Trotz Corona Lufthansa Cargo: So kam es zu den plötzlichen Milliardengewinnen

Künftig nur noch Ökojets: Im Frachtgeschäft setzt die Lufthansa ganz auf den modernsten und damit Kerosin-sparenden Lastenflieger Boeing 777F   Quelle: dpa

Das Lufthansa-Frachtgeschäft eilt unter der neue Chefin Dorothea von Boxberg von einem Rekordergebnis zum anderen. Der Grund ist die Arbeitsweise, von der auch der Rest des Konzerns eine Menge lernen könnte.

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Was Lufthansa-Chef Carsten Spohr in diesem Jahr von seinem Frachtgeschäft erwartete, fasste er im September noch in einen Scherz: „Alles unter einer Milliarde Euro Ergebnis wird nicht akzeptiert“, so der 54-Jährige bei einer Veranstaltung in der Konzernzentrale am Frankfurter Flughafen über das operative Ergebnis der Cargo genannten Konzerntochter. 

Der Spaß ist inzwischen Ernst geworden. Als Spohr diese Woche die Bilanz für die ersten neun Monate des Jahres vorstellte, konnte er für den offiziell Geschäftsfeld Logistik genannten Bereich einen Überschuss von 946 Millionen Euro vermelden. „Und das traditionell stärkste Quartal kommt ja erst noch“, freute sich Spohr im Hinblick auf das laufende Weihnachtsgeschäft. Am Ende könnte die Cargo vor Steuern und Zinsen (EBIT) bei 1,7 Milliarden Euro landen, schätzen die Analysten des New Yorker Brokerhauses Bernstein. Damit hätte die Cargo 2021 fast das gleich EBIT wie der Gesamtkonzern im Vorkrisenjahr 2019. Auch in 2022 erwarten die Analysten ein Plus von mehr als einer Milliarde.

Eine Person nimmt die aktuelle Ergebnisexplosion allerdings relativ gelassen hin: Dorothea von Boxberg, die den Frachtbereich seit März leitet. „In diesem Jahr stehen die Zeichen schon ganz gut, dass wir es auch wirklich schaffen“, sagt die ehemalige Beraterin im Podcast „Chefgespräch“ mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli über den Milliardengewinn. „Ich nehme das eher sportlich.“ 

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Als Grund für ihre Zurückhaltung nennt die adelige Managerin im „Chefgespräch“-Podcast, dass sie ihre gut sechs Jahre in der Frachtsparte Vorsicht gelehrt haben. „Unser Geschäft ist immer volatil, wir haben immer Ups und Downs. Und klar ist, dass nach dem Up wieder ein Down kommt“, so von Boxberg. Das zeigen die Ergebnisse der vergangenen Jahre. So schwankte das Cargo-EBIT zwischen dem Vor-Corona-Rekord 310 Millionen Euro in 2010 als Konzernchef Spohr den Zweig leitete und einem Minus von 50 Millionen Euro in 2016.  

Tatsächlich rührt der aktuelle Erfolg ebenso aus glücklicher Fügung durch den aktuellen Boom wie aus der Art wie die konzernintern „die Cargo“ genannte Sparte flexibel und krisenerprobt arbeitet. „Da können gerade die Kollegen der Passage ein wenig von lernen“, so ein Manager, der in beiden Bereichen gearbeitet hat. 

Zentral für die plötzlichen Milliardengewinne sind die außergewöhnlichen Umstände und die hohe Preise der Transportbranche in der Covid-Zeit. Weil die Fluglinien wegen der Pandemie immer noch viele Langstrecken-Passagierjets am Boden lassen müssen, fehlt vor allem auf den Strecken von China nach Europa ein großer Teil des Angebots. Das haben die verbliebenen Airlines zu Preiserhöhungen genutzt. „Das Kilo Fracht kostete statt gut drei Dollar nun plötzlich bis zu 20 Dollar“, formuliert Nathan Zielke, Chef der weltweit aktiven Logistikberatung Cullinan Consulting, den Unmut vieler Kunden. 

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Diese Rekordraten seien jedoch die Ausnahme, beschwichtigt von Boxberg im Podcast: „Wir sind natürlich viel teurer als sonst und insofern sind die Kunden nicht ausschließlich happy damit.“ Ihr Unternehmen habe jedoch unterm Strich nicht mal ansatzweise ähnlich hohe Preissteigerungen wie die Seefracht. „Wir sind jetzt eben beim Zwei- bis Dreifachen und nicht beim Zehnfachen. Also insofern glaube ich, dass auf der Seefracht noch etwas mehr Ungemach dieser Tage bei den Kunden ist“, so die Lufthanseatin.

Die wahre Basis des aktuellen Erfolgs, lässt von Boxberg durchblicken, sei vielmehr die Arbeitsweise ihrer Sparte. „Die Cargo hat schon immer mehr auf Effizienz und schnelle Innovationen geachtet als andere Teile der Lufthansa“, so ein Manager, der fast alle Teile des Konzern gut kennt. Dafür sorgt vor allem der wesentlich intensivere Wettbewerb im Frachtgeschäft.

Im Passagiergeschäft sind viele Kunden auch für die Strahlkraft einer Marke offen und achten auf Dinge wie das Erlebnis an Bord, moderne Maschinen oder kurze Flugzeiten ohne Umsteigen. „Im Frachtgeschäft zählt dagegen vor allem Preis und Verfügbarkeit“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Wie genau eine Palette ans Ziel kommt und ob das einen halben Tag länger braucht ist den meisten egal.“ Das lockt eine breite Schar von Unternehmen. Neben Billiganbietern aus Osteuropa oder Zentralasien bestimmten vor der Coronakrise die Fluglinien vom Persischen Golf wie Emirates aus Dubai oder Qatar Airways vor allem den Asienverkehr. Ihnen sagen europäische Wettbewerber nach, dass sie das Frachtgeschäft nur als eine Art Beifang betreiben. „Wenn die Frachtrate höher war als die zusätzlichen Kosten durch einen größeren Spritverbrauch oder die Abfertigungskosten am Flughafen, nahmen die alles mit“, so ein Kenner des Geschäfts. So verfielen die Preise derart stark, dass europäische Linien wie British Airways und KLM aus den Niederlanden ihre Frachtflotten komplett verkauften. 

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Die Lufthansa hielt durch. Weil sie mit ihrer eher auf echte Deckungsbeiträge gerichteten Kalkulation kaum mithalten konnte, setzte sie vor allem auf zwei Dinge, für die Kunden deutlich mehr zahlen als die Standardrate von bis zu knapp drei Dollar pro Kilogramm: Ihr Fokus war Zuverlässigkeit, besonders bei zeitkritischem oder anspruchsvollem Transportgut wie Turnierpferden oder Rennwagen. Dazu kamen Spezialservices etwa für Arzneimittel oder zuletzt Impfstoffe, die in einem relativ engen Temperaturbereich oder ohne nennenswerte Erschütterungen transportiert werden müssen. 

Um aber auch im Premium-Teil des Massengeschäfts mithalten zu können, verordnete sich die Fracht ständig neue Effizienzprogramme „Wie werden wir flexibler, wie können wir stärker automatisieren? An welchen Stellen werden wir effizienter? Das sind Themen, die treiben uns um und die werden wir jeden Tag weiterverfolgen“, so von Boxberg über die permanente Neuerfindung ihres Konzernteils. Hier arbeiten ihre Teams derzeit an Dingen wie der Digitalisierung der Abläufe, allen voran der vielen Frachtpapiere. „Immer wenn man einen Schritt getan hat, dann denkt man wieder darüber nach, was sind die nächsten Maßnahmen?“ 

Dazu kamen in den vergangenen 15 Jahren gleich drei größere Sparrunden. Die bislang letzte startete im Vorkrisenjahr 2019. „Das war eigentlich am Ende hilfreich, weil wir eben ein Jahr vor Corona schon Kostensenkungen angestoßen haben“, sagt die Frachtchefin. Ein Teil dieser Sparrunden ist, trotz des guten Geschäfts, in diesem Jahr die Zahl der Beschäftigten um fünf Prozent zu senken – und auch weiterhin Mitarbeiter reduzieren. „Es gibt keinen Plan, bis Ende 2022 nochmal fünf Prozent abzubauen, aber ich würde erwarten, dass es nächstes Jahr weniger sind“, so die deutliche Ansage der Managerin. Das hat aus ihrer Sicht seinen Teil zu den Rekordergebnissen beigetragen. „Deshalb konnten wir schneller als andere Bereiche im Konzern Maßnahmen konkret umsetzen. Das hat uns in der die Krise natürlich sehr geholfen.“ 

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Um den Vorsprung zu rKonkurrenz – und die höheren Preise – zu sichern, setzt von Boxberg nun auf ein neues Feld: mehr Nachhaltigkeit. Dafür hat sie Mitte Oktober den letzten ihrer technisch drei Jahrzehnte alten Frachter vom Typ MD-11 ausgemustert. Nun prangt der Schriftzug Lufthansa Cargo ausschließlich auf Jets der Lastenversion der Boeing 777. „Jetzt gibt es kein moderneres Flugzeug, das heißt, jetzt kommen die anderen Themen: Wie kann ich dafür sorgen, dass Kerosin gar nicht erst verbrannt wird?“, so die Lufthanseatin. Dabei setzt die Cargo noch vor dem Passagiergeschäft im großen Stil auf einen neuen Flugzeuglack, der – dank einer an die Haut des Haifischs angelehnten Struktur – den Luftwiderstand drückt. Das senkt den Spritverbrauch um 1,3 Prozent. Und zu guter Letzt bietet die Linie mit den Speditionen Kühne+Nagel sowie der Bahntochter DB Schenker Flüge an, bei denen die Maschinen ausschließlich klimaneutral erzeugtes Kerosin nutzen.

All das ist für von Boxberg dennoch erst der Anfang. Ihr Credo: „Auch wenn es uns aktuell so gut geht, muss man die Chance auf einen Umbau nutzen und gestalten – wenn man nicht muss, sondern wenn man kann.“

Mehr zum Thema: Hören Sie hier das gesamte Podcast-Gespräch mit der Lufthansa-Cargo-Chefin. Dorothea von Boxberg erzählt, was ihr Vater mit ihrem Studium zu tun hat, warum sich Genderstereotype gerade verstärken, wie viel Personal Lufthansa Cargo noch abbauen muss – und was sie von Amazons Airline hält. Hier geht's zur „Chefgespräch“-Podcast-Folge. 

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