TUI Das peinlichste Projekt des Reiseriesen

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Reihenweise Fehleinschätzungen

Leider lief bei dem Projekt fast alles anders als geplant. 'Es beruhte von Anfang an auf dem Prinzip Hoffnung', meint Michael Lidl, geschäftsführender Partner der Münchner Hotelberatung Treugast.

Das TUI-Management sah sich hier als Opfer. 'Aufgrund der politischen Verhältnisse vor Ort wurde - nach dem Erwerb des Grundstücks - relativ schnell klar, dass das ursprüngliche Masterplan-Volumen keine Chance auf Genehmigungsfähigkeit haben würde', beklagt ein führender Manager 2013 in einem internen Schreiben an Vorstand Sebastian Ebel. Tatsächlich hat die Misere ihren Ursprung nicht nur in höherer Gewalt, sondern zumindest ebenso in reihenweisen Planungsmängeln und Fehleinschätzungen.

Hotel-Fachleute hielten einen schnellen Erfolg in Castelfalfi von Anfang an für fast unmöglich. Eine 'Mission Impossible' nannte es selbst Stefan Neuhaus, der das Projekt von 2012 bis 2017 als CEO leitete, in Presseberichten. 'Die Verantwortlichen haben da offensichtlich die Risiken unter- und ihre Fähigkeiten überschätzt', so ein ehemaliger TUI-Manager. Denn sie betraten in gleich dreierlei Hinsicht ein für sie völlig ungewohntes Geschäftsfeld. Statt wie bisher bestehende Häuser für Pauschalreisende zu füllen oder bestenfalls in bekannten Urlaubsgebieten mit Partnern neu zu bauen, wollte der Konzern Ferienhäusern errichten und vermarkten. Und das ganz oben, im Segment Fünf Sterne aufwärts, wo die TUI wenig Erfahrung hatte. Das Ganze bauten die Hannoveraner zu schlechter Letzt in einer Region, die für Veranstalterreisen erst noch entwickelt werden musste.

Das Leid begann nachdem die TUI im März 2006 mit dem Mailänder Immobilieninvestor Virginio Battanta den Kaufvertrag über das mittelalterliche Dörfchen abgeschlossen und das Geld überwiesen hatte. Zuerst stieg nach der letzten Tranche der Kaufpreis von 110 auf knapp 130 Millionen. Denn auf den ursprünglich vereinbarten Betrag wurde überraschenderweise Mehrwertsteuer fällig. Dann regte sich Unmut bei den Anwohnern in der Gemeinde Montaione, zu der Castelfalfi gehört. Sie fürchteten angesichts der gewaltigen Baupläne einen Ausverkauf an den Massentourismus.
TUI hat das überrascht. Kenner der Region nicht. Denn so strukturschwach die Gegend auch war: Seit der Jahrtausendwende hatte sich die Stimmung gegen neue Tourismusprojekte gewendet. 'Da hätten die in Hannover einfach mal ein paar regionale Zeitungen lesen müssen', sagt ein Insider. Im süd-toskanischen Monticchiello hatte eine Bürgerinitiative erfolgreich eine neue Ferienwohnungssiedlung verhindert. In der Nähe des gut 20 Kilometer entfernte San Gimignano wurde Mitte Mai eine Siedlung beschlagnahmt. 'Wir haben das strengste Baurecht Italiens', brüstete sich seinerzeit der Präsident der Region, Claudio Martini. 'Auf unseren Hügeln soll nur noch das Notwendigste gebaut werden.'

Darum und wegen einiger Planungsfehler verzögerte sich die versprochene Einigung mit der Gemeinde über die Nutzung des Geländes vom in der Vorlage für Anfang 2007 zugesagten Termin um vier Jahre bis März 2011. Dazu fiel die Convenzione genannte Baugenehmigung der zuständigen Gemeinde Montaione strenger aus als erwartet. Statt der erhofften vier Hotels durfte TUI jetzt bestenfalls zwei neue bauen. Doch selbst das Erste kam nicht recht voran. TUI wollte unbedingt einen von der Gemeinde strikt abgelehnten Robinson Club bauen und stellte das Konzept mehrfach abgewandelt auch als 'Hotel di Arte e Cultura' vor. Doch Montaione blieb hart. Am Ende gab TUI auf und eröffnete unter der völlig neuen Marke TUI Blue - nicht wie in der Vorstandsvorlage versprochen im März 2008, sondern erst neun Jahre später im März 2017.

Dazu gab es Ärger mit Geschäftspartner Battanta. Der hatte zwar beim Kauf die rund 18 Millionen Euro Mehrwertsteuer kassiert, aber nicht wie vereinbart an den italienischen Fiskus abgeführt. Stattdessen spielte er mit den Behörden gekonnt Katz und Maus, bis denen die Kragen platzte. 'Da hielt sich der italienische Fiskus offenbar lieber an einem solventen deutschen Konzern schadlos, statt dem Geld in Battantas Firmengeflecht nachzujagen', so ein Insider. 'Daraufhin wurde die TUI AG vom italienischen Fiskus dafür in Anspruch genommen', beklagt die TUI auf Anfrage.
So empfing dann im Sommer 2012 auf einmal die bewaffnete Finanzpolizei Guardia di Finanza das lokale TUI-Management in den Büros von Castelfalfi und beschlagnahmte im großen Stil Unterlagen. Notgedrungen zahlte die TUI die Mehrwertsteuer ein zweites Mal - inklusive Zinsen und sicherheitshalber direkt an die Behörden. Das rechtswidrig von Battanta einbehaltende Geld hat sie bisher nicht wiedergesehen. 'Ein Rechtsstreit über die Rückerstattung durch den Käufer beziehungsweise seine Erben ist anhängig', so die TUI.

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