Tourismus Wie Reisebüros der Konkurrenz aus dem Internet trotzen

Reisebüros gehören zum Stadtbild und können sich dank Digitalisierung im Markt behaupten. Quelle: imago images

Kataloge in der Auslage, Angebote im Schaufenster – klassische Reisebüros wirken auf den ersten Blick unmodern. Doch mit digitalen Dienstleistungen behaupten sie sich gegen Wettbewerber aus dem Internet.

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Timo Schumacher sitzt vor seinem Computer. In seinem Rücken hängt ein Flachbildfernseher, auf dem Tisch liegen Notebook und zwei Smartphones. Die deckenhohe Wand aus Papier-Katalogen zu seiner Rechten passt nicht recht ins Bild. Sie verrät, dass der 29-Jährige nicht bei einem Start-Up arbeitet, sondern in einem alteingesessenen Reisebüro im Rheinland. Seit 35 Jahren betreibt Schumachers Familie in Bergisch Gladbach zwei gleichnamige Reisebüros – eine lokale Institution.

Eine, die seit einigen Jahren große Konkurrenz bekommen hat, die nicht etwa aus der Region Bergisch Gladbach stammt, sondern aus dem Internet. Eine Vielzahl an Online-Reisebüros und Preisvergleichsseiten ermöglicht den Kunden eine bequeme Urlaubssuche vom Sofa aus. Um sich gegen die Anbieter aus dem Netz zu wehren, hat Timo Schumacher das Reisebüro vor sechs Jahren verjüngt. Seitdem kümmert er sich um den digitalen Auftritt des Reisehauses: Dazu gehören Webseite und Facebook-Aufritt sowie die Suchmaschinenoptimierung der eigenen Webseite.

Das muss er auch, denn die Digitalisierung macht auch vor der Tourismusbranche nicht Halt. Es galt im Zuge der Digitalisierung gar als totgeglaubtes Geschäftsmodell. Nun aber halten sich die stationären Reisevermittler trotz der Flut an Online-Angeboten hartnäckig. Knapp 10.000 Reisebüros berieten und buchten im vergangenen Jahr in Deutschland für Menschen, die lieber ins Geschäft gehen, statt zu surfen. 

Innenansicht Reisebüro Schumacher Quelle: Dominik Reintjes

Das sind rund 300 weniger als 2016 und 400 weniger als 2015. Angesichts der starken Präsenz einiger Reise-Portale ist dieser Rückgang noch fast moderat. „Es geht der Branche nicht wirklich gut, schlecht allerdings auch nicht. Verschwinden werden die Reisebüros in den nächsten Jahren nicht“, sagt Uwe Richter, Dozent für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz. Richter geht davon aus, dass sich die Anzahl der Reisebüros knapp unter 10.000 Stück einpendeln wird.

Schumacher will zu den Überlebenden gehören. Und weicht dem Internet genau deswegen nicht aus, sondern will es nutzen. „Wir sind ein kleines eigenständiges Reisebüro und nutzen den Onlineauftritt als digitale Visitenkarte“, sagt Schumacher. Urlaub können die Kunden auf der Webseite nicht buchen. Die notwendige Technik sei für ein kleines Reisebüro nicht rentabel. Allerdings können die Kunden eine Reiseanfrage nach ihren Wünschen stellen. Reiseziel, Art der Unterkunft, Transfer und besondere Bedürfnisse stehen zur Auswahl. Schumacher und sein Team stellen dann Reisen zusammen, die auf die Vorgaben der Kunden passen. Statt Kataloge zu versenden oder die Kunden ins Reisebüro zu zitieren, mailt das Reisehaus einen Link, hinter dem sich ausführliche Beschreibungen und Fotos zu den Reisevorschlägen befinden. Oder als Nachricht über WhatsApp, das ginge in den meisten Fällen noch schneller und sei noch zeitgemäßer, meint Schumacher.

Reisebüros halten sich hartnäckig

Dennoch bleibt die Möglichkeit im persönlichen Gespräch die eigenen Urlaubswünsche zu äußern. Laut Schumacher machen die Menschen in Bergisch Gladbach das immer noch gerne. 27,4 Prozent der Deutschen haben ihren Urlaub im vergangenen Jahr klassisch im Reisebüro gebucht. Nur 13 Prozent haben ihren Urlaub im Internet ausgewählt.

Schumacher kümmert sich selbst um die Digitalisierung seines Unternehmens. Anders ist das bei Franchise-Reisebüros, die im Namen von großen Tourismuskonzernen geführt werden. Reiseanbieter Thomas Cook hat im Juni das „Omnichannel-Projekt“ ins Leben gerufen. Dadurch sollen die daran teilnehmenden Reisebüros des Konzerns und die Webseite des Unternehmens verbunden werden. „Zwar informiert sich ein Großteil der Kunden im Internet. Zwei Drittel der Pauschalreisen werden dennoch im Reisebüro gebucht“, sagt Carsten Seeliger, Geschäftsführer Vertrieb, E-Commerce, Marketing und Service bei Thomas Cook.

Das sind die erfolgreichsten Reisevertriebsorganisationen

Darauf will der Touristikkonzern reagieren und bietet den Kunden daher auf der Webseite gleich an mehreren Stellen an, mit der Reiseanfrage in ein Reisebüro in der Nähe zu gehen, um die Reise da zu buchen und sich vor Ort beraten zu lassen. „Anders als bei Buchungen auf unserer Webseite zahlen wir den Partnerreisebüros natürlich bei jeder Buchung über das Reisebüro eine Provision“, sagt Seeliger.

Zusätzlich kümmert sich Thomas Cook um die digitalen Auftritte der Franchisenehmer. Jedes teilnehmende Reisebüro hat eine eigene Webseite, die zentral optimiert wird für die wichtigste Suchmaschine für Reisen: Google. Die Reisebüros sollen bei der Suche im Netz gefunden werden und bei den Treffern in ihrer Region möglichst weit oben stehen. Einzig den Auftritt auf der Facebook-Seite kann das Reisebüro teilweise selbst bespielen. Auch hier hilft der Konzern: Mitarbeiter können aus von Thomas Cook vorbereiteten Posts für die Seite wählen.  

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