Tui Warum Fritz wieder Flieger liebt

Tui-Chef Fritz Joussen Quelle: Bloomberg

Tui-Chef Fritz Joussen lässt seine lange ungeliebte Fluglinie Tuifly wieder aufleben. Dahinter stecken vor allem ein paar sehr unangenehme Erfahrungen.

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In diesen Tagen kommt Roland Keppler seinen Kunden auf breiter Front entgegen. Der Chef des Ferienfliegers Tuifly schraubt überall in Deutschland die Zahl seiner Verbindungen hoch. Vergangene Woche verkündete der Manager, dass allein in Düsseldorf die Kapazität um gut ein Viertel steigen werde. Kurz darauf ergänzte die Linie, dass sie auch Nürnberg, Berlin und Saarbrücken bald häufiger bedienen will. Das ist erst der Anfang. „Wir werden in Deutschland eine größere Rolle spielen und wollen den Flugmarkt mitgestalten“, so Keppler.

Möglich werden Kepplers Wachstumspläne durch eine Großbestellung seines obersten Chefs. Tui-Konzernlenker Fritz Joussen hatte bereits Anfang des Jahres 70 neue Flugzeuge geordert. Inzwischen kann er sich sogar vorstellen, dass er einen Ordervertrag für 50 weitere unterschreibt. „Flugzeuge spielen für Tui eine wichtige Rolle“, sagt der 54-Jährige über seine Airline-Tochter.

Flugreisenden kann der Ausbau recht sein, er fördert den Wettbewerb. „Mehr Angebot ist für den Kunden erstmal positiv, da es zu attraktiven Preisen führt. Denn die Airlines bieten mehr Sonderangebote, um die Auslastung zu halten“, erläutert Armin Bovensiepen, Partner bei UNEX Management Consulting, früher unter anderem im Dienst von Lufthansa und Air Berlin. „Tuifly nutzt dabei die Schützenhilfe aus der Gruppe und fliegt sowohl Ziele mit hoher Bettenkapazität der Tui-Gruppe als auch exklusive Destinationen mit geringerem Airline-Wettbewerb an.“

Umsatz der TUI AG in der Touristik in den Geschäftsjahren 2016 und 2017

Investoren und Konkurrenten hat Joussen mit dem Vorstoß im Flugsegment hingegen überrascht. Nach einem Ausbau hatte es zuletzt so gar nicht ausgesehen. Im vergangenen Sommer wollte der hochgewachsene Manager zumindest sein deutsches Fluggeschäft nur noch loswerden. Nach erfolglosen Versuchen, Tuifly bei Easyjet oder Condor abzuladen, stand er Mitte 2016 kurz davor mit Etihad aus Abu Dhabi handelseinig zu werden. Doch die Verhandlungen scheiterten, weil die Staatslinie nach einem Chefwechsel möglichst schnell alle Europainvestments loswerden wollte.

Den Grund für seine Airline-Skepsis hatte Joussen seit seiner Berufung auf den Chefsessel in Hannover immer wieder überzeugend klargemacht. Das Fluggeschäft passt so gar nicht zu seinem Hauptziel für die Tui: den jahrelang etwas margenschwachen weltgrößten Reisekonzern dauerhaft auf einer Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent zu halten. Dafür sorgen konnten vor allem unverwechselbare Premiumangebote – allen voran Hotels an den besten Stränden der Welt oder Kreuzfahrtschiffe. Aber eben nicht die Tuifly. Deren Flüge sind Massenware, urteilte Joussen im kleinen Kreis. Und die bekomme er ohne großen Qualitätsverlust bei kleinen Charterlinien oder Billigfliegern deutlich billiger und flexibler.

Diese Worte sind Vergangenheit. „Die Tui überlegt aktuell sehr genau, welchen nächsten und übernächsten strategischen Schachzug sie setzt und bewertet alle Optionen“, sagt Berater Bovensiepen.

Für Joussens Umdenken sorgte kein betriebswirtschaftliches Wunder, das Tuifly zur Ertragsperle gemacht hätte. Die Linie hat zwar ihre Ergebnisse dank Einsparungen von 20 Millionen Euro beim Personal und rund zehn weiteren Millionen bei Ausgaben wie der Wartung verbessert. Doch Beobachter zweifeln, dass Tuifly spürbar schwarze Zahlen schreibt.

Joussens Liebe zur Airline rührt aus ein paar unangenehmen Erfahrungen mit der Luftfahrtbranche nach dem langsamen Niedergang von Air Berlin in den vergangenen zwei Jahren. Zuerst kürzte die Hauptstadtlinie schrittweise ihr Streckennetz. Und wegen schlechter Planung starteten die verbliebenen Flüge reihenweise verspätet. Besonders unzuverlässig war die Linie auf kleineren Urlaubsrouten etwa zu den griechischen Inseln, Kap Verden oder in die Karibik, wo es gerade in der Hauptreisezeit fast keinen Ersatz für ausgefallene Flüge gibt. Gleichzeitig machte Tui die Erfahrung, dass auch größere Billigflieger vereinbarte Routen runterfuhren, weil ihre Jets mehr Geld brachten, wenn sie außerhalb des klassischen Urlaubsgeschäfts flogen.

Das traf den Reiseriesen besonders, weil an den Traumstränden viele ihrer besten Kunden Urlaub machten. So kamen dem Vernehmen nach wiederholt Reisende, die für teilweise deutlich mehr als 10.000 Euro einen Nobelurlaub gebucht hatten, nach Ausfällen und komplizierten Umsteigeverbindungen mit extremen Verspätungen an. „Und die Schuld gaben sie der Tui und nicht der Airline“, so ein Insider. 

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