Türkei, Griechenland, Zypern Urlaubsländer schlagen nach Thomas-Cook-Pleite Alarm

Die Pleite des Reisekonzerns Thomas Cook betrifft rund 600.000 Touristen, die derzeit unterwegs sind oder bald in den Urlaub aufbrechen wollten. Quelle: imago images

Die Thomas-Cook-Pleite verunsichert nicht nur hunderttausende Kunden. Auch die Tourismusbranche zittern. Vor allem in Urlaubsländern wie Spanien, Griechenland oder der Türkei sind die Sorgen vor finanziellen Folgen groß.

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600.000 Touristen hat die Insolvenz des britischen Reisekonzerns Thomas Cook unmittelbar getroffen. Mehr als 150.000 Briten überraschte die Meldung am Montag im Urlaub. In Deutschland trifft die Pleite etwa 340.000 Reisende. 140.000 von ihnen sind derzeit auf Reisen. Viele der „Gestrandeten“ halten sich rund um das Mittelmeer auf.

Spanien ist laut Konzernangaben das Reiseland Nummer eins bei Thomas Cook. Gefolgt von der Türkei und Griechenland. Auch Ägypten und Tunesien waren seit Jahren stark gebuchte Sommerdestinationen beim britischen Reiseanbieter. Viele der beliebten Urlaubsländer berichteten infolge der Pleitemeldung Thomas Cooks von jeweils zehntausenden Besuchern, die vor Ort aktuell urlauben – und sie schlagen Alarm: Die wegbrechenden Urlauber könnten Hoteliers und andere Touristikunternehmen in den Urlaubsregionen hohen finanziellen Schaden bescheren.

In Spanien machten zum Zeitpunkt der Pleitemeldung nach verschiedenen Schätzungen zwischen 70.000 und 120.000 Kunden des Thomas-Cook-Konzerns Urlaub. Dort begann bereits am Montagmittag die Rückholung britischer Reisender an elf spanischen Flughäfen. In Spanien betrieb der britische Konzern selbst zuletzt 45 Hotels. „Man hat uns bisher nichts gesagt. Auch nicht, was wir mit den Gästen machen oder ihnen sagen sollen. Wir sind in großer Sorge“, sagte ein Hotelgeschäftsführer auf Mallorca.

Die Insolvenz des britischen Reisekonzerns könnte die spanische Tourismusbranche in großen Stil in die Bredoullie bringen, meinen Branchenkenner vor Ort. Die Präsidentin der Hotelierverbandes von Mallorca (FEHM), Maria Frontera,warnte, dass wegen der Thomas-Cook-Pleite „die Zukunft vieler Unternehmen ernsthaft gefährdet“ gefährdet sei. Hilfe des Staates werde auf jeden Fall nötig sein, damit diese Unternehmen überleben. Frontera sprach von „großen Sorgen“. Allein wegen der nicht beglichenen Rechnungen werden spanische Tourismusunternehmen nach Schätzungen mindestens 200 Millionen Euro verlieren. Diese Verluste würden große Hotelketten wie Meliá und Iberostar, aber auch mittlere und kleinere Unternehmen treffen, sagte der Vizepräsident des Reiseunternehmerverbandes Exceltur, José Luis Zoreda, in einem Radiointerview.

Die Tourismus-Ministerin der Madrider Zentralregierung, Maria Reyes Maroto, wollte sich unterdessen am Dienstag mit Politikern und Unternehmern der am stärksten betroffenen Regionen treffen, um über Strategien für die Zukunft zu beraten.

Das Aus von Thomas Cook trifft in Spanien vor allem die Kanaren, die Balearen und Andalusien. Mit dem britischen Reiseveranstalter waren im vergangenen Jahr rund 3,6 Millionen der insgesamt 82 Millionen ausländischen Touristen nach Spanien gekommen. Auf den Kanaren machten die Thomas-Cook-Kunden nach amtlichen Angaben 20 Prozent aller ausländischen Besucher aus, auf den Balearen waren es 10 bis 15 Prozent. Die Konsequenzen der Pleite für Mallorca seien „von einer bisher nie dagewesenen Dimension“, sagte FEHM-Präsidentin Frontera.

In Griechenland schrieb die Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“ die Thomas-Cook-Insolvenz sei für die Wirtschaft „der stärkste Schlag seit der Finanzkrise“. „Der finanzielle Zusammenbruch von Thomas Cook ist eine unglückliche Entwicklung für die gesamteuropäische Tourismusbranche, die auch den griechischen Markt betrifft“, hieß es aus dem Tourismusministerium in Athen.

Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Griechenlands. Laut deutschem Auswärtigen Amt trägt er direkt und indirekt rund 23 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Griechische Tourismusverbände gehen davon aus, dass die Pleite den Tourismussektor des Landes bis zu 500 Millionen Euro kosten könnte. Der Tourismusverband Sete rechnet mit Einbußen von 250 Millionen bis 500 Millionen Euro. Der Verband Hellenischer Hoteliers (GTP) schätzt den Verlust für die griechische Tourismusbranche auf 300 Millionen Euro.

Sorgen bereiten den Hoteliers in Griechenland derzeit vor allem die noch ausstehenden Zahlungen des Konzerns. „Es wird unvermeidlich zu Ausfällen kommen“, sagte Tourismusminister Charis Theocharis dem griechischen Fernsehsender Skai. Sein Ministerium wolle einen Plan ausarbeiten, damit Griechenland nach dem Zusammenbruch des Unternehmens keine Marktanteile verliere. Um betroffenen griechischen Tourismusunternehmen unter die Arme zu greifen, sei auch das griechische Finanzministerium eingeschaltet worden. Außerdem wurde ein Krisentreffen mit Vertretern der griechischen Tourismusverbände anberaumt.

2018 brachte Thomas Cook rund 2,8 Millionen Besucher ins Land. Vor allem Hoteliers auf Kreta, Rhodos und Kos arbeiteten laut GTP eng mit den Briten zusammen. Zudem betrieb Thomas Cook in Griechenland vier eigene Hotels und beschäftigte 640 Mitarbeiter. Was nun mit den Beschäftigten und den Hotels geschieht, sei unklar, berichten griechische Medien.

In der Türkei urlaubten zum Zeitpunkt der Insolvenzmeldung rund 45.000 Menschen mit Thomas Cook. Auch dort fürchtet die heimische Tourismusbranche deutliche Einbußen, etwa einen starken Besucherrückgang. Als Folge des Firmenzusammenbruchs könnten jährlich 600.000 bis 700.000 Urlauber weniger in die Türkei kommen, sagte Osman Ayik, Präsident des türkischen Hotelverbandes. Ayiks Worten zufolge hat der Konzern Schulden bei einigen kleinen Hotels von insgesamt 100.000 bis 200.000 Pfund.

Um den finanziellen Schaden im eigenen Land etwas zu abmildern hat das türkische Tourismusministerium bereits ein Unterstützungspaket für betroffene heimische Unternehmen in Aussicht gestellt. Das Paket werde „in kürzester Zeit“ verabschiedet, teilte das Ministerium in Ankara via Twitter mit. Details wurden aber zunächst nicht genannt.

In Zypern machten 15.000-Thomas-Cook-Kunden Urlaub als Thomas Cook am Montag Insolvenz anmeldete. Die Hälfte davon seien Briten, 40 Prozent kämen aus Skandinavien und jeder Zehnte aus Deutschland, hieß es vom stellvertretenden Tourismusminister Savvas Perdios. Einen „schweren Schlag für den Tourismus auf Zypern“ nannte er bei einer Krisensitzung die Insolvenz des Reiseanbieters. Bisher brachte Thomas Cook pro Jahr rund 250.000 Besucher auf die Mittelmeerinsel. Zyprische Medien gehen davon aus, dass sich der Schaden der Pleite für örtliche Hoteliers auf bis zu 50 Millionen Euro belaufen könnte.

Auch Bulgarien befürchtet nach Aussage der Regierung in Sofia „ernsthafte Schwierigkeiten“ für die dortige Tourismusbranche. Die Pleite könne auch die Sommersaison 2020 beeinflussen, warnte Tourismusministerin Nikolina Angelkowa. Thomas Cook bringe im Sommer zwischen 350.000 und 450.000 Touristen an die bulgarische Schwarzmeerküste. Nach Angaben der britischen Botschaft in Sofia hielten sich zuletzt rund 2500 Kunden von Thomas Cook in Bulgarien auf.

In Tunesien ist der Hotelverband in Sorge. Angesichts noch offener Rechnungen in Millionenhöhe ist der tunesische Hotelverband FTH besorgt über die Insolvenz des britischen Reisekonzerns Thomas Cook. Derzeit warteten tunesische Hotels noch auf Zahlungen in Höhe von rund 70 Millionen Euro, sagte Mouna Ben Halima vom Hotelverband. Rund 100 Unterkünfte in Hammamet und auf der Ferieninsel Djerba seien betroffen. 40 Hotels arbeiteten ausschließlich mit Thomas Cook zusammen. „Wir sind sehr besorgt, was die Zukunft dieser Hotels betrifft“, sagte Ben Halima.

Jährlich reisen nach Angaben des Hotelverbands rund 205 000 Touristen mit Thomas Cook nach Tunesien. Britische Urlauber machen rund zehn Prozent der europäischen Reisenden aus. Der Tourismus in Tunesien war von mehreren schweren Anschlägen 2015 hart getroffen worden und erholte sich erst langsam wieder davon.

„Ein zweiter Schock wie nach den Anschlägen vor vier Jahren würde die Branche hart treffen“, so Ben Halima. Man warte jetzt ab, wie sich die Situation mit den Tochtergesellschaften weiter entwickele.

Mit Material von dpa und Reuters

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