alpenland dürfte sich bis zum Frühsommer anders zusammensetzen als vor der Coronapandemie. „Normalerweise sind drei Viertel der Urlauber um diese Zeit internationale Gäste. In diesem Jahr wird der Großteil der Gäste aus Österreich kommen“, heißt es von der Hotelier-Vereinigung. Unsicherheiten bezüglich einer möglichen Rückreisequarantäne würden viele Urlauber aus dem europäischen Ausland nach wie vor nur zögerlich in Österreich buchen lassen. Rückgänge zumindest bis zum Frühsommer erwartet die Verband auch bei den sonst stark vertretenen deutschen Urlaubern.

Mehr zum Thema: Die neuen „Green Certificates“ versprechen den Menschen in der EU unter anderem Reisefreiheit ohne Quarantäne. Spätestens Ende Juni sollen digitale Dokumente gelten. Ab wann der digitale Impfpass mehr Reisefreiheit bringt.

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