Trivago-Chef „Viele haben ihren Urlaub weniger gut erlebt als vor Corona“

Dem Reisemarkt stehen stürmische Zeiten bevor Quelle: Getty Images

Der Chef des Hotelbuchungsportals Trivago Axel Hefer über die bevorstehende Krise des Reisegeschäfts, die neuen Fesseln der EU für Google und wie er den Fußballbundesligisten Schalke 04 managt. 

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WirtschaftsWoche: Herr Hefer, nach einem Rekordsommer für die Reisebranche mehren sich die Anzeichen einer Rezession. Was erwarten Sie für den Herbst?
Axel Hefer: Die Aussichten sind nicht gut. Trivago hatte zwar im zweiten Quartal in der Tat das profitabelste Vierteljahr der Unternehmensgeschichte. Doch je länger der Sommer dauerte, um so dunklere Wolken zogen auf. Darum gehen wir davon aus, dass sich die Lage der gesamten Reisebranche bis zum nächsten Frühjahr verschlechtern wird.

Woran liegt das?
Dafür sorgt zum einen, dass die realen Einkommen durch die Inflation sinken. Viele müssen wegen der höheren Energiepreise sogar an ihr Erspartes gehen. Also bleibt unterm Strich auch weniger Geld zum Reisen. Dazu werden Übernachtungen auch  in 2023 – wie bereits in diesem Jahr – teilweise deutlich teurer sein als vor der Krise.

Welche Rolle spielen Probleme im Urlaub wie Verspätungen bei der Anreise oder der Personalmangel in den Hotels?
Eine große. Viele Kunden haben ihren Urlaub weniger gut erlebt als in der Zeit vor Corona. Verspätungen bei der Bahn und den Fluglinien und lange Wartezeiten an den Flughäfen sowie schlechterer Service in den Hotels aufgrund von Personalmangel waren keine Seltenheit. Diese Kombination aus niedrigeren Realeinkünften, höheren Preisen und geringerer Qualität muss auf das Volumen schlagen. Die Kunden werden weniger und kürzere Reisen buchen. Bei vielen Unternehmen wird dies bereits im ersten Quartal 2023 zu spüren sein.

Zur Person

Was bedeutet das für Sie und die Reisebranche?
Für Trivago hat dies auch etwas Positives. Wir gehen davon aus, dass Reisende nun mehr Zeit mit dem Vergleich von Preisen verbringen werden – und dabei helfen wir ihnen.

Und für den Rest der Touristik?
Der Abschwung wird viele in der Branche treffen. Denn wenn es weniger Gäste gibt, fehlen deren Anzahlungen. Besonders die ersten drei Monate in 2023 werden für viele schwer  werden. Aber auch der Rest des kommenden Jahres wird ein ganzes Stück schwächer werden als 2022.

Warum sind Sie für Ihr Unternehmen trotzdem optimistisch?
Weil wir finanziell gesünder sind als in den Jahren vor Corona. Wir haben in der Krise unsere Kosten angepasst und sitzen auf einer hohen Liquidität. Dazu nutzen in einer Krise mehr Kunden Vergleichsportale wie unseres.

Profitiert davon nicht noch mehr Google, als Suchmaschine für alles?
Die Erfahrung zeigt: nicht ohne Weiteres. Sicher, wir haben bei der Hotelsuche keine Alleinstellung. Aber die hat im Reisegeschäft ja keiner. Doch wir haben als Spezialist klare Vorteile. Wir sind nicht nur als einziges Hotel-Portal wirklich weltweit aktiv. Wir sind auch überall so groß, dass die Hoteliers bei uns ihre besten Preise einstellen. Dadurch können wir bessere Ergebnisse anzeigen als andere.

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Wenn Sie so gut sind, warum haben Sie dann vor der Krise teilweise hohe Verluste geschrieben?
Das lag zum Teil an Einmaleffekten rund um den Börsengang. Dazu war dies Teil unserer Strategie. Vor Corona wollten wir vor allem schnell wachsen und haben dafür auch eine geringere Rendite in Kauf genommen. Das ist jetzt anders. Nun investieren wir nur noch in profitables Wachstum. Darum haben wir zwar weniger Umsatz als vor der Krise. Doch wir verdienen mehr Geld. Und das wird so bleiben

Und das reicht, um gegen Google zu bestehen?
Der Wettbewerb bleibt hart. Aber wir werden bestehen.

Welche Rolle spielt die neue Regulierung der EU, die allen Portalen untersagt, eigene Produkte in der Darstellung zu bevorzugen?
Ich hoffe eine große Rolle. Damit wird der Wettbewerb fairer und vor allem Google wird sein Geschäftsmodell anpassen müssen.

In der Branche erwarten viele keine große Wirkung der neuen Regulierung, weil ein Weltkonzern mehr Möglichkeiten und Mittel hat sich durchzusetzen als eine Behörde. Und Sie?
Es braucht immer etwas Zeit bis neue Regulierungen wirken. Doch klar ist: vor allem die großen Plattformen werden sich an die neuen Spielregeln gewöhnen müssen – die Bevorzugung von eigenen Angeboten sollte damit der Vergangenheit angehören.  

Ein weiteres Feld, wo die Reisebranche Hilfe der Politik erwartet, ist im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Was erwarten Sie da?
Wir brauchen Regeln, die mehr Zuwanderung ermöglichen. Uns betrifft das Problem nur begrenzt. Wir rekrutieren weltweit mit Erfolg. 85 Prozent unserer neuen Mitarbeiter kommen aus dem Ausland.

Also sehen Sie keinen Mangel?
Doch. Denn die heutige Diskussion übersieht meist eines: Uns fehlen nicht nur qualifizierte Arbeitskräfte. Noch größer ist die Lücke in der Dienstleistungsbranche bei un- oder angelernten Tätigkeiten. Dabei gibt es ein einfaches Rezept: mehr Zuwanderung. Doch während wir viel über qualifizierte Arbeitnehmer reden und gezielt um sie werben, passiert bei Beschäftigten für einfache Jobs wenig bis nichts. Dabei brauchen wir eigentlich Initiativen in einer Größenordnung wie in den fünfziger und sechziger Jahren. Sonst geraten bestimmte Teile unserer Wirtschaft wie die Hotellerie in Schwierigkeiten.

Viele Hotels versuchen die Lücke durch mehr Digitalisierung und Automatisierung zu schließen.
Das hilft sicher, doch nur in einem begrenzten Umfang, Denn bestimmte Arbeiten wie die Zimmerreinigung oder in der Küche sind einfach nur in einem sehr begrenzten Umfang zu ersetzen.

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Bislang ist Trivago nur im Hotelgeschäft tätig. Wollen Sie künftig wie Booking.com für mehr Wachstum auch andere Reiseteile anbieten wie Flüge oder Erlebnisse wie Ausflüge am Urlaubsort?
Erstmal nicht. Wir haben einige Dinge getestet wie Mietwagenvermittlung oder Urlaubserlebnisse. Doch wir haben uns dazu entschieden, uns voll und ganz auf unser Kerngeschäft zu konzentrieren und sehen dort noch eine Menge Potential.

Was denn?
Wir wollen zum Beispiel mehr Hotels an unser System direkt anbinden, vor allem kleinere Betriebe. Dazu arbeiten wir daran, noch mehr Informationen über die einzelnen Unterkünfte zu sammeln wie etwa Zusatzleistungen und -angebote.

Trotz aller Aufgaben scheint Sie ihr aktueller Job nicht auszulasten. Sie haben sich gerade zum Aufsichtsratschef des Fußballbundesligisten Schalke 04 wählen lassen.
Das mache ich bestimmt nicht aus Langeweile.

Sondern?
Ich stamme aus einer Familie von Schalke-Fans, und der Verein war in einer schwierigen Lage. Ich wollte helfen den Verein zu stabilisieren und wieder zum Erfolg zu führen. Zudem war ich ja schon vor ein paar Jahren im Aufsichtsrat. Da habe ich mit dem damaligen Chef…

…Sie meinen den Großschlachter Clemens Tönnies…
…leidenschaftlich diskutiert über die Art der Vereinsführung – zu Recht, wie sich im Nachhinein zeigte.

Wie bekommen Sie die zwei Chefposten unter einen Hut?
Gut. Denn wie bei Trivago arbeitet auch die Führung bei Schalke nun im Team. Anders als meine Vorgänger kann und will ich nicht alles entscheiden. Ich bin weder bei jedem Transfer involviert, noch sitze ich im Finanzausschuss. Stattdessen arbeite ich im Strategieausschuss an der Strategie für die nächsten Jahre mit.

Wenn man in allen Entscheidungen eingebunden sein möchte, müsste man rund um die Uhr arbeiten. Das ist nicht nur unmöglich – sondern auch falsch. Denn es suggeriert, dass man alles besser weiß als die Fachleute. Doch so schlau ist keiner.

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