Tripadvisor, Urlaubspiraten und Co Wie Urlaubsportale den Reise-Riesen das Geschäft abjagen

Wer reist, holt sich seine Inspiration heute bei Facebook und bucht seinen Flug per Smartphone. Eine exklusive Studie zeigt: Große Reiseunternehmen wie Tui und Thomas Cook hinken dem Trend hinterher - und bekommen deshalb Probleme.

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Das sind die beliebtesten Pauschalreiseziele bei Familien
Platz 10: Rhodos, GriechenlandDie griechische Insel Rhodos belegt bei den beliebtesten Pauschalreisezielen der Deutschen den zehnten Platz. Zwei Prozent aller Familien, die ihren Urlaub über die Onlineseite check24.de gebucht haben, reisen im Sommer 2015 dort hin. Um diese Ergebnisse zu erlangen, hat das Vergleichsportal alle Familienbuchungen für die Sommerferienzeit ausgewertet, die zwischen 1. Januar und 31. März 2015 online eingegangen sind.Quelle: check24.de Quelle: Reuters
Platz 9: Sonnenstrand, BulgarienEbenfalls zwei Prozent aller Familien haben sich dafür entschieden, ihren Sommerurlaub 2015 am Sonnenstrand in Bulgarien zu verbringen. Der berühmte Strand am Schwarzen Meer ist der größte Touristenort des gesamten Landes, etwa acht Kilometer lang und zum Teil bis zu 100 Meter breit. Im Winter allerdings ist der Sonnenstrand menschenleer. Quelle: AP
Platz 8: Teneriffa, SpanienEbenfalls zwei Prozent der Familien haben sich für einen Sommerurlaub auf Teneriffa entschieden. Bei der Suche nach dem richtigen Urlaubshotel ist Familien vor allem die direkte Strandlage wichtig – außerdem geben sie überdurchschnittlich häufig die Stichworte Club (27 Prozent) und Hotels mit Pool (26 Prozent) in die Suchmaske ein – das ist fast ein Drittel mehr als bei allen Buchungen. Das Bild zeigt den fast 4000 Meter hohen Pico del Teide, den höchsten Berg auf spanischem Staatsgebiet. Quelle: dpa
Platz 7: Gran Canaria, SpanienAuch die kanarische Insel Gran Canaria ist überdurchschnittlich beliebt bei pauschalreisenden Familien: Ebenfalls zwei Prozent haben sich dafür entschieden, ihren Sommerurlaub 2015 hier zu verbringen. Familien gönnen sich zu 82 Prozent für ihren Sommerurlaub ein Hotel mit vier oder mehr Sternen. Quelle: gms
Platz 6: Fuerteventura, SpanienDrei Prozent der Familien möchten ihren Sommerurlaub auf Fuerteventura verbringen. Die kanarische Insel liegt nur 120 Kilometer von der marokkanischen Küste entfernt und ist bekannt für ihre kilometerlangen Sandstrände. In ihrem Sommerurlaub verzichten viele Familien übrigens gerne aufs Kochen: 67 Prozent entscheiden sich nämlich für ein All-Inclusive-Angebot. Quelle: gms
Platz 5: Kreta, GriechenlandVier Prozent der Familien verbringen ihren Sommerurlaub auf Kreta. Die griechische Mittelmeerinsel wird bei deutschen Urlaubern vor allem für ihr mediterranes Klima, gutes Essen und familienfreundliche Strände geschätzt. Quelle: dpa
Platz 4: Hurghada und Safaga, ÄgyptenFünf Prozent der Familien fliegen im Sommer ans Rote Meer – besonders gerne in die Touristenorte Hurghada und Safaga. Insbesondere das Rote Meer mit seinen bunten Korallenriffen und exotischen Fischen gilt als Paradies für Taucher. Quelle: REUTERS

Über den feinen Moschee-Türmen fliegen die Möwen vor zartrosa Wolken, unter ihnen das Wasser des Bosporus, dahinter die Stadtkulisse . Das Bild fällt beim Scrollen durch Facebook-Fotos sofort ins Auge. Der Eintrag des Schnäppchen-Anbieters Urlaubspiraten: Vier Tage Istanbul im Drei-Sterne-Hotel für 132 Euro, inklusive Flug? Der nächste Urlaub ist so gut wie gebucht, mit wenigen Klicks über das Internetportal Urlaubspiraten.de. Ganz ohne Beratung durch das Reisebüro oder langem Herumblättern in Katalogen.

Deutsche lieben das Reisen, daran hat sich nichts geändert. Doch immer öfter klicken sich die Deutschen in den Urlaub. Bereits 34 Millionen Bundesbürger buchen ihren Urlaub online - das sind mehr als 60 Prozent aller Internetnutzer über 14 Jahren, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Hightech-Verbandes Bitkom aus dem vergangenen Jahr.

Das verändert die gesamte Reisebranche: „Die Eintrittshürden für branchenfremde Anbieter haben sich in den vergangenen Jahren deutlich abgesenkt", sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Während die All-inclusive-Anbieter über Jahrzehnte das Geschäft beherrschten, drängen nun Internet-Startups und Suchmaschinen auf den Markt. Ihre Vergleichsportale bieten Reisenden einen Überblick und präsentieren die besten Schnäppchen. Dadurch gewinnen die Internetportale an Macht, während die neue Vergleichbarkeit bei den klassischen Reisveranstaltern den Preisdruck nur erhöht.

Schnäppchenportale steigen in Beliebtheit

Tourismus-Imperien wie der deutsche Reisveranstalter Tui oder die britische Thomas Cook müssen deshalb umdenken und sich auf die neuen Kundenbedürfnisse einstellen. Auf einmal wird die Qualität des Internets am Hotelpool für All-Inclusive-Reisende zum Entscheidungsfaktor. Und welche Sehenswürdigkeiten oder Restaurants die Urlauber besuchen, entscheiden sie nicht mehr nur nach den Tipps aus dem Reisebüro, sondern nach Empfehlungen auf Bewertungsseiten wie Tripadvisor, Holidaycheck und Co.

Vor allem Schnäppchen-Portale wie Urlaubspiraten oder Suchmaschinen wie Kayak steigern täglich ihre Beliebtheit, obwohl sie oft nichts anderes machen als die Reisen großer Veranstalter wie Tui oder Thomas Cook nach Angeboten zu durchsuchen und geschickt zu vermarkten. Dabei sammeln sie Daten über die Vorlieber ihrer Urlauber und schaffen es so, ihren Kunden über Facebook ständig maßgeschneiderte Angebote zu präsentieren. Urlaubspiraten macht so bereits 70 Millionen Euro Umsatz. Damit spielt das Internetportal bereits in einer Liga mit den Reiseveranstaltern, obwohl das Start-up erst vor drei Jahren gegründet worden ist.

Nachholbedarf

Doch die klassischen Reiseunternehmen setzen dem kaum etwas entgegen, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Lufthansa Consulting, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Das Fazit: Bei ihren Onlineseiten, Buchungsapps und ihren Angeboten in den sozialen Netzwerken müssen die Reiseveranstalter dringend nachbessern.

Die Studie untersucht Serviceangebote und Nutzerfreundlichkeit von sechs großen Reiseveranstaltern und acht Kreuzfahrt-Unternehmen. Das Ergebnis: Im Durchschnitt erreichten beide Branchen bei ihren Onlineauftritten nur knapp unter 40 Prozent Reifegrad. „Selbst der Branchenbeste Tui hat noch viel Potenzial nach oben“, sagt Studienautor Matthias Kern.

So digital sind die Reiseveranstalter

Über die Homepage und auch die App des Reiseveranstalters aus Hannover können sich Urlauber immerhin über eine Kartensuche zu Reiseland und Hotel vortasten, später informiert die App über Reisewetter und Ausflugsangebote. Die Studienautoren bewerteten das Ergebnis mit 53 Prozent.

Damit hat Tui auch einen deutlichen Abstand zum zweitplatzierten Reiseveranstalter Thomas Cook (41 Prozent), der immerhin mit seiner "Travel Insight App" den klassischen Reisekatalog auf das Smartphone zu holen versucht, inklusive Videorundgängen und Bildergalerien von den Reisezielen. Während des Urlaubs betreut ein Team per WhatsApp und Skype die Reisenden, wenn es Fragen gibt.

Bei den Kreuzfahrtanbietern schnitt Tui Cruises am besten ab (45 Prozent), ein Gemeinschaftsunternehmen von Tui und Royal Carribean. Wer mit einem "Mein Schiff" von Tui Cruises Urlaub macht, kann sich schon vor Abreise über Facebook-Gästelisten mit seinen Mitreisenden vernetzen.

So digital sind die Kreuzfahrt-Gesellschaften

Die Website von Norwegian Cruises, mit 30 Prozent zweitschlechtestes Unternehmen im Ranking, wirkt hingegen vollgestopfter und unübersichtlicher als ein Supermarktprospekt. Ein solcher Auftritt schreckt Kunden eher ab und bringt sie wahrscheinlich dazu, sich bei einem Konkurrenten oder gleich einer Suchmaschine zu informieren, sagt Studienautor Matthias Kern.

Auch Amazon und Google wollen in den Tourismus

Für die Reiseveranstalter ist das ein Problem, denn sie geben einen ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren aus der Hand: „Der Kontakt zum Kunden ist das neue Gold“, sagt Norbert Fiebig vom DRV. Früher kamen vor dem Abflug nur die Reisebüros mit den Urlaubern in Kontakt - heute wenden sich auch Hotels und natürlich die Internetportale direkt an die Gäste. Auch das ist der Grund dafür, dass viele Reiseunternehmen kaum etwas über die Vorlieben ihrer Urlauber kennen, im Gegensatz zu dem stets datensammelnden Internetportale. „Die Reiseveranstalter kennen ihre Kunden nicht gut genug. Und sie haben es versäumt, ihren Kunden auch individuelle Angebote zu machen“, sagt Matthias Riveiro, Abteilungsleiter für branchenübergreifende Beratung bei Lufthansa Consulting.

Die beliebtesten Reiseziele weltweit
Kapstadt, Südafrika Quelle: dpa
Eiffelturm Quelle: dpa
Casa Rosada, Buenos Aires, Argentinien Quelle: dpa
Kolosseum, Rom Quelle: dpa
Tower Bridge, London Quelle: REUTERS
Karlsbrücke, Burg in Prag, Tschechien Quelle: dpa
Pfirsichblüte, Hanoi, Vietnam Quelle: REUTERS

Durch den direkten Kundenkontakt sichern sich die Portale ihre Macht: Kleinere Reiseveranstalter und vor allem Hotels sind mittlerweile oft darauf angewiesen, unter den Angeboten der großen Internetportale aufzutauchen. Die kassieren wie ein Reisebüro für jede Buchung eine Provision, gewöhnlich um die drei bis fünf Prozent für Pauschalreisen und rund zehn Prozent bei Hotels.

Große Portale wie Booking.com verlangen aber gerne auch 15 oder 20 Prozent Provision - und verbieten den Hotels gleichzeitig, auf ihren eigenen Seiten günstigere Zimmer anzubieten. Wegen dieser sogenannten Bestpreis-Klausel stritten sich die großen Hotelportale HRS und Booking.com in Deutschland bereits heftig mit dem Kartellamt.

Wettrennen an der Börse

Ihrem wirtschaftlichen Erfolg allerdings hat das bisher noch nicht geschadet. An der Börse überholen die Internetportale die klassischen Reiseveranstalter und Hotel-Ketten mittlerweile. Das US-Unternehmen Priceline, zu dem auch das Buchungsportal Booking.com oder die Flugsuche Kayak gehört, ist an der Börse mittlerweile über 60 Milliarden Euro wert. Dabei macht das Unternehmen mit seinen 12.700 Mitarbeitern gerade mal 8,4 Milliarden Dollar Umsatz.

Wie TUI wachsen will

Konkurrent Tui hingegen schafft davon mit einem Börsenwert von etwa neun Milliarden Euro nicht einmal ein Sechstel, trotz seiner 18,7 Milliarden Euro Umsatz und über 77.000 Mitarbeitern. Allerdings sind die Margen bei Priceline wesentlich höher: Das Unternehmen machte im vergangenen Geschäftsjahr 2,4 Milliarden Dollar Gewinn nach Steuern, Tui hingegen machte nur 774 Millionen Euro Gewinn. Auch weil der Reiseveranstalter im Gegensatz zu Priceline noch ein Imperium aus Hotels, Flugzeugen und Reisebüros verwalten muss. Das ist weitaus kostenintensiver als Daten zu sammeln und zu analysieren.

Die Reiseveranstalter suchen deshalb nach neuen Ideen, um die Kunden mehr an sich zu binden. Unter dem Stichwort "Customer Journey" wollen Tui, Thomas Cook und Co den Urlaubern eine neue Erlebniswelt bieten.

Dazu sammeln die Reiseveranstalter fleißig nach Ideen: Schon im Reisebüro können die Kunden mit 3-D-Brillen und Touchscreens ihre neuen Urlaubsziele erkunden, vor Ort können sie sich dann per Netzwerk des Reiseveranstalters mit Mitreisenden verbinden, Ausflüge oder Konzerttickets buchen. Und auf dem Rückweg könnten Urlauber schon ihre Einkaufsliste für ihre leeren Kühlschränke in der Heimat an den Reiseveranstalter geben, der diese an einen Onlinesupermarkt weiterreicht.

Doch bisher sind die meisten dieser Ideen über eine erste Projektphase noch nicht hinaus, sagt Michael Buller vom Verband Internet-Reisevertrieb.

Die Reiseveranstalter müssen sich beeilen, wenn sie ihre Position sichern wollen. Die nächsten Internetunternehmen machen sich bereits bereit, um in den wachsenden Tourismussektor einzutauchen, auch Internetgiganten wie Google und Amazon. Mit Google Flights und Hotel-Finder schafft der Suchmaschinengigant aus dem Silicon Valley gerade neue Vergleichsportale für Reisen. Und Amazon plant eine eigene Website für Hotelbuchungen - angeblich noch in diesem Jahr.

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