Tourismus Sylt: Spa statt Strand

Lange hat Sylt ignoriert, dass sich Wünsche und Vorlieben der Touristen ändern. Jetzt lenkt die Insel ein.

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Sylt: Die Wünsche und Quelle: dpa

Ende April trat ein, was Sofus Gottschalk seit Monaten befürchtet hatte: Die Billigkette Aldi bot Sylt-Reisen zum Discountpreis an: drei Übernachtungen mit Frühstück im Vier-Sterne-Hotel von TUI ab 169 Euro. „Der Trend geht in Richtung Massentourismus“, befürchtet der Sylter Apartmentvermieter, „das ist abträglich für die Insel.“

Lange hatten die Sylter gegen den Bau des ersten großangelegten Kettenhotels auf der Insel gekämpft – vergebens. Im Sommer 2007 eröffnete der TUI-Konzern das Dorfhotel Rantum – 159 Apartments in zwölf Häusern auf 17.000 Quadratmeter. Jetzt entsteht in List, Sylts nördlichster Gemeinde, ein weiteres großes Kettenhotel. Für 60 Millionen Euro errichtet A-Rosa direkt am Watt einen Ferienkomplex mit 360 Betten, drei Restaurants und einem 3500 Quadratmeter großen Spa-Bereich. Zur Grundsteinlegung kam sogar Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Er sieht in der Anlage ein Leuchtturm-Projekt. „Wer für neue Zielgruppen attraktiv sein will, benötigt auch größere Hotels“, ermahnte er die Sylter.

Und Sylt braucht neue Zielgruppen. Zwar stieg die Zahl der Gäste im vergangenen Jahr um rund sechs Prozent auf 784.000. Doch die Urlauber bleiben immer kürzer. Auch ihre Ansprüche ändern sich. Statt Apartments würden „mehr Hotelunterkünfte nachgefragt“, sagt Petra Reiber, Bürgermeisterin von Sylts Hauptort Westerland. „Die Leute möchten stärker betreut werden“ – was vielleicht auch daran liegt, dass fast jeder zweite Sylt-Urlauber älter als 50 ist und jeder vierte über 60.

TUI wertet sein Engagement bereits als Erfolg. „Wir liegen voll im Plan“, sagt Dorfhotel-Direktor Peter Payr, „über Aldi haben wir nur die schwachen Wochen vermarktet.“ Zahlen will er allerdings nicht nennen. Das holt Helge Jansen nach, Bürgermeister der Gemeinde Rantum. „90 Prozent der TUI-Gäste“, sagt Jansen, „sind Leute, die vorher nicht nach Sylt kamen.“

Investoren anlocken

Längst lockt das TUI-Projekt auch andere Hotelinvestoren auf die Insel. Die Schweizer Hapimag-Gruppe steckt 20 Millionen Euro in ein 300-Betten-Projekt in Hörnum im Süden der Insel, ebenfalls in Hörnum baut Wella-Erbin Claudia Ebert für 30 Millionen Euro ein Spa-Hotel mit Golfplatz, in Keitum entsteht für 50 Millionen Euro ein Fünf-Sterne-Haus mit Therme, Bildhauer-Enkel Hans Barlach plant in Kampen eine Spa-Anlage samt Hotel, und Detlef Tappe vom Kampener Hotel Walter’s Hof will in Braderup für 52 Millionen Euro eine Golf-, Reit- und Wellness-Herberge hinstellen.

Ein Überangebot befürchtet Investor Barlach nicht. „Viele Sylter nutzen die hohen Immobilienpreise und verkaufen ihre Gästehäuser“, sagt Barlach. „Die neuen Besitzer bauen sie zu ihrem Zweitwohnsitz um und vermieten sie nicht mehr.“

Damit die Anreise nach Sylt nicht länger dauert als nach Mallorca, hat Sylts Flughafen-Chef Peter Douven große Airlines mit Marketing-Kooperationen auf die Insel gelockt. Wer mit Air Berlin kommt, kann schon während des Flugs ein Stück traditionelles Sylt genießen: Die Linie serviert in Vorfreude auf die legendäre Strandbar Sansibar eine „Sansibar Curry-Wurst“ – für sechs Euro mit Brötchen. Das ist gewohntes Sylter Niveau und hat mit Aldi nichts gemein.

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