Hotels in der Krise „Wir reinigen die Zimmer nur noch auf Wunsch“

Olaf Kerssen vor seinem Ringhotel Teutoburger Wald. Quelle: Privat

Olaf Kerssen ist Hotelier im Teutoburger Wald. Seine Schwester ist die Ex-Bundesministerin und CDU-Politikerin Anja Karliczek. Sie fordert einen Rettungsring für den Tourismus. Ihr Bruder hat seine eigenen Krisen-Pläne.

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Olaf Kerssen hat in den vergangenen drei Jahren das tückische Auf und Ab in der Tourismusbranche mitleiden müssen, sowohl unternehmerisch als auch politisch: Er betreibt das Ringhotel Teutoburger Wald im westfälischen Brochterbeck, beschäftigt 60 Mitarbeiter. Das Hotel hat 48 Zimmer, Pool, Biosauna und Kräuterduftgrotte.

Kerssens Schwester Anja Karliczek hat auch in dem Familienbetrieb gearbeitet, bevor sie Berufspolitikerin wurde. Sie war Mitglied des Bundeskabinetts von Angela Merkel, das viele Coronaeinschränkungen für die Gastronomie verhängte. Nach der Wahlniederlage der CDU macht sich Karliczek jetzt als Vorsitzende der CDU-Arbeitsgruppe Tourismus für die Branche ihres Bruders stark, fordert in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche einen „Rettungsring“ für die Tourismusbranche. Wie ihr Bruder die Lage sieht? Ein Anruf im Ringhotel Teutoburger Wald.

WirtschaftsWoche: Herr Kerssen, wie geht es Ihnen?
Olaf Kerssen: Das Geschäft läuft gut. Corona ist kein Thema mehr, weil die Leute damit durch sind. Sie haben keine Lust mehr darauf, die Krankheit hat keine großen Auswirkungen mehr.

Corona, Fachkräftemangel, Inflation: Hotels und Gaststätten steckten schon vor dem Ukraine-Krieg in der Krise. Die Rekordpreise für Energie bedrohen nun ihre Existenz. Vier Punkte für die Zukunft der Tourismuswirtschaft.

Wir hatten uns zu Beginn der Pandemie ausgetauscht. Wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen?
Im Mai 2021 zog das Geschäft wieder an, die Leute haben darauf gewartet. Bis Ende Oktober lief das Geschäft sehr gut, in den Folgemonaten bis Ende März 2022 war es schwierig. Ab April lief es wieder, ich gehe davon aus, dass es auch im November und Dezember in diesem Jahr gut laufen wird. Die Vorbuchungen sind gut. Im vergangenen Jahr fehlten uns noch die Geschäftsreisenden – die sind in diesem Jahr zurückgekehrt. Ich glaube auch nicht, dass die Firmen erneut Einschränkungen machen.

Wie sind Ihre Prognosen für dieses Geschäftsjahr?
Wenn es gut läuft, schaffen wir vielleicht eine schwarze Null. Gewinne werden wir nicht machen, weil wir in den ersten drei Monaten nicht ausreichend Umsätze generieren konnten. Für eine schwarze Null müssen wir etwa drei Millionen Euro Umsatz im Jahr haben.

Der Chef des Hotelbuchungsportals Trivago Axel Hefer über die bevorstehende Krise des Reisegeschäfts, die neuen Fesseln der EU für Google und wie er den Fußballbundesligisten Schalke 04 managt. 
von Rüdiger Kiani-Kreß

Was kommt an zusätzlichen Energiekosten auf Sie zu?
Wir haben unsere Gaskosten noch bis Ende des nächsten Jahres im Griff, so lange laufen unsere Verträge. Etwa 40.000 Euro kostet uns die Gasumlage. Beim Strom wurde uns gerade ein Preis von einem Euro pro Kilowattstunde angeboten, jetzt zahlen wir 25 Cent. Wir brauchen 90.000 Kilowattstunden im Jahr, das wären Mehrkosten von rund 68.000 Euro im Jahr. Wir haben aber Blockheizkraftwerke und Photovoltaik-Anlagen, bauen einen Stromspeicher. Wir wollen im nächsten Jahr autark sein. Andere Hoteliers haben diese Möglichkeiten nicht – ihnen brechen die hohen Energiekosten das Genick.

Haben Sie die Preise erhöht?
Ja, um 15 Prozent, es wird weitere Erhöhungen geben. Wenn man alle Kostensteigerungen von Energie, Waren und Personal zusammennimmt, müssten wir die Preise um 30 Prozent erhöhen, um Ergebnisse wie vorher zu erzielen.

Wie reagieren die Gäste?
Im Moment gibt es da nicht viele Diskussionen. Alle verstehen das.

Was macht Ihnen im Moment die größten Sorgen?
Die Wirtschaftskrise, die auf uns zukommt. Diese Krise trifft die Gastronomie, sie trifft uns. Wir bereiten uns fleißig darauf vor. Wir besetzen keine neuen Stellen, obwohl wir im Service-Bereich zwei Mitarbeiter brauchen. Wir reinigen die Zimmer nur noch auf Wunsch, so haben wir eine Stelle eingespart. Wir heizen unsere Saunen nur noch nach Bedarf an. Wir machen unsere Portionen 15 Prozent kleiner, damit die Gerichte nicht unnötig teuer werden. Unsere Portionen waren immer sehr üppig, es ging immer viel zurück. Wer nicht satt wird, bekommt kostenfrei Nachschlag. Und wir sparen Müllgebühren und verschwenden weniger Lebensmittel.

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Ihre Schwester Anja Karliczek hat früher in Ihrem Hotel mitgearbeitet. Als Mitglied der Bundesregierung kann sie der Branche nicht mehr helfen, seit die CDU die Wahl verloren hat. Sie ist jetzt Vorsitzende der CDU-Arbeitsgruppe Tourismus, fordert einen Rettungsring für die Tourismusbranche. Kann sie der Branche wirklich helfen?
Sie kann auf die Probleme aufmerksam machen. Ob sie Gehör findet, muss man sehen. Ich hoffe es. Uns geht es ja relativ gut. Die meisten Kollegen haben Existenzprobleme. Wenn denen nicht geholfen wird, wird es einen Großteil der Branche nicht mehr geben.

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