Turkish-Airlines-Chef attackiert Emirates und Etihad "Unprofitable Airlines kann nur Gott retten"

Temel Kotil stichelt gegen die Konkurrenten Emirates und Etihad. Der Chef von Turkish Airlines will die subventionierten Fluglinien vom Golf stoppen und wieder enger mit der Lufthansa kooperieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Turkish-Airlines-Boss Temel Kotil will seine Airline zur größten Europas machen. Quelle: rtr, Montage

WirtschaftsWoche: Herr Kotil, Ihr Unternehmen hat zehn Jahre lang stark zugelegt. Nun sank der Umsatz im ersten Quartal, die Rendite fällt, und mit der Rezession in der Türkei lahmt ihr wichtigster Wachstumstreiber. Ist die Party vorbei?

Kotil: Nein, sie fängt erst richtig an. Wir werden bis 2023 auf die doppelte Größe wachsen mit dann 120 Millionen Passagieren und 25 Milliarden Dollar Umsatz.

Die aktuellen Zahlen vermitteln einen anderen Eindruck.

Das täuscht. Der Umsatzrückgang im ersten Quartal in unserer internationalen Bilanz in Dollar rührt vor allem aus der stärkeren US-Währung, was unsere Einnahmen in türkischer Lira kleiner wirken lässt. Die Schwäche der türkischen Wirtschaft spüren wir und werden 2015 bei der Passagierzahl statt 18 Prozent im vorigen Jahr (blättert in einer Präsentation) nur gut 15 Prozent wachsen (lacht). Aber im Ernst: Im zweiten Quartal liegt unser Umsatz wieder über Vorjahresniveau, so dass wir am Jahresende wohl zehn Prozent Wachstum und eine Rendite vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 18 Prozent schaffen. Mit solchen Werten können wir praktisch unendlich lange zweistellig zulegen und neue Flugzeuge finanzieren.

Zur Person

Wann erreichen Sie Ihr altes Ziel, die größte Fluglinie in Europa zu werden?

Die größte europäische Linie zu werden ist bei unserem Wachstum ja fast unvermeidlich (lacht). Und in gewisser Hinsicht sind wir das sogar schon. Wir fliegen fast 230 Flughäfen außerhalb unseres Heimatlandes an, mehr als jede andere Fluglinie. Dazu verbinden wir über unsere Drehkreuz Istanbul (blättert) mehr als 25.000 Städte. Doch am Ende ist es nicht wichtig, wie groß wir sind. Wir wollen die türkische Wirtschaft fördern durch das stärkste Drehkreuz der Welt und dabei über Jahrzehnte gesund wachsen, so wie die Mammutbäume in den USA.

Dabei drohen Sie gelegentlich zu stolpern. Sie hatten jüngst mehrere Sicherheitsprobleme, vor allem mit gefährlichen Starts und Landungen. Sind Sie zu schnell gewachsen?

Nein. Wenn wir das geringste Anzeichen für ein Problem sehen, schauen wir, was wir besser machen können, egal was es kostet.

Die Erfolgsfaktoren von Turkish Airlines

Bislang stammt fast 90 Prozent ihres Umsatzes aus dem Passagiergeschäft und nur zehn Prozent aus Bereichen wie Fracht oder Wartung. Wollen Sie das ändern?

Ja. Beim starken Wachstum unseres Passagiergeschäfts wächst ja vor allem das Wartungsgeschäft automatisch. Doch wir wollen im nächsten Jahrzehnt in beiden Feldern dort ebenso wichtige Anbieter sein werden wie im Passagierverkehr. Aber wir können uns auch vorstellen mit anderen zusammen zu arbeiten, vorausgesetzt das Unternehmen ist gesund und bekommt keine Subventionen.

Wie viel Wachstum kosten Sie die Fluglinien vom Golf wie Emirates oder Etihad? Die haben eine ähnliche Strategie und dank staatlicher Hilfen deutlich tiefere Taschen als Sie.

Unsere arabischen Freunde können uns weder aufhalten noch bremsen, nur vorübergehend etwas stören.

Amerikanische Airlines als Vorbild

Auch wenn sie, wie Lufthansa und die US-Airlines vorrechnen, dank Milliarden-Subventionen Preiskriege anzetteln?

Auch dann. Unprofitable Airlines kann nur Gott retten, aber keine Subvention.

Das sehen viele Fluglinien anders.

Aber sie schaden sich selbst. Wir wissen aus eigener Erfahrung: Subventionen sind am Ende keine Hilfe, sondern ein süßes Gift, das langsam tötet. Sie verderben das Denken der Mitarbeiter. Sie tun nicht mehr das Beste für die Kunden, aber alles, um sich mit immer neuen Entschuldigungen für ihre Verluste die Staatshilfen zu erhalten. Das ist gegen die Natur. Sehen Sie den Baum hier in meinem Büro (steht auf). Ich schütze ihn vor dem Wetter, weil ich ihn liebe. Doch tatsächlich foltere ich ihn, denn ohne die Herausforderungen der Natur wird er schwach.

Top 10 Fluglinien nach der Anzahl der Passagiere weltweit

Also haben Sie nichts gegen Subventionen, weil sich das Problem von selbst löst?

Doch. Bislang habe ich die Beweise, von denen die US-Linien sprechen, noch nicht gesehen. Aber wenn die stichhaltig sind und eine Fluglinie in großem Umfang Staatsgeld erhält, müssen wir sie stoppen.

Und wie? Über ein Verfahren vor der Welthandelsorganisation WTO?

Das ist ein Weg.

Die fünf Erfolgsgeheimnisse der arabischen Airlines

Lufthansa fordert, Emirates und anderen die Flugrechte zu streichen. Das halten Linien mit arabischen Aktionären wie die IAG-Gruppe um British Airways und Iberia sowie Air Berlin und Alitalia für Protektionismus und haben den europäischen Luftfahrtverband AEA verlassen. Wo stehen Sie als AEA-Präsident in der Frage?

Europa sollte sich nicht unterschätzen. Die Wirtschaft und die Fluglinien haben sich jahrelang weltweit im Wettbewerb gut geschlagen, weil sie und ihre Regierungen alles getan haben um zu wachsen. Nach Asien kommt mit Afrika der nächste große Markt mit 1,2 Milliarden Konsumenten, die reisen wollen. Alle wollen mit Europa Geschäfte machen und dort den Urlaub verbringen. Da kann es doch nur unser gemeinsames Ziel sein, dass sie mit uns europäischen Fluglinien reisen.

Könnte eine Fusion der AEA mit dem Billigflieger-Verband die Einigkeit fördern?

Warum nicht? Was die US-Fluglinien politisch stark macht, ist ihre Einigkeit. Ob etablierte Linie oder Low Cost: Alle sind im Verband „Airlines For America“. Sie streiten bei einem beinharten Wettbewerb gemeinsam und ich glaube erfolgreicher als wir in Europa für weniger schädliche Regulierungen und den Ausbau der Infrastruktur wieder Flughäfen oder der Luftraumüberwachung.

Lufthansa

Bislang sind Sie sich nicht mal mit Ihrem Star-Alliance-Partner Lufthansa einig. Sie wirft Turkish Airlines in einen Topf mit Golflinien, weil Sie ihr Passagiere wegnehmen.

Wir haben keine Probleme mit der Lufthansa. Wir lieben sie. Aber wir bekommen und wollen keine Staatshilfe.

Trotzdem hat Lufthansa die Gemeinschaftsflüge mit Ihnen gekündigt und schreibt auf Strecken mit Turkish weniger Meilen im Bonusprogramm Miles & More gut, obwohl das gegen den Geist der Star Alliance verstößt.

Stimmt. Aber am Ende kennt Lufthansa den Markt. Anders als der Verkehr nach Nordamerika wächst der nach Asien und Afrika. Wir Europäer profitieren am meisten, wenn wir kooperieren und jeder seine Stärken einbringt. Keine Fluglinie stiehlt einer anderen die Kunden. Wir müssen jeden Passagier bei jedem Flug neu für uns gewinnen. Das zeigt nicht zuletzt der Erfolg unserer gemeinsamen Tochter Sun Express...

Betriebskosten von Fluglinien

...deren Chef allerdings eine schwarze Kasse unterhalten haben soll.

Wir waren etwas überrascht, wie groß die Aufmerksamkeit dafür war. Wir dachten, wir hätten im vergangenen Herbst durch die Selbstanzeige und Steuernachzahlung alles geklärt. Aber ich wäre unhöflich, ohne Abstimmung mit der Lufthansa mehr zu sagen.

Kann Sun Express Sie und Lufthansa näher zusammen bringen? Sun fliegt für Sie und übernimmt bald für die Lufthansa die Langstrecken-Billigflüge der Marke Eurowings.

Sobald es ein Signal von der Lufthansa gibt, vertiefen wir sofort die Zusammenarbeit weil uns das beide stärker macht.

Um zu wachsen müssen Sie bald neue Großraumflugzeuge bestellen. Sie gelten als Interessent wenn Malaysia Airlines seine Superjumbos vom Typ A380 wie angekündigt verkauft.  

Das ist erstmal nichts für uns. Dank der zentralen Lage unseres Flughafens Istanbul können wir einen großen Teil unseres Netzes mit kleineren Flugzeugen wie dem Airbus 320 oder der Boeing 737 fliegen. Und auch auf der Langstrecke fliegen wir lieber häufiger mit kleineren Flugzeugen als selten mit größeren Maschinen.

Heißt, dass Turkish Airlines wird nie den A380 fliegen?

Das habe ich nicht gesagt. Wir verhandeln derzeit über eine ganze Palette von Modellen. Und da gehört der A380 dazu. Wenn es sich rechnet, sind wir auch dafür offen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%